Relevanz der Arbeiterschicht/ bzw. -klasse?

1 Antwort

Natürlich gibt es die Arbeiterklasse noch.

Ihre Bedeutung ist sogar stetig gewachsen statt gesunken. Selbst im England der Industrialisierung, wo Marx seine Analyse des Kapitalismus entwickelt hat, stellten Arbeiter noch eine Minderheit der Bevölkerung, der größere Teil der Menschen lebte noch als Bauern oder kleinbürgerliche Handwerker. Heute gehören in den Industrienationen etwa 90% der Menschen der Arbeiterklasse an, das Bauerntum ist fast verschwunden und es gibt nur eine dünne und unstete Schicht des Kleinbürgertums.

Wer ist denn jetzt Arbeiter? Alle diejenigen, die kein Kapital und keine Produktionsmittel besitzen und deshalb zum Überleben auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind - mit anderen Worten: Lohnabhängige. Auch diejenigen, die vom Lohn ihres Partners oder von Lohnersatz wie Rente oder Arbeitslosengeld leben, sind Arbeiter. Der Gegenpol zu den Arbeitern sind Kapitalisten, also diejenigen, die genug Kapital und Produktionsmittel besitzen, um von fremder Arbeit zu leben. Und eine Zwischenstellung nimmt das Kleinbürgertum ein, also diejenigen, die etwas Kapital besitzen, aber nicht genug, um sich vollständig von der Arbeit zu befreien, z.B. Selbstständige und Kleinunternehmer.

Wenn sie das Wort Arbeiter hören, denken manche Leute an rußbedeckte, oberkörperfreie Männer, die in Fabrikhallen den Hammer schwingen, und weil man so etwas heute nicht mehr sieht, behaupten sie dann, die Arbeiterklasse würde nicht mehr existieren. Das ist aber nur ein Klischee, denn die Arbeiterklasse war schon immer vielfältig aufgestellt, ihr gehörten schon immer Menschen jedes Geschlechts und verschiedener Herkunft an, und die konkrete Arbeit war schon immer sehr unterschiedlich - Schwerindustrie, Leichtindustrie, Dienstleistung, Kopfarbeit etc.

In den letzten paar Jahrzehnten hat sich natürlich die Bedeutung einzelner Sektoren verschoben. Weniger Leute arbeiten in der Industrie, mehr im Dienstleistung- und Finanzbereich, und während ein Studium vor 100 Jahren noch weitgehend ein bürgerliches Privileg war, sind heute die Mehrheit der Akademiker als Arbeiter tätig. Trotzdem sind alle diese Leute weiterhin Arbeiter und machen die gleiche Erfahrung der Lohnabhängigkeit.

Warum ist das jetzt überhaupt wichtig? Weil unsere gesamte moderne, kapitalistische Wirtschaftsweise auf der Ausbeutung von Arbeitern beruht. Der Gegensatz zwischen Arbeitern und Kapitalisten durchzieht jeden gesellschaftlichen Konflikt, und nur wer sich dessen bewusst ist und sein Klasseninteresse kennt, lässt sich nicht von rassistischer Demagogie gegen die Arbeiter anderer Herkunft, Religion und Hautfarbe aufhetzen und erkennt, dass all die bürgerlichen Parteien von den Grünen bis zur AfD, die vom Allgemeinwohl und den nationalen Interessen reden, nur das Wohl der Reichen und Kapitalisten im Sinn haben. Die Arbeiter sind es, die jeden Teil dieser Gesellschaft am Laufen halten, und nur sie können sie umstürzen und eine bessere Welt erschaffen, wenn sie sich dieser Macht bewusst werden.


Nobodyrotz  08.03.2025, 09:57

Handwerker gehören aber heute schon zur Mittelschicht.

Simonius12345  21.03.2025, 12:54
@Nobodyrotz

Kleinbürgertum würde ich sagen, wobei einige Marxist*innen sie zur Arbeiterklasse zählen