René Descartes Meditationen - Die Einwände

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Die obiectiones (Einwände) und responsiones (Erwiderungen), ab der 2. Auflage kamen noch die obiectiones optimae (beste Einwände) des Jesuiten Bourdin hinzu, sind ausführlich. Der Text der 6 Mediationes selbst beträgt nur etwa ein Sechstel des Gesamtumfangs. Am nützlichsten erscheint es mir, ein einer Bibliothek eine die Einwände und Erwiderungen enthaltende Ausgabe in oder mit deutscher Übersetzung auszuleihen.

ein ziemlich neues Buch, das dafür in Frage kommt:
René Descartes, Meditationen : mit sämtlichen Einwänden und Erwiderungen. Übersetzt und herausgegeben von Christian Wohlers. Hamburg : Meiner, 2009 (Philosophische Bibliothek ; Band 598). ISBN 978-3-7873-1888-9

Diese Ausgabe enthält eine analytische Synopsis (in Form einer gegliederten Übersicht), der auf die Einwände und Erwiderungen bezogene Teil davon steht S. 547 – 568.

Die Autoren der Einwände nennen z. B.:

Geneviéve Rodis-Lewis, René Descartes. In: Frankreich und Niederlande (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie des 17. Jahrhunderts – Band 2/1). Herausgeben von Jean-Pierre Schobinger. Basel : Schwabe, 1993, S. 299

P.[etra] Braitling/U.[lrich Nolte, René Descartes. In: Großes Werklexikon der Philosophie. Herausgegeben von Franco Volpi. Stuttgart : Kröner, 1999. Band 1: A – K, S. 379 (zu Meditationes de prima philosophia, in qua Deo existentia et animae immortalitas demonstrantur):
„Den Meditationes folgen mit mehrfachem Umfang sieben Einwände (von J. Caterus, M. Mersenne, Hobbes, Arnauld, Gassendi, einer Gruppe von Theologen und Mathematikern sowie Bourdin) mitsamt den Erwiderungen D.’“

Eine grobe Zusammenfassung kann nur auswählen, wobei dann immer noch eine Vielfalt an Argumenten bleibt.

Wolfgang Röd, Von Francis Bacon bis Spinoza. 2., verbesserte und ergäntete Auflage. München : Beck, 1993 (Geschichte der Philosophie / herausgegeben von Wolfgang Röd ; 7 : Die Philosophie der Neuzeit ; 1), S. 87 – 110 (Reaktionen auf die Cartesianische Herausforderung) enthält einige Angaben zu Einwänden.

1) Johan de Kater (1590 – 1655), latinisiert Johannes Caterus, niederländischer Theologe (Priester in Alkmaar), stellt oft eher Nachfragen als Einwände zu formulieren

Er weist hinsichtlich der Aussage, Geist und Körper seien getrennte Substanzen weil sie getrennt voneinander begriffen werden können, auf eine formale und objektive Unterscheidung (wie bei Duns Scotus) hin, mit der etwas begrifflich tatsächlich Verschiedenes vom Verstand unterschieden werden kann, wobei diese Unterscheidung zwar objektiv gültig ist (Grundlage in der Sache), zugleich aber keinen realen Unterschied zweier getrennter Substanzen ausdrückt.

Aus den Ausführungen folge nur, daß Gott nicht außer als existierend gedacht werden kann, dies sei aber nur ein Dasein in der Auffassung des Verstandes, nicht außerhalb einer solchen Auffassung in der Natur der Dinge selbst.

Zur Auseinandersetzung über den Gottesbeweis:
Konrad Cramer, Descartes antwortet Caterus : Gedanken zu Descartes’ Neubegründung des ontologischen Gottesbeweises. In: Descartes nachgedacht. Herausgegeben von Andreas Kemmerling und Hans-Peter Schütt. Frankfurt am Main : Klostermann, 1996; s. 123 – 169

2) zusammengestellt von Marin Mersenne (1588 – 1648) und wohl auch von ihm (zumindest zum größenTeil) verfaßt

Ein Einwand betrifft die Auffassung, die Idee Gottes könne eine Übersteigerung anderer Ideen sein.

Wenn die Gewißheit einer Erkenntnis von der Existenz Gottes abhänge, sei die Selbsterkenntnis des Ich als denkendes Ding eine ungewisse Erkenntnis, weil sie vor der Erkenntnis Gottes liegt; auch Atheisten erkennen Dinge klar und deutlich.

Es wird die Bindung der Willensbestimmung an vorherige klare und deutliche Erkenntnisse kritisiert.

3) Thomas Hobbes (1588 – 1679): Ein Einwand richtet sich gegen die Gleichsetzung vom Ideen mit „Bildern“ (images). Hobbes bestreitet eine Deutlichkeit eine Idee von Geist (er verstand unter „Idee“ ausschließlich die anschauliche Vorstellung).

Eine Wesenheit ohne Existenz sei eine Fiktion.

4) Antoine Arnauld, (1612 – 1694), Professor an der Sorbonne, Jansenist, schreibt vom Standpunkt des Standpunkt des Augustinus, cartesianische Gewißheitsregel auf Wissensobjekte eingrenzend

Er bestreitet nachdrücklich, etwas könne Ursache seiner selbst sein (gegen die Gott beigelegte Bestimmung der Perseität [Durch-sich-selbst-Sein]). Arnauld erhebt den Einwand einer zirkulären Argumentation. Das Prinzip der objektiven Gültigkeit des klar und deutlich Erkannten setzt die Existenz Gottes voraus, deren Beweis seinerseits auf jenen Prinzipien beruht.


Albrecht  08.07.2011, 21:36

5) Pierre Gassendi (1592 – 1655), beruft sich methodologisch auf sensualistische, empiristische, materialistische und nominalistische bzw. konzeptualistische (die Einordnung seines Standpunktes ist nicht einheitlich) Positionen

Ein Einwand ist, die in den Mediationes vertretene Metaphysik sei nicht in der Lage, mit freidenkerischen und materialistischen Thesen und Argumentationen fertig zu werden. Der methodische Zweifel sei nur scheinhaft, ein Kunstgriff der einem neuen Dogmatismus die Tore öffne. Ein anderer argumentiert gegen die Objektivität der Idee Gottes. Der Begriff der Substanz als fiktives Gedankending (ens rationis) könne sich auf keinerlei Evidenz stützen, insbesondere könne die Seele nicht vermittels des „cogito“ als immaterielle einfache Substanz erkannt werden, durch das reine Denken könne man nicht zu einem Wesen (essentia) der Dinge gelangen. Gassendi verwirft eine intuitionistische Auffassung der Erkenntnis als reines Verstehen. Die Klarheit und Deutlichkeit einer einem Urteil zugrundeliegenden Idee verbürge nicht deren objektive Gültigkeit und die Erkenntnis, die wir von dem Subjekt des Denkens haben können, sei alles andere als klar und distinkt.

Die Beweise für das Dasein Gottes und die Unsterblichkeit der Seele seien einerseits verfänglich (weil sie letztlich auf schwankender und unsicherer Grundlage beruhten), andererseits unnötig (weil der Glaube schon die Wahrheit garantiere und es daher keines Vernunftbeweises bedürfe). Eine unendliche Realität sein prinzipiell unerkennbar, da wir immer nur Endliches denken können. Die Verbindung/Vermischung von Geist und Körper sei unerklärbar, die Verbindung eines unausgedehnten Geistes mit dem Körper können nur an einem mathematischen Punkt bestehen, der aber nichts Reales sei, so daß die Annahme einer psychophysischen Wechselwirkung hinfällig sei.

Olivier Bloch, Pierre Gassendi. In: Frankreich und Niederlande (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie des 17. Jahrhunderts – Band 2/1). Herausgeben von Jean-Pierre Schobinger. Basel : Schwabe, 1993, S. 211

Franco Volpi, Pierre Gassendi. In: Großes Werklexikon der Philosophie. Herausgegeben von Franco Volpi. Stuttgart : Kröner, 1999. Band 1: A – K, S. 546 (zu Disquisitio metaphysica seu dubitationes et instantiae adversus Renati Cartesii Metaphysicam et responsa [Metaphysische Erörterung oder Zweifel und Erwiderungen gegen René Descartes’Metaphysik und neue Antworten], Amsterdam 1644)

6) verschiedene Theologen, Philosophen und Geometriker, Einwände zusammengestellt von Marin Mersenne

Ein Bedenken gegen die Sicherheit des „ich denke“ ist, noch nicht zu wissen, was Denken oder Gedanke und die eigene Existenz sind

7) Pierre Bourdin (1595 – 1653) , Professor für Mathematik am Collège de Clermont der Jesuiten in Paris

Unter anderem behauptet er, der methodische Zweifel sei eine freiwillige Ablehung all dessen, was zur Auffindung der Wahrheit notwendig sei.

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Mandava 
Beitragsersteller
 08.07.2011, 22:04
@Albrecht

Wie immer eine sehr ausführliche Antwort :) Vielen Dank.

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Meine Reclam-Ausgabe hat "René Descartes an die Doktoren der Theologischen Fakultät von Paris" und als Anhang "Briefe und Auszüge aus Briefen Descartes', die Meditationen betreffend".

Es geht dabei um Antworten auf Einwände der Theologen. Ich finde sie nicht so interessant und habe sie auch nicht so im Kopf.

Wenn du sie für die Schule liest, dann hat euer Lehrer doch bestimmt gesagt, welche Ausgabe ihr nehmen sollt. Hol dir doch einfach die Ausgabe.


Mandava 
Beitragsersteller
 02.07.2011, 15:33

Danke für die Antwort :)

Ich lese sie fürs Studium und es gab keine Vorgabe. Außerdem möchte ich wie gesagt nicht noch eine kaufen.

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