Sitzt der ideologische Mitläufer tatsächlich weniger am Stammtisch, sondern eher im Hörsaal?
Der Evolutionspsychologe William von Hippel fand heraus, dass der Mensch einen Großteil seiner Denkleistung dazu verwendet, um sich in seiner komplizierten sozialen Welt zurechtzufinden. Warum guckt mein Chef heute so komisch? Was bedeutet die Anspielung meines Nachbarn über mein neues Auto? Flirtet die Bedienung mit mir oder ist sie einfach nur freundlich?
Unser „soziales“ Gehirn überprüft zwar ab und an auch Fakten. Viel wichtiger jedoch ist ihm die Frage: Welche gesellschaftlichen Konsequenzen hat es, wenn ich dies oder jenes tue oder sage?
Wir haben also einen Mechanismus im Kopf, der uns im Zweifel sogar daran hindert, das zu denken, was richtig ist, wenn es im Gegenzug unseren sozialen Status gefährdet.
Daher tritt dieses Phänomen auch umso stärker auf, je höher der soziale und wirtschaftliche Status einer Person ist. Gebildete und/oder wohlhabende Menschen machen sich mehr Gedanken darüber, was andere von ihren Meinungen halten könnten. Weil sie einen akademischen Ruf oder eine gute berufliche Position zu verlieren haben.
Was dazu noch kommt: Je gebildeter und klüger ein Mensch ist, umso geschickter ist sein Gehirn, ihm den größten Blödsinn als vernünftige Idee zu verkaufen, solange es seinen sozialen Status hebt. Dadurch neigt das gehobene Bildungsbürgertum stärker dazu, irgendwelchen intellektuellen Schnapsideen hinterherzuhängen als einfache Leute.
Der amerikanische Daten-Analyst David Shor stellte in umfangreichen Studien fest, dass gebildete Menschen ideologisch kohärentere und extremere Ansichten vertreten als Menschen aus der Arbeiterklasse. Taxifahrer, Putzfrauen, Handwerker oder Lagerarbeiter haben oftmals viel mehr Realitätsbezug und gesunden Menschenverstand als Professoren, Lehrer und höhere Beamte.
Der ideologische Mitläufer sitzt also weniger am Stammtisch, sondern eher im Hörsaal.
Vince Ebert
6 Antworten
Widerspruch!
Das von Dir beschriebene Phänomen trifft einen eingrenzbaren Bereich in der Mitte/oberen Mitte der Gesellschaft. Menschen, die in ihrer Karriere noch eine Ebene über sich haben bzw. denen es zwar wirtschaftlich gut geht, die aber auch noch ökonomisch abhängig sind.
Wer ganz oben ist, kann sich in der Regel freies Denken leisten, es sei denn seine Existenz baut auf die Zugehörigkeit zu einer Gruppe auf z.B. als Parteifunktionär.
Wer reich ist lebt wohl eher im Zwiespalt - das Ergebnis seiner potentiellen Denkleistungen (aufgrund seiner Bildung) würde ihm etwas anderes nahe legen als ständige Gewinnmaximierung.
Aber darüber gibt es eine intelligente Elite mit Vorbildfunktion, die sich ihrer Autonomie bewusst ist und sich frei äußert - manchmal damit auch gesellschaftliche Verantwortung übernimmt - auch ohne Parteibuch. Das betrifft Koryphäen in der Wissenschaft, in der Kultur (Film/Musik/Dichtkunst) seltener im Sport.
Je gebildeter und klüger ein Mensch ist, umso geschickter ist sein Gehirn, ihm den größten Blödsinn als vernünftige Idee zu verkaufen, solange es seinen sozialen Status hebt.
Ein reflektierter Mensch merkt doch, wenn er sich selbst betrügt. Was zählt sind einfach Vorteile/Profit. Es ist bekannt, dass große Teile der Wirtschaftsbosse Hitler eigentlich als Psychopathen verachteten, aber sie nutzten seine Politik, um damit reich zu werden. Voraus geht dem immer eine Grundsatzentscheidung zwischen Moral(Gewissen) und Profit.
Wer abhängig beschäftigt ist, um seine Existenz bangen muss, der sucht Sicherheiten im Leben. Und er hat keinen Nerv für komplexe Zusammenhänge, um sich seine Situation zu erklären. (Zudem fehlt ihm das Grundwissen zu wirtschaftlichen Zusammenhängen). Das ist die Stunde der Populisten mit einfachen platten Lösungsvorschlägen, die wie ausgelegte Köder wirken (weil sie darin auch eine Aufwertung erfahren) und aha-Erlebnisse auslösen können, die als "Erkenntnisse" integriert werden.
Sitzt der ideologische Mitläufer tatsächlich weniger am Stammtisch, sondern eher im Hörsaal?
Nein.
Aber vermutlich unterscheiden sich die überwiegenden Ideologien der Mitläufer zwischen Stammtisch und Hörsaal. Junge studierte neigen zu einem ehe zu linken während Menschen aus der "Arbeiterklasse" eher zu konservativen Weltbildern neigen.
Dies sind zumindest meine Erfahrungen nachdem ich sowohl ein Handwerk gelernt als auch studiert habe.
Der rechte Rand verspricht denen Sicherheit und ein tolles Leben wie damals, wann auch immer das war und jene haben damit zu kämpfen zu arbeiten, einen Haushalt zu führen, gegebenenfalls eine Familie zu ernähren usw...
Studenten hingegen haben eher ein ruhiges Leben was Pflichten anbelangt und bis auf Klausuren, die man schreiben kann wann man möchte, gibt es kaum Pflichten, außer vielleicht einige Abgaben für die Zulassung zur Prüfung oder Sonderprüfungsform. Diese sind eher offen für Themen wie anderen helfen, Geld in die Welt verschicken und keine Grenzen.
Also macht schon Sinn das die unterschiedlich beeinflussbar sind.
Dass formal hoch gebildete eher Mitläufer sind, würde ich absolut Null unterschreiben. Dass sie sich dafür umso mehr ein ein Weltbild hineinsteigern können, da sie schlicht einen größeren Umfang an Fakten in die Erwägung einbeziehen, glaube ich gern.
Die Frage ist doch aber ob man jede Ideologie dabei als gleichwertig ansieht oder z.B. jene die auf dem wissenschaftlichen Kenntnisstand beruht und sich diesbezüglich auch stetig korrigiert, als klar progressiver und zielführender betrachtet.
Dabei haben natürlich auch verschiedene Sichtweisen ihre Berechtigung. Das es auch eine gewisse konservative Regulation braucht, sieht man aktuell ganz gut am Thema KI.
Lange Rede kurzer Sinn, die obenstehenden Ausführungen sind so formuliert, dass man meinen könnte diese Menschen seien anfälliger dafür weltfremd zu sein, dabei ist die Welt eben unglaublich komplex und vielschichtig und nicht auf einfache Aussagen wie sie Populisten gern instrumentalisieren runter zu brechen. Sie sind also tendenziell schwerer zu manipulieren, aber wenn man es schafft, dann kreiert man damit Monster ^^
Der amerikanische Daten-Analyst David Shor stellte in umfangreichen Studien fest, dass gebildete Menschen ideologisch kohärentere und extremere Ansichten vertreten als Menschen aus der Arbeiterklasse. Taxifahrer, Putzfrauen, Handwerker oder Lagerarbeiter haben oftmals viel mehr Realitätsbezug und gesunden Menschenverstand als Professoren, Lehrer und höhere Beamte.
Dass kann ich so bestätigen. Wobei ich mittlerweile einen Elektroinstallateur für gebildeter halte als jemand, der einen Master in irgendeinem Schwachsinnsfach hat.
Viele die nie an der Uni waren, denken dass dort die intellektuelle Elite sitz und ein Abschluss eine anstrengende und intellektuell anspruchsvolle Leistung ist... Ihr würdet überrascht sein, wie viele Studiengänge nur aus billigsten auswendig lernen bestehen und wie viele Hausarbeiten ohne nennenswerte kognitver Leistung geschrieben werden können. Es gibt Klausuren in manchen billo Studiengänge, die bestehen nur aus Multiple Choice und viele der Fragen könnte man sogar als gebildeter Leihe beantworten.
Unsinn, der schon daran komplett scheitert, "ideologisches Mitläufertum" nicht zu definieren und daher nur dazu dient, sich in seiner Minderheitenposition über die Positionen von Mehrheiten voraussetzungslos zu erheben.
Insofern konstruierst du da lediglich selber eine Ideologie zur Befriedigung extremistischer Geltungssucht! Lach.