Sind aus eurer Sicht Psychotherapien wirklich sinnvoll?

Das Ergebnis basiert auf 26 Abstimmungen

Ich finde Psychotherapie sinnvoll, weil 77%
Ich finde Psychotherapie nicht sinnvoll 23%

6 Antworten

Von Experte kami1a, UserMod Light bestätigt
Ich finde Psychotherapie sinnvoll, weil

Ich arbeite in einer Psychiatrie und dort kommen Patienten auch noch zu Ambulanz Terminen zu ihren Therapeut auch wenn die Behandlung bereits abgelaufen ist stationär. Bei etwa 90 % der Pat gelingt es durch die Psychotherapie, dass sie ein stabiles Leben zuhause wieder führen können. Sie haben gelernt mit ihren Problemen umgehen zu können. Von daher denke ich, dass Psychotherapie etwas gutes sein kann wenn man das Gefühl hat, dass man sein Leben nicht im Griff hat aufgrund einer Krise oder Erkrankung oder aufgrund eines Traumas.10 % sind so krank das sie wiederholt zu uns kommen stationär. Ich arbeite in einer Jugendpsychiatrie.

Ich finde Psychotherapie sinnvoll, weil

sie können es sein. Man sagt:

30 % "geheilt"

30% verbessert

30% keine Wirkung

es kommt halt auf die Person an, die eine Therapie aufsucht und natürlich auch auf den Therapeuten.

Es gibt leider nicht selten Menschen, die vom Therapeuten das Heil erwarten und wollen, dass er ihre Probleme löst, ohne dass sie etwas tun müssen. Ich habe selbst schon Patienten gehabt, die sich mit der Haltung hinsetzen: "So nun lass mal rollen." Und das funktioniert aber leider nicht.

Man kann sich darum auch nie therapieren lassen, sondern Therapeut und Patient bilden ein gemeinsames Team. Man kann sich den Blinddarm herausnehmen lassen, aber man kann sich nicht therapieren lassen,

Therapie ist harte Arbeit, vor allem für den Patienten. Und auch nicht immer sanft. Manche Patienten setzen Empathie gleich mit "Heile, Heile Gänschen." Man bekommt in der Therapie vom Therapeuten nicht selten auch Feedbacks, die man nicht hören will.

Und Therapeuten sind auch Menschen. Ich habe selbst im Rahmen der Psychotherapieausbildung eine lange Lehrtherapie machen müssen/wollen. 250 Stunden, zweimal in der Woche. (selbst bezahlt, versteht sich). Eine Lehrtherapie ist im Grunde nichts anderes als eine normale Therapie. Man nennt sie Lehrtherapie, weil man halt das Therapieren nur gut lernen kann, wenn man selbst lange genug Patient war.

Mein Lehrtherapeut, dem ich bis heute unendlich dankbar bin, war aber ein Mensch, der bei aller guten Ausbildung natürlich auch "Fehler" machte und mich auch sehr verletzen oder ängstigen konnte. Aber im Nachhinein waren das oft die besten Stunden überhaupt. Ich bin manchmal von ihm weggegangen und fühlte mich unendlich verletzt. Aber immerhin konnte ich das mit ihm in der nächsten Stunde klären und ich bin dann immer viel weiter gekommen.

Therapeuten sind keine Übermenschen, aber sehr oft sehr, sehr hilfreich. Aber, wie gesagt, in einer Therapie arbeitet immer der Patient.

Ich vergleiche eine lange Therapie gerne mit einer Bergwanderung. Der Therapeut ist der Bergführer, er macht den Patienten auf Gefahrenstellen aufmerksam, er hilft ihm über gefährliche KLippen hinweg, sichert ihn am Berg, er begleitet ihn, aber er trägt ihn nicht.

Ich hatte einmal eine Stunde gehabt, wo ich meinen Zweifeln Ausdruck verlieh, dass sich ja gar nichts ändern würde. Ich verglich es mit einer Bergwanderung, ich wollte auf den Mount Everest rauf und war böse, dass ich noch nicht mal ansatzweise da war. Mein Therapeut fragte dann, was ich denn sehen würde, wenn ich mal zurückschauen würde, also nicht immer nur auf den Berg in der Ferne. Das tat ich und sah weit unter mir das Dorf liegen, von dem aus wir gestartet waren. Das war extrem beeindruckend für mich! Vor lauter Mont Everest hatte ich nicht bemerkt, wie weit ich schon gekommen war.

Ja, Therapien können sehr, sehr hilfreich sein. Meinem Lehrtherapeuten bin ich bis heute unendlich dankbar, obwohl unsere letzte gemeinsame Stunde schon 25 Jahre her ist. Mein Mount Everest ist immer noch weit weg, aber der Weg ist das Ziel,

Ich finde Psychotherapie sinnvoll, weil

Psychotherapie kann sehr vielen Menschen mit psychischen Problem helfen. Es funktioniert aber nur wenn man wirklich mit macht und bereit ist an sich zu arbeiten

Ich finde Psychotherapie nicht sinnvoll

Es dauert lange, bis man mangels Therapeuten einen Therapeuten finden, und dann auch noch einen, der für einen selbst überhaupt geeignet ist, denn die "Chemie" muss ja stimmen. Dazu kommt, dass nicht allen durch eine ausgeführte Psychotherapie geholfen werden kann, und das sind viele, siehe dazu Statistiken. Dazu kommt auch noch, dass eine Psychotherapie den Zustand dauerhaft verschlimmern kann, worauf man vor Therapie auch hingewiesen wird.


spelman  01.06.2024, 18:18

Was wäre Deine Alternative?

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EVYTNG  01.06.2024, 18:25
@spelman

Entweder man wagt es, oder lässt es sein. Was richtig oder falsch ist, weiß man vorher nicht. Und die Welt ist ggf. noch nicht so weit, dass erst keine psychosozial bedingten psychischen Krankheiten entstehen.

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spelman  01.06.2024, 18:30
@EVYTNG

Na ja, aber wenn Du auf "nicht sinnvoll" klickst, heißt as ja entweder, Du würdest gar nichts machen, oder aber Du kennst etwas Besseres. Gar nichts zu machen ist halt bei wirklich ernsthaft erkrankten Menschen keine Alternative, finde ich.

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EVYTNG  01.06.2024, 18:33
@spelman

Es wurde aber auch nicht nach wirklich ernsthaft erkrankten Menschen gefragt, sondern die Frage wurde allgemein gestellt. Und auch bei "ernsthaft" Erkrankten ist das Risiko vorhanden, dass sich ihr Zustand durch Psychotherapie dauerhaft verschlimmert.

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Ich finde Psychotherapie sinnvoll, weil

Mir hat es auf jeden Fall geholfen, und ich kenne weitere Menschen, bei denen das genauso war/ist.