Rawls Grundsätze der Gerechtigkeit

2 Antworten

Ich würde mal zurückfragen, ob dem, der Euch Grundsätze lernen läßt, bekannt ist, worum es überhaupt geht beim Herstellen von Gerechtigkeit ...

Gerechtigkeit ist der zufriedenstellenstellende Ausgleich partizipierender Interessen. Es geht nur um positive Wahrnehmungen. Die können nur über negative wahrgenommen werden, weil nur Unterschiede Wahrnehmungen ermöglichen ... Gerechtigkeit ist nur wichtig zwischen Partnern, die sich gemeinsam um was bemühen und das erwarten, was sie für angemessen halten. Angemessenheit läßt sich nur über Verständigung und Konsens finden.

Die Crux der zu selten erreichten Gerechtigkeit liegt in der Interpretation von dem, was sich tatsächlich ereignet bei gemeinsamen Aktivitäten. Nur ein wahrheitsgemäßes Geben und Nehmen kann zufrieden machen und Erwartungen so realistisch, daß wir geeignete Partner finden.

Nachdem kaum jemand Gerechtigkeit so erklären kann, daß sie erreichbar wird, müssen wir uns nicht wundern über so viel Unrecht.

Siehe Wikipedia (Zitate kursiv):

"1.„Jede Person hat den gleichen unabdingbaren Anspruch auf ein völlig adäquates System gleicher Grundfreiheiten, das mit demselben System von Freiheiten für alle vereinbar ist.“

Das ist sehr abstrakt und schön gesagt. Demnach geht es nicht um einzelne Freiheiten, sondern einzelne Freiheiten beeinflussen und beeinträchtigen sich ja gegenseitig. Um das zu vermeiden, fordert Rawls also, dass ein System miteinander verbundener und verträglich austaxierter Grundfreiheiten nur dann gelten soll, wenn es auch noch austaxiert ist mit gleichartigen Systemen anderer. Das hört sich abstrakt toll an, doch der Teufel steckt im Detaill, wenn es darum geht, das konkret zu bestimmen.

2.„Soziale und ökonomische Ungleichheiten müssen zwei Bedingungen erfüllen: erstens müssen sie mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die unter Bedingungen fairer Chancengleichheit allen offenstehen; und zweitens müssen sie den am wenigsten begünstigten Angehörigen der Gesellschaft den größten Vorteil bringen (Differenzprinzip).“

Das ist genauso abstrakt. Wie werden die am wenigsten Begünstigten festgestellt? Wenn man danach fragt, schreien alle hier. Selbst wenn rein theoretisch "Ämter und Positionen allen gleichermaßen fair offenstehen sollen", irgendjemand wählt doch aus, und man zeige mir den, dem der unwissende (und weniger störende) Parteifreund nicht näher ist als der kritisch-kompetente Unabhängige. Wie oft werden öffentliche Stellen "pro forma" öffentlich ausgeschrieben, obwohl die Besetzung durch einen Vorbegünstigten schon feststeht. Zudem stellt sich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, immer sauber abzuwägen, was den größten Vorteil für wenig Begünstigte bringt. Im Zweifel ist eine schnelle Entscheidung für alle besser als eine langsame, ausgewogene, aber zu späte.

"Der erste Grundsatz hat Vorrang vor dem zweiten. Dasselbe gilt für die beiden Unterpunkte im zweiten Grundsatz: Es ist nicht erlaubt, die Chancengleichheit zu beschneiden, um dem Differenzprinzip (größten Vorteil für am wenigsten Begünstigte) mehr Geltung zu verschaffen."

Das ist eine wunderbare abstrakte Verschachtelung und das Hauptaugenmerk von Rawls Theorie scheint darauf zu liegen, dass sie abstrakt "lupenrein" ist. Praktikabilität steht nicht im Vordergrund. Diese abstrakten Verschachtelungen erfordern soviel Zeit des Gewichtens und Abwägens, dass es in den meisten Fällen wahrscheinlich zu gar keiner Entscheidung kommt.


Traktor  27.11.2011, 21:03

Behält man das allem übergeordnete Gerechtigkeitsprinzip der Evolution im Auge mit der genial einfachen "Formel" LEBEN UND LEBEN LASSEN, werden auch die kompliziertesten juristisch-vielosophischen Verschwurbelungen bedeutungslos und taugen nicht mehr, um Ohnmächtige damit über den Tisch zu ziehen.