Mit welchen Schäden ist zu rechnen?
Fallbeispiel: Eine Person hat einen Herzstillstand und wird erst 10-15 Min. später reanimiert. Die Reanimation ist erfolgreich. Das Herz schlägt wieder.
Mit welchen Schäden ist zu rechnen?
Kann die Person wach werden und normal weiterleben?
7 Antworten
Bei normalen Temperaturen ist bereits drei bis fünf Minuten nach Herzstillstand mit unumkehrbaren Schäden am Gehirn zu rechnen. Diese können aber natürlich ganz unterschiedlich ausgeprägt sein. Es kann sich um reine Gedächtnislücken handeln, Koordinationsstörungen oder Lähmungen, aber auch um ein Wachkoma.
Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel. Es gibt Menschen, die nach Unterkühlung eine lange Zeit ohne Wiederbelebung gelegen haben und trotzdem keine bleibenden Schäden davon getragen haben. Hierbei ist zu beachten, dass eine erhebliche Unterkühlung für eine Verlangsamung diverser chemische Prozesse in den Zellen sorgt, die sonst Sauerstoff verbrauchen. Entsprechend reichen die wenigen Reserven in den jeweiligen Geweben deutlich länger. Für Unterkühlte gilt daher die Regel "no one is dead until warm and dead".
Des Weiteren weiß man ja nie so genau, wann denn bei einem Patienten, der umfällt und bewusstlos ist der Kreislauf auch wirklich zum Stillstand gekommen ist. Es ist denkbar, dass ein geringer Kreislauf sehr wohl noch vorhanden war, der zumindestens für eine grundlegende Sauerstoffversorgung gut war, wenngleich er nicht gereicht hat, um den Patienten bei Bewusstsein zu halten. Zumindestens wäre es also denkbar, dass ein Mensch umfällt, der Kreislauf aber erst nach sechs oder sieben Minuten endgültig stehen bleibt. Dann noch drei bis fünf Minuten drauf bis zum Hirnschaden und wir haben einen Zeitraum von 9 bis 12 Minuten nach dem Umfallen, die der Patient ohne Schäden überleben kann. Wichtig ist hier also, den Zeitpunkt des Herzstillstandes selbst zu kennen-und den kennt man eigentlich nie, wenn man auf einen Patienten zukommt, der da liegt.
In der Regel ist es jedoch denn noch so, dass nach einer so langen Zeit ohne Wiederbelebung nach Herzstillstand schwere allgemeine Hirnschäden zu erwarten sind. Des Weiteren sammelt sich in der Zeit, die keine Wiederbelebung erfolgt, eine erhebliche Menge an Abfallstoffen der Zellatmung im Körper an, CO2, Lautstärke und so weiter. Diese sorgen für eine Übersäuerung des Blutes sowie einen Schockzustand, der die Organe schädigt. Ist die Wiederbelebung erfolgreich und das Herz schlägt wieder, wird der Patient mit schweren Einschränkungen der Hirnfunktion zu kämpfen haben, in der Regel mit Nieren-oder Lungenversagen und oft einer entzündlichen Reaktion des Körpers, einem sogenannten SIRS. Jede dieser Komplikationen für sich ist lebensbedrohlich. Werden sie alle überlebt, bleibt die Frage, wie das neurologische Outcome sein wird-also die Fähigkeit des Menschen, wieder mit anderen Mensxhen zu kommunizieren und an einem normalen Leben teilzuhaben. Meiner Erfahrung nach ist diese Chance sehr gering. 10 bis 15 Minuten nach einem Herzstillstand ohne Wiederbelebung produziert in 90% der Fälle lediglich eine leere Hülle von Körper, in der noch ein Herz schlägt, jedoch kein menschliches Bewusstsein mehr vorhanden ist. Da aber Ausnahme die Regel bestätigen, versuchen wir es immer wieder...
Aus meiner Sicht besteht eine große Chance auf einen bleibenden Hirnschaden, bedingt durch die lange Sauerstoffunterversorgung, der sogenannte hypoxische Hirnschaden:
https://www.asklepios.com/seesen/experten/fruehreha/hypoxie/
Die Schäden sind um so größer, je wärmer der Patient ist. Bei Unterkühlung wird eine Hypoxie deutlich besser toleriert, als bei normaler Körpertemperatur:
Aus diesem Grunde werden Patienten nach einer Reanimation auch teilweise gekühlt.
Die ersten 24h nach ROSC (Wiedererlangen eines Spontankreislaufes) sind auch aus kardiologischer Sicht relativ kritisch, der Patient ist meistens hochgradig instabil, zu erneuten Herz-Kreislauf-Stillständen verschiedenster Genese kann es jederzeit kommen.
Alles das ist wie immer in medizinischen Fragen "alles kann, nichts muss". Es wird mit Sicherheit Patienten geben, die das überleben, aber die Chance dass sie danach am Leben in der Gesellschaft teilhaben können, also kommunizieren, interagieren, sich bewegen, wage ich als sehr gering einzuschätzen.
Das hängt aus meiner Sicht eindeutig mit der Unterkühlung zusammen. Durch Kälte toleriert das Hirn den Sauerstoffmangel deutlich besser. Meinen ursprünglichen Beitrag hatte ich um diesem Faktor noch ergänzt.
Eine Frage noch: Wieso toleriert das Gehirn den Sauerstoffmangel mit Hypothermie besser?
Vielen Dank :) !!!
Ich habe dir hier einen interessanten Artikel zu Hypothermie, therapeutisch und akzidentell. Obwohl eher für Fachleute, wirst du sicher etwas davon verstehen. Sonst google nach einzelnen Wörtern:
"Erwünschter Effekt bei der Unterkühlung ist die Senkung des Stoffwechsels, beim Gehirn eine hirnschützende Wirkung nach Kreislaufstillstand und anderen Formen der zerebralen Hypoxie."
so hätte ich die Frage auch beantwortet, danke für die Ergänzung.
Kein Ding! Der Antwort von Sharj kann ich mich nur anschließen. Kurz gesagt: der Sauerstoffbedarf steigt mit der Temperatur.
In ihrer Situation gilt folgender Satz:
"Nobody is dead until he is warm and dead!"
"Niemand ist tot, bevor er warm und tot ist"
Bei tiefen Körpertemperaturen, unter 24°, sind diese Menschen wie scheintod.
- Bewusstlosigkeit
- starre Pupillen
- kein Puls tastbar
- keine Atmung erkennbar
- kaum messbarer Blutdruck
Aus diesem Grund reanimiert man unterkühlte Menschen bis sie mindestens eine Körpertemperatur von über 32° haben. Dies kann über Stunden gehen. Manche haben das Glück einen solchen Vorfall ohne grossen Schaden zu überleben, wie in deinem Artikel.
Kommt auf die Umstände und das Alter des Patienten an. Ich habe mal gehört, das ein Kind, das in einen zugefrorenen See gefallen ist, nach 30 Minuten erfolgreich reanimiert wurde.
Bei älteren Menschen unter "normalen" Umständen ist womöglich mit einem Hirnschaden wegen Sauerstoffmangels zu erwarten.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Anna_B%C3%A5genholm
Sie hatte einen Atemstillstand... Deutlich mehr als 15 Minuten und sie lebt ohne Schäden.
Unter Normalbedingungen führen 10 Minuten ohne Sauerstoffversorgung fast schon garantiert zu bleibenden Hirnschäden. Hirnzellen sind diesbezüglich deutlich empfindlicher und sterben deutlich schneller ab, als Herzmuskelzellen.
Das Herz kann übrigens auch noch bestens funktionieren, wenn vom Hirn nur noch Grütze übrig ist.
Der Fall, den du in deinen Kommentaren verlinkst, hat absolut nichts mit Normalbedingungen zu tun. Sondern die Dame wurde extrem unterkühlt, und das macht einen wirklich entscheidenden Unterschied!
Begründung: Bei Kälte laufen chemische Prozesse langsamer. Als Faustregel bedeuten 10 Grad Abkühlung eine Verlangsamung um mindestens 50% (manche Prozesse sogar 90% langsamer). Und alles, was im Körper abläuft, läuft auf der Grundlage Chemischer Prozesse! Wenn also der Körper im Rahmen des Vorfalls stark abgekühlt wird, wird erstmal der verbleibende Sauerstoff in Blut und Lunge viel langsamer verbraucht, d.h. der Vorrat reicht viel länger. Und wenn der Sauerstoffvorrat aufgebraucht ist, verlaufen auch Zersetzungsprozesse viel langsamer, d.h. es vergeht eine längere Zeit bis zum Zelltod. Dadurch ist es möglich, dass Menschen eine Zeit ohne Sauerstoffzufuhr ohne bleibende Schäden überleben, die unter normalen Umständen (insbesondere bei normaler Körpertemperatur) absolut nicht zu überleben wäre.
10 bis 15 Minuten Unterversorgung des Gehirns... Sehr unwahrscheinlich, dass da noch viel funktioniert.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Anna_B%C3%A5genholm
Sie war länger als 15 Minuten tot und hat ohne bleibende Schäden überlebt
Was sagst du zu diesem Fall?
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Anna_B%C3%A5genholm
Sie lebt ohne Schäden - trotz Atemstillstand.