Sehen alle Hindus Jesus als Avatar?

2 Antworten

Es gibt viele verschiedene Strömungen im Hinduismus, die sich teilweise frappierend voneinander unterscheiden, so dass man kaum von "dem" Hinduismus sprechen kann.

Das unpersönliche Göttliche

So gibt es Hindus, die an die Unpersönlichkeit Gottes glauben. Für sie gibt es "das Göttliche" (Atman), ein höheres Bewusstsein, der Urgrund des Seins, unbegreifbar.

Aus ihrer Sicht sind alle Gottheiten lediglich symbolische Darstellungen für verschiedene Aspekte des Göttlichen - helfend, tröstend, schützend, zerstörend...

Viele Yogis folgen diesem Weg.

Die personifizierte Gottheiten

Andere Hindus haben dagegen ein personifiziertes Gottesbild und glauben etwa an eine höchste Persönlichkeit Gottes, während alle anderen untergeordnet sind.

Sie verehren dann beispielsweise Krishna oder Shiva als höchste Form Gottes, erkennen andere Gottheiten jedoch an, teilweise als Verkörperungen (Avatar).

Dieser Glaube ist vor allem im Volk verbreitet.

Hinduistische Weisheitslehrer

Der Hinduismus ist nicht in sich abgeschlossen, wie etwa das Christentum, oder der Islam, sondern je nach Auslegung, auch für andere Interpretationen offen.

Hinduistische Weisheitslehrer wie Sri Ramakrishna, Sri Swami Paramahamsa Yogananda oder Swami Sivananda, sahen die "Einheit" aller Religionen.

Sie lehrten, dass das unfassbare "Göttliche" zu verschiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten auf unterschiedliche Weise an Menschen vermittelt wurde.

Die zugrundelegende Lehre, der Mensch müsse sowohl Weisheit als auch Mitgefühl entwickeln, um zur Einheit mit dem Göttlichen zu gelangen, sei jedoch omnipräsent.

Daher haben sie auch kein Problem damit, Menschen aus anderen Kulturen, als Weisheitslehrer, oder sogar Verkörperungen des Göttlichen (Avatar) anzuerkennen.

Somit kann für sie "Jesus" genau so ein Avatar sein, wie Sri Krishna.

Ein Beispiel, wie dies in der Praxis aussieht, zeigt sich beispielsweise in spirituellen Zentren, die der Lehre von Swami Sivananda folgen.

Dort hängen nicht nur die Fotos von Swami Sivananda usondern gleichberechtigt auch Darstellungen von Jesus oder anderen spirituellen Lehrern.

In der Sivananda-Traditionslinie ist außerdem religiöser Gesang zur Verehrung des Göttlichen üblich. Eines dieser Lieder heißt "Jaya Ganesha"

Es gibt verschiedene Variationen und eine Version endet mit der Anrufung spiritueller Lehrer "Om Buddha...Om Moses...Om Jesus...Om Muhammad...."

Das ist im Hinduismus also kein Widerspruch und so gibt es auch in der Gegenwart noch Gurus, die von ihren Anhängern als "eins mit dem Göttlichen" bzw. "Selbstverwirklichte" verehrt werden.


Mahakaruna  20.05.2018, 20:23

Sehr gut erklärt!

Enzylexikon  20.05.2018, 20:34
@Mahakaruna

Vielen Dank, wobei ich vielleicht besser die Einheit von Brahman und Atman hätte erklären sollen, weil sonst mein Gebrauch des Wortes Atman missverständlich ist.

Also um das für Mitlesende noch einmal zu verdeutlichen:

Das Göttliche wird zum einen als eine Art Urgrund (Brahman) verstanden, aber auch jeder Mensch hat diesen göttlichen Funken (Atman) in sich.

Das Ziel der spirituellen Praxis ist also, den eigenen göttlichen Wesenskern (Atman) mit dem ewig göttlichen Urgrund (Brahman) zu vereinen.

Von einem höheren Blickpunkt aus betrachtet, ist es somit letztlich egal, welches Wort man nutzt, für philosophische Erklärungen sollte man es aber unterscheiden.

Daher möchte ich mich für Unverständlichkeiten entschuldigen.

Mahakaruna  20.05.2018, 21:25
@Enzylexikon

Ja man kann das in ein paar Sätzen nicht erschöpfend erklären. :)

Schau mal bitte, hier wird es so gut veranschaulicht.

Absolut beeindruckender Vortrag!

https://youtu.be/goNIy6RDfX8

Würde mich über eine Rückmeldung mit deinen Eindrücken freuen.

Ich finde die Videos von diesem Swami sehr interessant, egal ob man sich Hindu oder Buddhist oder Christ nennt ...

Wo soll ich da anfangen :) ?

Ich habe Dir ja in deinem anderen Thread schon ein paar Hinweise gegeben.

Ja manche Hindus (zb. bekannte Mystiker und Heilige) sehen Jesus als Inkarnation Gottes auf Erden (Avatar) an.

"Warum glauben sie daran?"

Um das zu beantworten müsste ich weiter ausholen, um es kurz zu fassen:

Im Hinduismus hat man (je nach Tradition) ein anderes Verständnis von "Gott" als in den abrahamitischen Religionen.

Ganz grob vereinfacht kannst du Dir das so vorstellen (ich gehe hier von der Advaita Vedanta Tradition aus zu der zB. Sri Ramakrishna gezählt wird):

Für Hindus ist "Gott" eher eine Art Urgrund = "Brahman" genannt.

Die Einzelseele oder besser übersetzt das Selbst des einzelnen Menschen "Atman" genannt ist in Wahrheit identisch mit Brahman.

Dies zu erkennen und zu einer Realität zu machen ist es was Befreiung, Erlösung, Nirvana, Mukti usw. genannt wird.

Das ist jetzt stark vereinfacht dargestellt .. !

Für Hindus ist also in Wahrheit alles Brahman, alles ist "Gott".

Es gibt in Wahrheit nichts außer diesem Einen.

Konzentriert zusammengefasst wird dies in den Veden, in den Mahavakyas (großen Aussprüchen) wie zB.

"Tat tvam Asi" = Das bist du.

https://de.wikipedia.org/wiki/Mahavakya

Daher gibt es da keine Probleme verschiedene herausragende Lehrer und Meister als Avatar anzusehen, wie Rama, Krishna, Buddha, Jesus, Ramakrishna usw..

Für Hindus sind sie alle ein Art Vorbild und Wegweiser, die dieser Erkenntnis realisiert haben. (Jesus Aussage "Ich und der Vater sind eins" interpretieren sie zum Beispiel in dieser Art).

2) "Da das Christentum viel jünger ist als das Hinduismus wie hat es dann angefangen das auch die hindus jetzt man ihn glauben nicht mal in den heiligen Schriften wird von ein Jesu berichtet "

Das hat wie ich schon beschrieben habe nicht viel mit heiligen Schriften zu tun.

Im Hinduismus sind die (zahlreichen) Schriften keine unbedingt verpflichtende Schrift an deren Inhalte man glauben muss um das Heil zu erlangen, sondern mehr eine Darstellung und Erklärung der religiösen Inhalte.

In den Veden muss nichts von Jesus stehen damit Hindus ihn anerkennen.

Das ist nicht so wie bei Bibel und Koran-Auslegern die auf Biegen und Brechen die Erwähnung eines Propheten irgendwo hineininterpretieren müssen/ wollen damit sie irgendwas belegen können.

Der Hinduismus ist generell eher inklusivistisch ausgelegt, lässt also vieles gelten neben den eigenen Lehren.

Es gibt ja überhaupt nicht "DEN" Hinduismus, sondern verschiedene Traditionen ..

Rig Veda (1:164:46): „Ekam sat vipra bahudha vadanti“

Es gibt eine Wahrheit, die Weisen benennen sie verschieden

Oder durch die Bhagavad Gita (7:21): „Welche Gestalt auch immer ein sich fromm Hingebender gläubig zu verstehen wünscht, ich befestige diesen seinen Glauben.“

Gruß