Michelson-Morley-Experiment - Wie verstand man den Äther?

4 Antworten

der äther wie man ihn im 19. jhd verstand, als trägermedium der elektromagnetischen wellen, wäre im experiment detektierbar gewesen.

wenn du den begriff jetzt so umdefinierst dass er per definition keinen einfluss hat und exakt die selben vorhersagen liefert wie die relativitätstheorie (die keinen unbeobachtbaren äther benötigt), dann bleibt halt die frage: wozu? Occam's razor lässt grüßen.

deshalb brauchen wir auch seit fast 120 jahren die Lorentzsche äthertheorie nicht mehr.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Physiker (Teilchenphysik)

Hallo Richard30,

die Idee des Äther kommt von der Analogie mit Schall. Schallwellen breiten sich durch sehr unterschiedliche Medien aus, und zwar unterschiedlich schnell und durch fluide (=flüssige und gasförmige) Medien nur als Längswellen. Nur in Festkörpern breiten sie sich – auch – als Querwellen aus.

Im 19. Jahrhundert gab es Überlegungen, ob der Äther von bewegten Körpern ganz oder teilweise mitgeführt werde oder ob er absolut (d.h., in sich selbst und relativ zum Kosmos als solchem) ruhe. Es gab auch Experimente wie das von FIZEAU, um die Frage zu klären. Spätestens SAGNAC konnte 1913 (das ist ganze 8 Jahre nach EINSTEINs Arbeit Elektrodynamik bewegter Körper) einen in irgendeinem Sinne mitgeführten Äther ausschließen.

Allerdings haben schon FARADAY und MAXWELL Licht als elektromagnetische Wellen identifiziert (oder hatten zumindest den Verdacht), und die sind Querwellen. Der Äther müsste also eher einem Festkörper ähneln, aber doch anders sein, da Festkörper eben auch Längswellen leitet und der Äther dies anscheinend nicht tut.

Bewegung, nicht die Anwesenheit elektromagnetischer Wellen
...wenn EM Wellen durch diesen Äther transportiert werden, ... was heisten würde, die Längen und alles wären da verzerrt. Ich meine, die Rel.- Theorie sagt das ja aus...

Die Spezielle Relativitätstheorie (SRT) sagt nicht aus, dass elektromagnetische Wellen eine Längenverzerrung verursachen, sondern die Bewegung eines Körpers relativ zu einem anderen, der ein Bezugskörper heißt und den wir hier B nennen.

Ein zweiter Körper B', der sich mit konstanter 1D-Geschwindigkeit v (z.B. v = 0,6*), das ist ein besonders dankbares Zahlenbeispiel) in x-Richtung eines von B aus definierten Koordinatensystems Σ bewegt, ist – in Σ betrachtet – in x-Richtung um den Faktor

(1) √{1 − v²} =: 1⁄γ (hier 1,25)

kürzer als in einem von B' selbst aus definierten Koordinatensystem Σ', in dem natürlich B' ruht und sich B mit −v (gleiches Tempo, entgegengesetzte Richtung) bewegt.

Wohl bemerkt: Das heißt keineswegs, dass B' von B aus entsprechend verkürzt und zugleich B von B' aus um den Faktor γ verlängert aussieht. Vielmehr sähe, solange B und B' fast direkt aufeinander zukommen, jeder Körper vom anderen aus um den Faktor

(2) √{(1 + v)/(1 − v)} =: K (hier 2)

verlängert aus, wenn er transparent wäre. Er sähe auch um diesen Faktor weiter entfernt aus. Unten gehe ich weiter darauf ein.

LORENTZ' Äthertheorie
...aber woher weis man, dass es nicht eine art Äther ist den man nur damals falsch verstanden hatte...

LORENTZ glaubte das. Er glaubte, dass der Äther selbst relativ zu ihm bewegte Maßstäbe kontrahiere und relativ zu sich bewegte Uhren verlangsame, dass man durch rein physikalische Methoden seine eigene Bewegung relativ zu ihm nicht nachweisen kann. Er baute seine Äthertheorie (LÄT oder LET) immer weiter aus, sodass sie in ihren Vorhersagen schließlich der SRT gleicht.

Die allerdings kommt ohne den ohnehin nicht nachweisbaren Äther aus und ist nach einer These namens OCKHAMS Rasiermesser deshalb vorzuziehen.

Virtuelle Teilchen
...ich weiss nicht wie viel man damals was von virtuellen Teilchen wusste...

Gar nichts. Die Relativitätstheorie ist noch eine klassische Theorie; selbst die Quantenmechanik steckte noch in den Kinderschuhen, und die Quantenfeldtheorie war erst recht Zukunftsmusik.

Äther vs. Raumzeit
Und ist das Verständnis der Raumzeit von Einstein dann am Ende nicht etwas Vergleichbares, halt nur genauer definiert?

Die Unterschiede überwiegen. Der klassische Äther ist eine Art Supersubstanz, man könnte ihn natürlich mit dem Raum selbst gleichsetzen, 3D.

Die Raumzeit hingegen ist eine (1+3)D-Struktur, die sich in Zeit (1D) und Raum (3D) zerlegen lässt, und zwar durch verschiedene Koordinatensysteme in unterschiedlicher Weise. So sind Σ und Σ' raumzeitliche Koordinatensysteme, mit den Weltlinien (WLn) von B und B' als Zeitachsen.

Die SRT...

... beruht praktisch ausschließlich auf GALILEIs (!) Relativitätsprinzip, das besagt, dass Σ und Σ' physikalisch gleichwertig sind, d.h. die grundlegenden Beziehungen zwischen physikalischen Größen (nichts anderes sind Naturgesetze) unabhängig davon sind, ob man die Größen selbst in Σ oder Σ' ausdrückt, also ob man Σ oder Σ' als Bezugssystem auswählt.

Das bedeutet aber, dass es den Raum schlechthin gar nicht gibt, denn zwei Ereignisse E₁ und E₂, die zeitlich nacheinander beide auf bzw. in der Nähe von B' stattfinden, sind in Σ' gleichortig, in Σ jedoch nicht. So müssen wir den Begriff der Gleichortigkeit verallgemeinern und bezeichnen E₁ und E₂ als zeitartig getrennt.

Zu den Naturgesetzen gehören freilich auch MAXWELLs Grundgleichungen der Elektrodynamik und damit auch die elektromagnetische Wellengleichung. Auch sie muss daher in Σ und Σ' gleichermaßen gelten. Die Geschwindigkeit eines Lichtsignals relativ zu einem Körper (der im diesem Zusammenhang als ruhend gilt), muss daher immer c betragen (im Unterschied zur Differenzgeschwindigkeit eines Lichtsignals und eines als bewegt geltenden Körpers).

Die Differenzgeschwindigkeit zwischen einem Signal und einem mit v bewegten Körper beträgt zwischen 1 − v (hier 0,4) und 1 + v (hier 1,6).

Wenn Du von B' aus B beobachtest, würdest Du folgendes erwarten:

  1. Wenn Du B als ruhend ansiehst, würdest Du erwarten, dass B durch Aberration um den Faktor 1,6 länger und weiter entfernt aussehen müsste als er ist.
  2. Wenn Du Dich selbst als ruhend ansiehst, würdest Du erwarten, dass B aufgrund des Retardierungseffekts um den Faktor 1/(1 − v) = 2,5 länger und weiter entfernt aussieht, als er gegenwärtig ist.

Tatsächlich liegt der Faktor aber bei K = 2 (s. Gleichung 2), dem Geometrischen Mittel zwischen beiden Faktoren. Er ist um den Faktor γ = 1,25 größer ist als der erste und um den Faktor 1⁄γ = 0,8 kleiner ist als der zweite Faktor, d.h.,

  1. nach der ersten Interpretation erscheint B um den Faktor 1,25 "zu" lang und "zu" weit entfernt. Diese Interpretation impliziert also, dass Deine Maßstäbe um den Faktor 0,8 verkürzt sind.
  2. Nach der zweiten erscheint B um den Faktor 0,8 "zu" kurz und "zu" nahe. Diese Interpretation impliziert nämlich, dass er (und die Entfernung, die er noch hat) um den Faktor 0,8 kürzer ist.
Relativität der Gleichzeitigkeit

-- Baustelle --

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*) Um Schreibarbeit zu sparen, benutze ich für Strecken und Zeitspannen dieselbe Maßeinheit Sekunde, wobei damit bei Strecken die Lichtsekunde gemeint ist.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – + Auseinandersetzung mit Gegnern der RT

Richard30 
Beitragsersteller
 18.09.2023, 17:36

So etwas finde ich halt immer total interessant, aber das zeigt wie ich finde, dass oftmals die Forscher u.s.w. eine richtige Idee hatten und irgendwann kommt jemand anderes und verfeinert diese dann soweit, dass diese dann in eine handfeste Theorie umgewandelt werden kann.

Man hat halt in Analogien gedacht UND war in der Analytik nicht so weit (obwohl man ziemlich von sich selbst überzeugt war).

Schall benötigt ein fluides Medium und breitet sich in Wellen aus. Licht breitet sich auch in Wellen aus, ergo gibt es auch ein entsprechendes "LichtMedium". Dieses konnte man aber noch nicht nachweisen, im Gegensatz zu Atomen, ergo sind die entsprechenden Teilchen noch kleiner und 'feiner' als Atome! Damit konnte man auch noch eine philosophische Weltsicht weiterführen. Neben den 4 'Elmenten' (die eher die Aggregatzustände sind), gab es noch das '5. Element', das 'göttliche', die 'Quintessenz', alles was man nicht erklären konnte...den Ether!

Mit dem MM-Experiment konnte mN zeigen, dass entweder die Erde im 'Ether' ruht, weil c unabhängig von der Ausrichtung ist, ODER das es keinen gibt! Und das ist nicht nur 'einfacher', sondern auch 'realistischer' (als die Erde als ruhendes Zentrum des Ethers anzunehmen.)

was wenn der "Äther" das ist was wir als Raumzeit verstehen?

das wäre dann aber nur ein anderes Wort, keine Ätherbedeutung in dem Sinn, wie man Äther damals verstand. Die Raumzeit hat zwar eine Art Referenzfunktion im Sinne des Mach'schen Prinzips und der Expansion des Universums, aber nicht die eines "Mediums", relativ zu dem man eine eigene Geschwindigkeit messen könnte. Es gibt keinen "Raumzeitwind".