Lässt sich Vernunft erlernen?

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Nur zur begrifflichen Klarstellung, ich denke nicht, dass wir hier von gesellschaftlichem Vernunftverständnis sprechen: Dies und jenes ist vernünftig, weil es gesellschaftskonform ist - dementpsrechend hast du Vernunft (erhalten / erlernt / aufgezwungen bekommen), sobald du dich der Gesellschaft angepasst hast.

Ich betrachte die eigentliche menschliche Vernunft gerade als die Möglichkeit, sowohl symbolisch, als auch formal Zusammenhänge kognitiv erschließen zu können - was anders ausgedrückt heißt: Vernunft ist die Fähigkeit zu lernen.

Mit diesem Verständnis wird die Frage natürlich zum Paradoxon, da man zum erlernen der Vernunft, diese bereits benötigte. Und dieses Problem wäre evolutionstheoretisch auch nur lösbar, wenn man diese Fähigkeit durch biologische Weiterentwicklung des Gehirns erklären würde. Quasi hat die Natur uns die Vernunft geschenkt bzw. das Potential, sie nutzen zu können - was nicht bei jedem der Fall ist ;)

Als Fazit könnte ich nur ein solches geben, dass die Frage verneint werden muss.


Angeloma 
Beitragsersteller
 22.07.2011, 14:41

Danke dir MaNic22;

das landläufige Vernunftverständnis mag in Begriffsverwirrung führen - das stimm ich dir zu.

und widersprech dir - an anderer Stelle - gleich doppelt.

  1. > Vernunft ist die Fähigkeit zu lernen.

Soweit ich weiß, wäre dies (die Fähigkeit zu lernen) eine sinnvolle Charakterisierung von Intelligenz.

Und diese - das halte ich für zumindest für sinnvoll - lässt sich in praktische, soziale und kognitive Intelligenz differenzieren.

Für Vernunft - kommt mir dank deiner Antwort als Idee - braucht man alle drei Arten von Intelligenz.

Insofern wäre sie durchaus erlernbar. Und sogar auf verschiedenen Wegen. Der eine fängt bei der Praxis an, der andere im zwischenmenschlichen, der dritte beim Denken.

Früher oder später merkt man dann, dass man alle drei Arten von Intelligenz braucht, um erfolgeich und glücklich zu werden.

  1. > Paradoxon -

gesetzt den Fall, man konstruiert ein Problem als ein solches:

Paradoxa lassen sich auflösen. Natürlich nicht gleichzeitig - das ist der Denkfehler der Paradoxa- Konstrukteure, sondern in der Zeit - als Nacheinander des Außereinander, sprich allgemeinverständlich: Schritt für Schritt.

Was hältst du von der Perspektive?

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MaNic22  22.07.2011, 15:23
@Angeloma

So wenig ich es auch mag... auf deine neue Definition hin, wollte ich doch einmal auf Wiki nachschauen, wie genau Vernunft (offiziell, was nicht unbedingt "richtig" oder "passend" bedeutet) definiert ist:

"Mit Vernunft als philosophischem Fachbegriff wird die Fähigkeit des menschlichen Geistes bezeichnet, von einzelnen Beobachtungen und Erfahrungen auf universelle Zusammenhänge in der Welt zu schließen, deren Bedeutung zu erkennen und danach zu handeln ... "

Vergleicht man den markierten Teil mit meinen Ausführungen:

"... Vernunft ... als die Möglichkeit, sowohl symbolisch, als auch formal Zusammenhänge kognitiv erschließen zu können ... "

so finde ich ist eine grobe Übereinstimmung fest zu stellen. Und ohne die genannten Fähigkeiten, wäre das Lernen wohl kaum möglich. Intelligenz ist für mich ein Maßstab, wie gut man diese Fähigkeit zu nutzen weiß.

Aber da wir beide wohl sehr gut wissen, dass man sich nicht zu sehr auf Formalitäten festbeißen sollte, möchte ich auch auf dein Vernunftverständnis eingehen.

"praktische, soziale und kognitive Intelligenz" sind m. E. das Ergebnis einer ausgeprägten Vernunft, und bilden diese nicht erst. Dass sie ohne diese erreichbar (erlernbar) wären, muss ich gemäß meiner Definition bezweifeln, da letzteres biologisch bedingt ist und zugleich die Voraussetzung für die ersten drei Aspekte. Andersherum könnte man aber meinen, dass der, der kognitives Potential besitzt (dank seiner Vernunft) mit dem Willen, diese zu nutzen, es schaffen sollte, alle drei Aspekte zu erlernen. Dass diese nötig sind, um wirklich glücklich zu werden, ist eine höchst komplexe Frage. John Stuart Mill beispielsweise war der Ansicht, dass geistige Lust, all der anderen vorzuziehen sei, da sie mehr Qualität besäße. Gleichzeitig meinte er aber auch, dass Gebildete Menschen niemals vollends glücklich werden würden, da sie beide Seiten der Lust (im Gegensatz zum Narren) kennen und somit "niemals zufriedenzustellen [seien]*, da sie stets nach dem Vollkommenen streben, obwohl sie wissen, dass dies nie zu erreichen ist. Menschen mit 'niederen Fähigkeiten' können sich keine richtige Vorstellung vom 'wahren' Glück machen und sind so schneller zufriedenzustellen." (erneut Wikipedia ;) Ich persönlich bin der Meinung, dass der Glauben an eine höhere Stufe des Mensch-Seins, einen "edleren Charakter*", wie Mill es nennt, einen bereits glücklicher macht, als wenn man seinen eigenen Wissenstrieb verrät und sich bloß sinnlichen Gelüsten hingibt.

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Angeloma 
Beitragsersteller
 22.07.2011, 16:27
@MaNic22

Hm, ich frag, an deine Antwort anknüpfend, nochmal anders:

Wozu denn glücklich sein? Es geht - irgendwie, das Leben - doch auch ohne?

Bittschön, klar, nur wenn du Lust hast, eine logisch stimmige Begründung - na brauch ich dir nicht eigens zu sagen :)

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MaNic22  22.07.2011, 16:36
@Angeloma

Haha :D Eben diese Frage, wollte ich einst stellen, hab es dann aber unterlassen, da ich ihre Absurdität erkannt habe. In einem Gespräch mit einem anderen Freund, kam ich auf dieses Thema zu sprechen:

"Auf jeden Fall wollte ich mit meiner letzten Aussage (du lebst, weil du fühlst) eigentlich darauf hinaus, dass du dich selbst als ein nicht vollständig rationales Wesen erkannt hast. Wärst du es, so wäre deine logische Schlussfolgerung aus der Sinnlosigkeit eine totale Apathie gegenüber Leben und Nicht-Leben. Du würdest es nur als eine gewisse Übergangsphase in eine baldige Auflösung ansehen, die keinerlei Wert besitzt und dessen frühzeitige Beendigung somit auch deinetwegen eintreffen mag. Also was hält dich davon ab? Deine Emotionalität. Sie lässt dich glücklich sein im Leben. Wenn du jemanden fragen würdest, warum er glücklich sein wolle, so wüsste er keine Antwort, weil das Glück die letzte Instanz unserer aller Willen darstellt. Und so steht es auch um das Leben. Du willst leben, um glücklich zu sein - siehst aber letztlich in diesem Glück keinen Sinn. Niemand kann ihn dir sagen, aber dennoch fühlst du dich jedes mal wieder zu ihm hingetrieben. Du weißt, dass du es willst, kannst aber nicht sagen, warum.

Was ich damit ausdrücken will, ist, dass jeder diesen Glückstrieb spürt und ihn zu hinterfragen als absurd empfindet, da er bei Anwendung von Rationalität keinen Sinn in ihm entdeckt, obwohl er genau weiß, dass das es ist, was seinem Leben Antrieb verleit, also irgendwo ein Ziel bietet... einen Sinn gibt. Will sagen: Vielleicht ist der Lebenssinn gar nichts rational erschließbares, sondern viel mehr ein Gefühl... vielleicht!"

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Angeloma 
Beitragsersteller
 22.07.2011, 19:10
@MaNic22

Oh ja - Glück will sich selbst - ganz genau. Doch .. was folgt daraus, eben genau daraus?

Einen Hint hätt ich - via Zarathustra, in dem N. zwischen kleinem Glück und Lust unterscheidet.

Vom kleinen Glück sagt Z:.:

"Wir haben das Glück gefunden - sagten die letzten Menschen und blinzelten. "

Und vom großen - der Lust:

"Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit".

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MaNic22  22.07.2011, 19:38
@Angeloma

Letzterer Satz war mir sogar bekannt und ich bin in seiner Interpretation äußerst unsicher. Wird Ewigkeit hier als etwas sich immer wiederholendes und somit sinnloses angesehen, oder wird die Lust hier angepriesen, als das wertvollste von allem?

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Angeloma 
Beitragsersteller
 22.07.2011, 19:55
@MaNic22

Weder - noch.

Sondern das, was dasteht, erstmal, so les ich´s, ohne Bewertung:

x will y

Lust will Ewigkeit

Dem Zaratuustra können wir ja mal eine eigene Frage gönnen - ok ? :)

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MaNic22  23.07.2011, 12:08
@Angeloma

Dazu werde ich bestimmt noch so einige haben, sobald ich diesen lese. Danke für den Stern :)

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Lässt sich erlernen. Ist doch logisch:

Der Mensch ist das vernunftbegabte Tier.

Was nicht heißt, dass jeder Mensch Vernunft hat, aber zumindest ist jeder mit Vernunft begabt. Sonst ist er noch nicht so richtig das, was man Mensch nennt. Würd ich mal sagen.

Mensch sein ist eine große Bürde.

Begabt mit Vernunft - und dadurch zum Zweifeln an sich selbst fähig. Doch vielleicht, zunächst und zumeist, noch nicht der Vernunft fähig. Und merkt es und kann es doch nicht so von Hutz auf Plutz ändern.

Den meisten übrigens fehlt es, würd ich mal sagen, nicht an der Fähigkeit zu denken. Ideen hat ja jeder, Ideen gibt es wie Sand am Meer.

Sondern an der Fähigkeit, auch entsprechend zu handeln. Nur das würde ich wirklich vernünftig nennen.

Gefühle lösen Taten (oder Gedanken) aus. Die Taten (oder Gedanken) bestimmen das Handeln. Um das Handeln vor sich selber und anderen zu rechtfertigen, benutzt man die Vernunft.

Sinnvoll wäre es, die Gefühle zu trainieren (bzw.diese durch den Willen, nicht durch die Gedanken, zu beeinflussen). Dann würde auch was "Vernünftiges" dabei herauskommen. Macht aber kaum jemand. :(


Angeloma 
Beitragsersteller
 22.07.2011, 14:12

danke für deine Antwort.

macht kaum jemand :)

hätte eine Nachfrage: Wie unterscheidest du dann Verstand und Vernunft?

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Zorro1969  22.07.2011, 14:30
@Angeloma

Von Vernunft würde ich sprechen, wenn das was der Verstand produziert (Entscheidungen, Schlussfolgerungen etc.) logisch begründbar und nachvollziehbar ist.

Wie du aber aus meiner obigen Definition siehst, ist die Logik bzw. die Begründbarkeit einer Aktion -aus meiner Sicht- keine Voraussetzung für menschliches Handeln, sondern alleine die Gefühlsimpulse, die dann wiederum durch die Vernunft begründet ("rationalisiert") werden.

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(Elternperspektive) Wenn du damit Urteilskraft meinst: Zeig deinen Kindern gesunde Grenzen. Bring ihnen bei Dinge richtig einzuordnen.

(Kindperspektive/Individualperspektive) Wenn du damit Urteilskraft meinst: Lies viel über ethische Fragen. Ist Handlung A B C gut? Sind Dinge allgemein, einzeln für Gruppen zutereffend? etc.

Was die Vernunft betrifft: Die kann man nicht "trainieren" sie ist ein vorhandenes Vermögen.


Angeloma 
Beitragsersteller
 22.07.2011, 14:47

danke für deine praktisch handhabbare Herangehensweise an die Frage, wie man Vernunft lernen kann.

Vernunft = Urteilskraft.

hm, ja, so hat´s Kant gegriffen. Entscheidungskraft fänd ich inzwischen treffender.

Wie unterscheidest du "lernen" und "trainieren" ? Scheinst du ja zu unterscheiden, aber wie du das tust, ist mir nur ungefähr einsichtig.

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Odysseus247  22.07.2011, 14:57
@Angeloma

Wie wäre es mit "schärfen" anstatt? Wenn du viele Erfahrungen von anderen gehört hast und deinen Vernuftapparat dazu bemühst die Dinge einzuordnen, d. h. auch deine eigenen Erfahrungen, wird dir das eine bessere Einschätzung der Dinge in der Praxis geben. Die Balance muss stimmen. Wenn du es so siehst ist "Erfahrung" dann das Training und die Reflektion "lernen".

Das geht über Kant hinaus. Nenn es Pragmatismus.

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ich glaube die antwort war so gemeint. man wird von selbst irgendwann mal vernünftig ist teil des erwachsen werdens trainieren kann man das nicht wirklich. irgendwann im leben kommt der moment wo man einfach weis das man entscheidungen für sich selbst treffen muss und die entscheidungen trifft die einem vernünftig erscheinen.


Angeloma 
Beitragsersteller
 22.07.2011, 14:17

Vernunft = Erwachsen-werden?

Jo .. hat schon was, im Sinne von Reife und Lebenserfahrung nehm ich mal an.

festhalten will ich schon mal: entscheidungen für sich selbst treffen - das dürfte auf jeden Fall ein entscheidender Schritt sein.

Und - das kann man / mensch auch lernen. :)

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