Ist John Rawls Theorie der Gerechtigkeit sinnvoll?

3 Antworten

Ja, ist sie (ist natürlich die Meinung eines Rawlsianers).

Vieles was an Kritik so herumschwirrt hat Rawls offensichtlich nicht wirklich gelesen, da dort gerne Behauptungen aufgestellt werden, auf die er bereits eingegangen ist oder Dinge beinhalten die so gar nicht in "A Theory of Justice" stehen.

Der Vorwurf der "Realitätsferne" ist dabei ziemliche Humbug, da eine Gerechtigkeitstheorie die Realität eben kritisieren und nicht reproduzieren soll - ansonsten wäre sie selbst genauso überflüssig wie der ganze Kommunitaristenunsinn der im Grunde nur ein durchschaubarer versuch ist die Ungerechtigkeit des Establishments einer Gesellschafft gegenüber Minderheiten, Außenseitern und Abweichlern zu relativieren und zu legitimieren...

Natürlich hat sie die gleichen Probleme wie alle Vertragstheorien, als dass sie in sofern etwas hochschwelliger ist, dass sie Vertragsfähigkeit (Rawls nennt es einen "Gerechtigkeitssinn"), was gerade Tierrechtlern sauer aufstößt, als auch immer das klassische Gefangenendilemma, welches einer der Gründe sein dürfte, warum Vertragstheorien trots ihres streng rationalen Aufbaus einer hoheitlichen Durchsetzung bedürfen.

Und last but not least ist es natürlich ein individualistisch Konstruktivistischer Ansatz und geht damit natürlich von anderen Prämissen aus als es Kollektivisten, Kommunitaristen, Essentialisten usw. tun (allerdings würde ich deren Ansätze auch nicht unter individueller Gerechtigkeit laufen lassen, sondern als das genaue Gegenteil bezeichnen: Nämlich als Versuch Ungerechtigkeit gegen Individuen mit Nation, Religion, Kultur, Tradition u.ä. zu legitimieren).

Ps.: Zur den Proargumenten:

  1. Sie ist streng logisch aufgebaut und würde auch in einer Welt ohne Soziale Bindungen und Gefühle Funktionieren (wird deshalb z.B. auch als Grundlage für KI-Ethik erwägt -> siehe Rawlsnet)
  2. Stellt keine Altruistischen Anforderungen wie Selbstlosigkeit, Liebe usw. an die Teilnehmer, außer Neidfreiheit und gegenseitiges Desinteresse (alle beteiligten sollen unter dem Schleier des Nichtwissens versuchen ihren eigenen Vorteil zu maximieren - da sie allerdings keine Informationen über ihre eigenen Präferenzen und Position in der Gesellschafft oder deren Wahrscheinlichkeit haben, müssen sie dennoch alle Möglichkeiten aus Puren Eigeninteresse berücksichtigen, da sie genauso gut streng Gläubiger Konservativer wie queerer Atheist sein könnten)
  3. Ist im Grunde jeden mit durchschnittlicher Intelligenz und Bildung nachvollzieh- und Anwendbar
  4. Kommt ohne Essentialistische Voraussetzungen aus (Kulturelle, Religiöse u.ä. Aspekte werden ausgeklammert und sind keine Voraussetzung - würde auch in einer Welt funktionieren wo all das zerstört ist, woran sich Konservative lieben - schließt es dabei nicht generell aus, macht es aber überflüssig/austauschbar)
  5. Ist Streng Individualistisch und Diskriminiert bzw. benachteiligt niemanden im Namen des Gemeinwohls oder Gruppeninteresse
  6. Ist dennoch in den meisten Gesellschaften unmittelbar anwendbar, setzt also keine neue Gesellschafft voraus sondern greift lediglich die Priviligien-Verteilung und Diskriminierenden Wertesysteme in dieser an, nicht aber die Infrastruktur ansich
  7. Lässt auch Problematische Ansichten zu und negiert lediglich deren Autoritätsanspruch (so dieser darauf hinausläuft die legitimen anliegen Anderer stärker zu beschneiden, als die eigenen dadurch selbst beschnitten werden <- was ja aber meist das wesen solcher Ansichten ist)

Ich kenne diese Theorie nicht so gut, meine aber, dass das nur eine Theorie sein kann, die keine reale Grundlage hat. Sie berücksichtigt nicht das Vorhandensein der politischen Ökonomie, die ja schon die Ungleichheit mit sich bringt und die Verwirklichung einer solchen Theorie als praktische Alternative gar nicht zulässt.