Römische Göttin Levana

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Offenbar sind zu dieser römischen Göttin kaum lateinische Textstellen erhalten.

Nachschlagewerke zur Antike, zur römischen Religion und zur griechisch-römischen Mythologie sind Möglichkeiten mach Informationen zu suchen.

Ich rate auch dazu, zu der Augustinus-Stelle nach einem lateinischen Text, einer Übersetzung und einem Kommentar zu suchen.

Teilweise werden nützliche Bücher wohl nur in einer wissenschaftlichen Bibliothek zu finden sein.

Levana war im Rahmen der römische Geburtshilfe und deren numinöser Überhöhung eine Göttin, die das neugeborene Kind vom Boden, auf dem es niedergelegt und einer Vitalitätsprüfung unterzogen worden war, aufhob. Auf menschlicher Ebene tat dies die Hebamme. Levana war eine Personifikation der Handlung des Aufhebens (lateinisch levare = [durch Heben, Unterstützen] erleichtern, aufheben). Nach alten religiösen Riten wurde sie zum Aufheben des neugeborenen Kindes nach der Geburt angerufen.

Varro, De vita populi Romani Fragment 81 Riposati = Nonius Marcellus 848 Lindsay bezeugt das Aufheben als Handlung der Hebamme, nicht des Vaters.

Natus si erat vitalis ac sublatus ab obstetrice, statuebatur in terra, ut auspicaretur rectus esse; dis coniugalibus Pilumno et Picumno in aedibus lectus sternebatur.

„Wenn das Kind lebenskräfig war und von der Hebamme aufgehoben worden war, wurde es auf die Erde aufgestellt, damit es richtig beginne; den Ehegöttern Pilumnus und Picumsnus wurden im Haus Lagerstätten bereitet.“

In den Handschriften steht nach terra aut statt ut, eine versehentliche Dittographie (Doppelschreibung). Eine Änderung von auspicaretur (Handschriften) in aspiceretur („erblickt“/„angeschaut") ist verbreitet, doch das Verb auspicari („beginnen“, „etwas zur guten Vorbedeutung anfangen“) ergibt in der Textselle einen Sinn.

Levana war ein Gottheit der indigitamenta. Nach Auffassung von Georg Wissowa bezeichnet das Wort indigitamenta eine Sammlung von Anrufungsformen, mit denen sich römische Priester bei verschiedenen Anlässen an Gottheiten wandten und die wegen ihrer zwingenden Gewalt vom Staat geheimgehalten wurden. Unter Berufung auf Marcus Terentius Varro (Antiquitates rerum divinarum 14, Fragment 87 Cardauns) werden die indigitamenta aber häufig als zu den Ponifikalbüchern gehörenden Verzeichnisse von Gottheiten gedeutet. Viele von diesen Gottheiten (die indigetes, Singular.indiges) waren Sondergottheiten oder Augenblicksgottheiten mit ganz bestimmten beschränkten Funktionen, die sich teils auf das Leben der Menschen, teils auf den Landbau bezogen.

Angelika Dierichs, Von der Götter Geburt und der Frauen Niederkunft. Mainz : von Zabern, 2002 (Kulturgeschichte der antiken Welt ; Band 82), S. 217 – 218:

„Ist diese Vitalitätsprüfung abgeschlossen, bleibt das Neugeborene noch eine Zeit auf dem Boden liegen, um sich vom Geburtsschock zu erholen. Dann wird es auf den Boden aufgehoben (tollere). Dieses kann ausschließlich durch die Hebamme geschehen, da aus den antiken Texten hervorgeht, daß der Vater normalerweise überhaupt nicht bei der Geburt anwesend ist. Ein Seitenblick auf den Mythos lehrt, daß Levana und die Nymphen bei göttlichen Geburten als Helferinnen zuständig sind. Nach der Omphalotomie (Durchtrennung der Nabelschnur) wird das Kind aufgerichtet, d. h. so gehalten, als ob es stehe, um dadurch ein Vorzeichen (auspicium) für sein Geradestehen im künftigen Leben zu geben. Dieses Aufstellen (statuere) erfolgt in größtmöglicher zeitlicher Nähe zu Vitalitätsprüfung und Aufhebung (sublatio).

Heike Kunz, Levana. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 7: Lef – Men. Stuttgart ; Weimar, Metzler, 1999, Spalte 11 gibt an:

Levana, römische Göttin der indigitamenta, mit eindeutiger Lesart nur bei Augustinus, De civitate Dei 4, 11. Ihr Name steht dort in Verbindung mit dem Schutz und der Fürsorge für neugeborene Kinder, die sie von der Erde (terra) „aufhebt” (wohl mit perfektischer Bedeutung des Suffixes -na). Eine Ansiedlung der Levana unmittelbar nach der Geburt, d.h. ihre Deutung als göttliche Hebamme, die die Neugeborenen erstversorgt, wird auch durch Varro bei Nonius 848 Lindsay nahegelegt.


Albrecht  05.06.2013, 08:32

Thomas Köves-Zulauf, Römische Geburtsriten. München : Beck, 1990 (Zetemata : Monographien zur klassischen Altertumswissenschaft ; Heft 87), S. 8 – 15 und S. 78 – 85 (der Autor richtet sich mit plausiblen Argumenten gegen eine in älteren Darstellungen verbreitete Auffassung, Levana haben den Vater dabei unterstützt, das neugeborene Kind vom Erdboden aufzuheben und damit anzuerkennen)

S. 78: „Wir haben schon […] festgestellt, daß der Akt levare de terra, der in der Gestalt der Levana personifiziert wurde, in der Aufzählung Augustins (Varros) so in den Gesamtablauf der Hebammentätigkeit eingebettet ist, daß er als eine Handlung der Hebamme verstanden werden muß, nicht auf den Vater bezogen werden kann. Dieses Ergebnis wird durch eine sprachliche Untersuchung aller übrigen Stellen, an denen das Verb levare im Sinne von filios tollerre noch vorkommt, weiter erhärtet und entspricht keineswegs zufällig typischen Situationen des griechischen Mythos, an dünne das Aufheben des Neugeborenen aus den Armen der Mutter Erde folgerichtig immer durch eine weibliche Gestalt (Athene, Demeter) geschieht. […]: Die weibliche Gottheit verkörpert, in Rom wie in Griechenland, den Akt eines weiblichen Wesens, nicht den Vaters.“

S. 80: „Dieses dem Vater zuzuschreiben, Levana als mythische Hypostase des Vaters aufzufassen, war ein grundsätzlich falscher erster Schritt; er führte zu der falschen Auffassung, der Vater hätte in der Realität das Kind vom Boden aufgehoben.“

Burkhart Cardauns, M. Terentius Varro, Antiquitates rerum divinarum. Teil 2: Kommentar. Wiesbaden : Steiner, 1976 (Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse : Einzelveröffentlichung), S. 202

Gerhard Radke, Die Götter Altitaliens. Münster/Westalen : Aschendorff, 1965 (Fontes et commentationes ; Heft 3), S. 174

Hermann Steuding. Indigementa. In: Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Herausgegeben von Wilhelm Heinrich Roscher. Band 2, Abteilung 1: Iache - Kyzikos. Leipzig : Teubner, 1890-1894, Spalte 201 (Levana) gibt an:

Levana ist die Göttin die das Kind aufhebt (levare). Die Erklärung (Ludwig Preller, Römische Mythologie, Band 2. 3. Auflage. Von Henri Jordan. Berlin : Weidmann, 1883, S. 210) nach der bekannten Sitte, das neugeborene Kind auf die Erde zu legen, worauf dieser es aufhob und damit seine Pflege und Erziehung übernahm, aber auch alle Rechte der väterlichen Gewalt vorbehielt, sei aufgrund der Stellung der Göttin bei Tertullian, Ad nationes 2, 11 (wo er den überlieferten Namen einer Göttin Albana in Levana ändern will) wenig wahrscheinlich.

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Du kannst auf jeden Fall mal darauf hinweisen, dass bei den alten Griechen nicht nur Artemis sondern auch Hekate als Göttin der Geburt galt (eigentlich mehr als Beschützerin der Frauen, aber insbesoondere bei der Geburt ihrer Kinder).

Ansonsten: Wenn du mit Englisch keine Probleme hast, dann lies mal diesen Artikel von Thomas De Quincey:

http://www.bartleby.com/27/22.html

Hier habe ich noch etwas gefunden (ziemlich weit oben auf der Seite).

http://gutenberg.spiegel.de/buch/4907/85

Aber es gibt anscheinend nicht viel zu dieser Gottheit zu sagen.... ;-)

Es gibt ein Lexikon, das heißt "Pauly´s Realenzyklopädie der Altertumskunde". Da findest Du sie garantiert drinnen. Haben in der Regel größere Bibliotheken, die was auf sich halten.


augnil 
Beitragsersteller
 04.06.2013, 17:27

Danke :)) Ich werde es mir sofort morgen mal ausleihen und nachsehen, denn hier im Internet ist echt nur Schrott darüber zu finden..

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andreasolar  04.06.2013, 19:29
@augnil

Ich habe eben im "Kleinen Pauly" (München 1979, Bd. 3, S. 602) nachgesehen, da steht auch nicht mehr als in Wikipedia.

Quelle: Aug.civ. 4,11

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linguista  04.06.2013, 23:18
@andreasolar

Klar, aber darum ist "Pauly´s Realenzyklopädie" (auch RE) eben der "grosse" Pauly (= 1 Bücherwand von ca. 80 sehr dicken Bänden) und der "Kleine Pauly" nur der kleine (= 5 dünne Bde.), wenn auch auf neuerem Stand. Von der Grösse zwischen beiden und am neuesten ist "Der Neue Pauly", der hat aber zu diesem Stichwort auch nicht mehr als der "Kleine Pauly".

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