Rhetorische Stilmittel in diesem Auszug aus Nepos Hannibal-Biographie?
Salvete, liebe Lateinfreunde!
Für eine meiner Nachhilfsschülerinnen, die ich bei uns am Gym betreue, bräuchte ich mal fachkundige Hilfe:
In der Schulaufgabe, die sie nächste Woche schreiben wird, müssen Stilmittel aus einem bekannten Text gefunden, benannt und in ihrer Bedeutung genau erklärt werden. Leider bin ich mit diesen Stilmitteln nur begrifflich firm - ich kann die Namen zwar, aber inhaltlich bin ich da bei den Tiefen, in die sie da absteigen, ziemlich unsicher. In unserem Kurs (bin 12. Klasse) reicht es aus, einfache Stilmittel, also Anapher, Alliteration, Trikolon etc. zu finden und zu sagen, dass sie etwas betonen (unser Lateinlehrer sieht das etwas entspannter, solange unsere Interpretation ansonsten stimmig ist). Leider hat meine Nachhilfeschülerin eine andere Lateinlehrerin, die das etwas strenger sieht und von Neuntklässlern verlangt, Stilmittel wie Chiamus oder Syndekoche zu erkennen und in ihrer genauen Bedeutung im Kontext des Textes und des Stilmittels zu erklären.
Aus sieben Texten, die für den Fragenteil zur Verfügung stehen, habe ich einen deutlichen Favoriten, da er sehr gut Beispiele für vor einigen Wochen besprochenen Grammatikkapitel in sich vereint, ich hänge euch den Text an:
Hac pugna pugnata Romam profectus est nullo resistente. In propinquis urbi montibus moratus est. Cum aliquot ibi dies castra habuisset et Capuam reverteretur, Q. Fabius Maximus, dictator Romanus, in agro Falerno ei se obiecit. 2 Hic clausus locorum angustiis noctu sine ullo detrimento exercitus se expedivit; Fabioque, callidissimo imperatori, dedit verba. Namque obducta nocte sarmenta in cornibus iuvencorum deligata incendit eiusque generis multitudinem magnam dispalatam immisit. Quo repentino obiecto visu tantum terrorem iniecit exercitui Romanorum, ut egredi extra vallum nemo sit ausus. Longum est omnia enumerare proelia. Quare hoc unum satis erit dictum, ex quo intellegi possit, quantus ille fuerit: quamdiu in Italia fuit, nemo ei in acie restitit, nemo adversus eum post Cannensem pugnam in campo castra posuit.
(Quelle LatinLibrary, der Text ist auch im Neuntklassbuch etwas gekürzt)
Wenn also jemand von euch sich die Mühe machen könnte, mir da die Stilmittel zu nennen und gerne etas ,,tiefgründiger" erklären könnte, wäre ich euch recht verbunden - ich mag in Latein 15 Punkte haben, aber hier halte ich mich nicht für fachlich kompetent genug, Stilmittel genau zu erklären.
Vielen Dank und beste Grüße
PS: Bitte nicht denken, ich hätte absolut keine Ahnung von Stilmitteln - pugna pugnata ist eine Alliteration und sonst was, meinetwegen auch ein Polyptoton (auch wenn es nicht dasselbe Wort sein mag), aber ich halte mich hier echt für unzulänglich - vielleicht auch deshalb, weil ein nicht unerheblicher Teil an Schülern, die letztes Jahr Zweien und Dreien hatten, in dieser 9. Klasse nun akut versetzungsgefährdet ist, das kommt an unserer Schule in Latein ziemlich gehäuft vor.
1 Antwort
Figura etymologica (etymologische Figur)
- pugna pugnata: Verbindung von Wörtern verschiedener Wortarten aus demselben Wortstamm, nämlich des Substantivs pugna und des Partizips Perfekt Passivs pugnata vom Verb pugnare; das Kämpfen wird betont (auch durch p-Alliteration) und Kampf nachdrücklich als Thema eingeprägt.
Alliteration
- pugna pugnata: siehe Figura etymologica
- montibus moratus: Die Bedrohung durch den Aufenthalt auf Bergen nahe der Stadt Rom wird hervorgehoben.
- multitudinem magnam: Die große Menge der Rinder wird betont und das Hervorrufen von Furcht als Wirkung so naheliegend.
- tantum terrorem: Das große Ausmaß des Schreckens wird betont und damit die große Wirkung von Hannibals Trick.
- egredi extra: Ein Heraus, das gewissermaßen zweifach ausgedrückt ist, wird verneint. Es wird betont, daß niemand ein Herausgehen aus dem Schutz des Lagerwalls wagt.
- campo castra: Die entscheidende Aussage in diesem Teil des Satzes wird betont, nämlich das durch Hannibals große Erfolge in Italien bewirkte Unterlassen, ein römisches Lager auf offenem Feld gegenüber von Hannibal zu errichten.
Praeteritio (Übergehung)
- Longum est omnia enumerare proelia. („Es wäre zu lange dauernd/weitläufig, alle Kämpfe/Gefechte/Schlachten aufzuzählen.“): Es wird ausgedrückt, einen Sachverhalt übergehen zu wollen, wobei sein Vorhandensein aber eben durch diese Mitteilung erwähnt wird und er Bedeutung erhält. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, wird der Eindruck einer sehr langen Reihe von Erfolgen Hannibals erzeugt.
Anapher
- nemo ei in acie restitit, nemo adversus eum post Cannensem pugnam in campo castra posuit: Wiederholung des Wortes nemo am Anfang beider Teile des Hauptsatzes; Nachdruck bekommt, dass niemand ihm als Feldherr im offenen Kampf gewachsen war. Dies gilt in zweifacher Hinsicht: Keiner hielt stand, keiner traute sich, im offenen Feld ein Lager gegenüber von Hannibal zu errichten. Die Größe der militärischen Leistungen und Erfolge Hannibals und ihre einschüchternde Wirkung werden hervorgehoben.
Exemplum (Beispiel)
- hoc unum satis erit dictum, ex quo intellegi possit, quantus ille fuerit: Ein Beispiel verdeutlicht anschaulich Hannibals Größe als Feldherr.
Pointe
- nullo resistente: Durch diesen letzten Teil des Satzes bekommt die Aussage des Satzes einen wirkungsvoll zugespitzten Sinn. Hannibals Anmarsch auf Rom stößt auf keinen Widerstand.
Nicht direkt ein Stilmittel, aber eine Redewendung, die einer Metapher nahekommt, ist dedit verba (verba dare: leere Worte geben/bieten/darreichen = etwas vormachen, überlisten, täuschen). Hannibal übertrifft damit an Schlauheit den äußerst schlauen Feldherrn (Superlativ-Form callidissimo imperatori, als Elativ zu verstehen) Fabius, eine Steigerung nach ganz weit oben in einen Superlativ-Bereich.
Vielen lieben Dank! Die Anapher bei nemo und einige Alliterationen sind mir auch aufgefallen - aber erklären könnte ich sie niemals so gut! Die Übergehung ist mir so gar nicht aufgefallen, sehr interessant - und die Erklärung ist durchweg schlüssig.
Also nochmal vielen, vielen Dank und ganz liebe Grüße