Konnte Hitler als Führer des Reiches aus Sicht des deutschen Volkes tatsächlich Erfolge vorweisen?

6 Antworten

Die Erfolge waren samt und sonders "auf Pump" erkauft. Nur konnte das damals kaum jemand hinterfragen. Presse und Rundfunk waren ja "gleich geschaltet" und brachten nur das, was Goebbels erlaubte.

Und natürlich brauchte die Rüstungsindustrie schnell sehr viele Arbeitskräfte. Und junge Leute gingen nach der Schule in den Reichsarbeitsdient, und viele direkt nahtlos zur Wehrmacht.

Nein. Das was er wirklich geschaft hat hätten auch andere geschaft. Es war also nichts aussergewöhnliches oder überragendes. Und davon wurde er definitiv von anderen unterstützt, weil er im Alleingang es eben nicht gebracht hätte.

Seine 'Erfolge' sind eine ausufernde Grausamkeit, Brutalität und Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Menschen bzw. Völkern in einer nie dagewesenen Dimension.

Betrachten wir das Ganze aus der Sicht des arischen, soweit muss man das zwingend eingrenzen, Bürgers seinerzeit:

Hitler hatte in dieser Zeit drei ganz große Erfolge. Das war erstens, die Wiederherstellung der Vollbeschäftigung. Sie war vor allem Schacht zu verdanken, einem früheren Demokraten, der unter Hitler erst Reichsbankpräsident und dann auch Reichswirtschaftsminister wurde. Schacht brachte es zuwege, durch eine nach außen streng abgeschottete Binnenwirtschaft, auf Kredit eine Wirtschaftsblüte zu erzielen. Die Jahre von 1936 bis in das Jahr 1939 hinein waren Jahre eines ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwungs. Jahre, in denen es beiden Seiten der Wirtschaft, den Unternehmern wie den Arbeitern, ausgesprochen gut ging, jedenfalls unendlich viel besser als in den Jahren der Wirtschaftskrise. Das war nicht zu unterschätzen für die Stimmung im Lande.

Der zweite große Erfolg, den Hitler in dieser Zeit, beim Volk vorweisen konnte, war die gelungene Aufrüstung. Alle Bedenken, die in der Reichswehr noch gegen Hitlers sonstige Politik obwalten mochten, konnte er auf diese Weise neutralisieren. Man darf dabei auch nicht unterschätzen, welch ungeheuren beruflichen und persönlichen Aufstieg die Aufrüstung für das Offizierskorps der alten Reichswehr bedeutete. In dem Millionenheer, das jetzt geschaffen wurde, wurden die Leutnants der Reichswehr Obersten, die Obersten Generale, Generale wurden Feldmarschälle, kurzum, es ging allen sehr gut und das nicht nur in materieller Hinsicht. Sie alle fühlten sich beruflich jetzt wieder sehr wohl, sie durften endlich wieder ihre volle Leistungskraft entfalten, sie dienten einem militärıschen Unternehmen, das sich in kräftigem Aus- und Aufbau befand. In einer solchen Lage treibt man keine Opposition und schluckt manches, was einem eigentlich zuwider ist. Da war zum Beispiel die Einführung des Arierparagraphen in der Reichswehr im Jahre 1935. Klar, es gab nicht viele jüdische Offiziere, aber dafür eine ganze Menge Offiziere, die eine jüdische Großmutter oder eine jüdische Mutter hatten, denn gerade zwischen der Militäraristokratie und der jüdischen Finanzaristokratie hatte es in den vorangegangenen Generationen zahlreiche Heiraten gegeben. Die unglücklichen Sprosse solcher Ehen mussten nun die Reichswehr verlassen. Das gab Ärger und böses Blut. Aber es wurde hingenommen, weil ja doch das Wichtigere war, dass das Heer nun wieder groß und mächtig und zu einem wirklichen Kriegsinstrument wurde, wie zu Kaisers Zeiten. Die Bevölkerung (Soldaten) sahen also am Rande deutlich was mit "Unerwünschten" passierte und man nahm es aufgrund der eigenen, deutlichen Verbesserung hin.

Hitlers dritter großer Erfolg, der im breiten Publikum auch dank der Verkaufstechnik Goebbels großen Eindruck machte, war seine Außenpolitik, die Art wie er anfing, der Welt Trotz zu bieten, ganz anders als etwa Stresemann und die republikanischen Regierungen, die ja auch eine revisionistische Politik betrieben und dabei sogar große Erfolge erzielt hatten, aber doch immer unter dem Motto der Anpassung und der scheinbaren Versöhnung. Damit war jetzt Schluss. Hitler legte Wert darauf, seine Erfolge der Welt abzutrotzen. Das begann schon 1933, als Deutschland aus dem Völkerbund, in den es erst sieben Jahre zuvor zugelassen worden war, demonstrativ wieder austrat, sozusagen die Tür hinter sich zuschlagend. Das machte Hitler massenpsychologisch sehr geschickt zum Anlass seines ersten Plebiszits, des ersten, in dem er an die 100 Prozent Stimmen erreichte. Dann kam 1935 die offene Proklamierung der wiedereingeführten allgemeinen Wehrpflicht, die Erklärung, Deutschland werde in Zukunft ein Friedensheer von 36 Divisionen haben, nichts mehr von Versailler Vertrag und von Hunderttausend-Mann-Heer, gleichzeitig die an die Welt gerichtete Mitteilung, dass Deutschland inzwischen wieder eine Luftwaffe besitze.

1936 folgte ein besonders "kühner" Streich, mit dem nicht nur der Versailler Vertrag, sondern auch der freiwillig abgeschlossene Locarno-Vertrag von 1925 von Deutschland gebrochen wurde, das Einrücken der Wehrmacht in die entmilitarisierte Zone des Rheinlands. Diesmal kam es zu der einzigen Krise, die Hitlers Außenpolitik vor 1938 auslöste. Einen Augenblick lang schien es, dass Frankreich auf den deutschen Schritt mit Mobilmachung und Gegeneinmarsch antworten würde. Manche Reichswehrgenerale hatten das von vornherein befürchtet und deshalb von dem Marsch ins Rheinland abgeraten. Hitler setzte darauf, dass Frankreich nicht handeln würde und behielt recht. Dieses war vielleicht der durchschlagendste aller innenpolitischen, massenpsychologischen Erfolge, die Hitler mit seinen wirkungsvollen außenpolitischen Gesten errang. Und dann kamen die ganz großen, von niemandem erwarteten Erfolge des Jahres 1938, der unwidersprochene, kampflos erreichte Einmarsch in Österreich und der darauf folgende Anschluss Österreichs, eines der Traumziele früherer Revisionspolitiker, daraufhin, allerdings nach der ersten kriegsdrohenden Krise, im Herbst 1938 das Münchner Abkommen, in dem Frankreich und England Frankreichs Verbündeten, die Tschechoslowakei, preisgaben und zwangen, die sogenannten Sudetengebiete, also ihre überwiegend deutsch besiedelten Randgebiete, ans Deutsche Reich abzutreten.

Erfolge die man aus der Sicht der damaligen Bevölkerung Hitler hoch anrechnete, wie diese Dinge zustande kamen, welche Tricks oder auch aufgrund welcher Fehler des Gegenübers, wie Englands oder Frankreichs zögern oder dulden, diese eintrafen, sah von diesen Menschen eigentlich niemand.

Innenpolitisch war die Sache recht einfach, Hitler korrumpierte das Volk massiv mit Zuwendungen in allen Bereichen des Lebens und erhielt dafür für lange Zeit ihren fast uneingeschränkten Beistand, man sah vieles und nahm alles hin, aktiv oder stillschweigend als Zuschauer.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Geschichte Schwerpunkt Deutsches Reich / Nationalsozialismus

PaulSmart  17.01.2022, 23:20

"...eine Wirtschaftsblüte zu erzielen. Die Jahre von 1936 bis in das Jahr 1939 hinein waren Jahre eines ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwungs..." - Jean Ziegler beschreibt in dem Buch 'die Schweiz, das Gold und die Toten' wie Hjalmar Schacht 1937 zu Hitler geht und die Pleite des deutschen Reichs verkündet, dank dem Raub an den Juden kann diese Pleite abgewendet werden.

Die Aufrüstung ist auch einer der Gründe warum die Nationalsozialisten den Raub an den Juden beginnen müssen und warum dieser Raub im Massenmord endet - wirtschaftlich betrachtet ist das feudale Leben der Nazis, ihre Bau- und Prunksucht, die Aufrüstung, die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen usw alles andere als eine Erfolgsgeschichte.

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Stressika  18.01.2022, 09:31
@PaulSmart
"Betrachten wir das Ganze aus der Sicht des Bürgers"

Der Rest sind Kenntnisse außerhalb der Reichweite des Volkes und darum ging es hier in der anfänglichen Frage nicht, ist aber, abgesehen davon das Ziegler nicht meine erste Wahl wäre, in den genannten Punkten bekannt. LG

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Roland Sperling  16.01.2022, 14:52

Sehr guter und zutreffender Beitrag!

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Roland Sperling  16.01.2022, 15:05
@Stressika

Viele meinen ja, man würde der NS-Diktatur ein "demokratisches Mäntelchen" umhängen, wenn man darauf hinweist, dass die Hitler-Regierung die Zustimmung der großen Mehrheit des Volkes besaß. Dahinter steht die naive Auffassung, "das Volk" würde sich in demokratischer Weise immer für "das Gute" entscheiden. Tatsächlich hat es vor 1933 und nach 1945 keine deutsche Regierung mehr gegeben, die eine so breite Unterstützung im deutschen Volk besaß. Das macht die Sache allerdings nicht besser. Im gegenteil: es zeigt, dass man sich weder auf "das Volk" noch auf demokratische Willensbildung verlassen kann. Das zeigen ja auch - bei allen Unterschieden zu Hitler - jüngste Entwicklungen. Ich nenne nur Trump, Bolsonaro, Orban usw., die ja alle demokratisch gewählt wurden.

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Stressika  16.01.2022, 15:17
@Roland Sperling

Eigentlich ist es ganz einfach und kann geschichtlich betrachtet zu jeder Zeit gefunden werden und auch zukünftig zutreffen: "Biete den Menschen etwas das ihr eigenes Leben deutlich verfeinert und sie folgen dir bis zum bitteren Ende."

Eine tatsächlich sachliche Herangehensweise wird allerdings außerhalb fachlicher Kreise verschwindend gering anerkannt und oftmals mit Anschuldigungen der Geschichtsfälschung abgestraft. Ich mag diese Art der Auseinandersetzung, auch wenn es den Horizont einiger deutlich übersteigt und diese in eine "jetzt erst recht" Reaktion umspringt (siehe auch hier und in anderen Kommentaren weiterer meiner Beiträge). Nur werden Anschuldigungen nicht wahrer wenn man sie öfter wiederholt. Fakt ist einfach, das auf Plattformen wie dieser zu viele Laien mit einem Löffel der für sie richtigen Wahrheit bestückt sind.

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Roland Sperling  16.01.2022, 15:57
@Stressika

Gerade deshalb ist es wichtig, z.B. hier auf dieser Plattform immer wieder dagegen anzugehen. Hier erreicht man gar nicht mal so wenig Leser. Es gibt auch immer wieder Schüler, die Fragen ihrer Lehrer posten. Gerade z.B. fragt eine Nutzerin nach einer Antwort auf die vom Lehrer gestellte Frage: "Stell Dir vor, du würdest als Mädchen in der NS-Zeit die Dir als Frau vorgegebene Rolle ablehnen. Was würdest Du in Dein Tagebuch schreiben?" Solche unsinnigen Fragestellungen werden in den Schulen zuhauf gestellt. Erstens wird unterstellt, dass das "NS-Frauenbild" vielen Frauen nicht gepasst habe, und zweitens wird unterstellt, dass man gar keine andere Möglichkeit gehabt hätte als diese Unzufriedenheit in ein geheimes Tagebuch zu schreiben. So wird den Kindern schon ein ganz falsches Bild vermittelt, eben weil auch die Lehrer ein falsches Bild haben. Wenn man dann mal erwähnt, dass die Zahl der weiblichen Studenten in der NS-Zeit höher war als vorher, erntet man Unglauben. Dass die Frauen - auch deshalb - noch größere Hitler-Anhänger waren als die Männer, ist offenbar unbekannt.

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Roland Sperling  16.01.2022, 16:02
@Roland Sperling

Und es gibt auch unter Lehrern immer noch die falsche Auffassung, Frauen hätten im 2. WK ihre an der Front kämpfenden Männer in den Betrieben ersetzen müssen. Das wird dann manchmal sogar mit Fotos "belegt", die aus dem 1. WK stammen. Dass es im 2. WK nur eine sehr geringe Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit gab, weil die Arbeit von Zwangsarbeitern gemacht wurde, während die Frauen mit der staatlichen Lohnfortzahlung für ihre Männer finanziell besser dastanden als vor dem Krieg, weiß offenbar auch keiner.

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Stressika  16.01.2022, 16:48
@Roland Sperling

Noch immer spielt gerade in Deutschland traditionell befestigte Geschichtsauffassung ihre Rolle, wonach es einige "große Männer" seien, die mit ihren "richtigen" oder "falschen" Entscheidungen den Gang der Weltgeschichte bestimmten, wonach im Hinblick auf das Dritte Reich, die deutschen Zustände zwischen 1933 - 1945 also der negativen "Dämonie" Hitlers und einiger seiner Paladine zuzuschreiben seien. Die extremste Ausformung des politischen Charakters des NS-Systems lag darin, dass ganze Gruppen von Menschen innerhalb der eigenen Gesellschaft oder in anderen Ländern zu Untermenschen erklärt, mit der Ausrottung bedroht und massenhaft zu Tode gebracht wurden, und ganz gewiss muss eine solche Politik als das definiert werden, was sie war, nämlich als Verbrechen.

Es ist aber wenig damit erreicht, wenn Aufklärung über das Dritte Reich sich damit begnügt die Führer und Exekutoren der NS-Politik für kriminell zu erklären und moralisch abzuurteilen. Für diejenigen jungen Leute heute, die nach der NS-Vergangenheit fragen, ist leicht erkennbar, das die Handlungen des NS-Staates die aktive oder passive Zustimmung, zumindest die Duldung durch eine Mehrheit der Bevölkerung zur Voraussetzung hatten. Deren Verhalten ist aber mit einer "Kriminalitätsthese" nicht erklärbar. Zu Recht werden Jugendliche heute wissen wollen, wieso denn "die Deutschen" eher zum politischen Verbrechen neigen sollten als andere Völker und dieser Gedankengang kann nur zu leicht zu einem fatalen Fehlschuss führen, dass vielleicht die faschistische Politik selbst doch gar nicht so verbrecherisch gewesen sei, wie die politische Bildung es darstellt. Hier wird die Notwendigkeit sichtbar, die Herkünfte faschistischer im gesellschaftlich-politischen Bewusstsein breiter Teile der deutschen Bevölkerung zu erhellen, also herauszufinden, wo denn die ganz alltäglichen Verhaltensdispositionen lagen, die nach 1933 ein System stützten, dem Massenmord als legitimes Mittel der Politik galt, ohne das die deutsche Gesellschaft im Nationalsozialismus in ihrem Durchschnitt aus Mördern bestanden hätte.

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Roland Sperling  16.01.2022, 16:54
@Stressika

Da muss man aber dicke Bretter bohren! Zumal nach Adorno/Horckheimer der Faschismus nicht als Gegenentwurf zur Aufklärung verstanden werden darf, sondern als eine im Aufklärungsdenken selbst angelegte Möglichkeit. Womit dann auch die gesellschaftlichen und historischen Bedingungen in den Blick geraten, statt eine angebliche "menschliche Natur".

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PaulSmart  17.01.2022, 23:22
@Roland Sperling

Hatte die NSDAP 1933 tatsächlich eine so breite Unterstützung in der deutschen Bevölkerung?

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Stressika  18.01.2022, 09:55
@PaulSmart

Anfänglich eine deutliche Skepsis, aber spätestens ab dem Sommer 1933 konnte man im Volk eine große positive Veränderung in der Wirtschaft feststellen und Betriebsschließungen und mangelnde Arbeitsplätze gehörten der Vergangenheit an. Viele im Volk, darunter auch unzählige Skeptiker des neuen Machthabers, arrangierten sich von nun an mit dem NS-Regime, denn er versprach nicht nur mehr Beschäftigung und das Ende von Hunger und Leid, sondern er sorgte tatsächlich dafür. und auch hier nochmal erwähnt: Das er die Wirtschaft auf Rüstung umstellte und somit für einen künstlichen Aufschwung sorgte, sah man nicht oder wollte es zum Teil nicht sehen.

Der Hitler-Staat war eine Diktatur der Zustimmung und es wurde seitens Hitler und Regierung peinlichst genau darauf geachtet das durch ihr Handeln die Massenzustimmung zum Regime nicht gefährdet ist.

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PaulSmart  18.01.2022, 10:54
@Stressika

Die Skepsis der Bevölkerung wurde auch dadurch beschwichtigt, dass der Krawallhund der NSDAP, die SA, an die Leine gelegt wurde - ist diese Aussage richtig?

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Stressika  18.01.2022, 11:35
@PaulSmart

Im ganzen muss man die Handhabung und Dosierung des Terrors in den ersten sechs Jahren, erst Furchterregung durch wüste Drohungen, dann schwere, aber hinter den Drohungen doch etwas zurückbleibende Terrormaßnahmen und danach allmählicher Übergang zu einer Beinahe-Normalität, aber ohne völligen Verzicht auf ein wenig Hintergrund-Terror, eine psychologische Meisterleistung Hitlers nennen. Sie sorgte bei den zunächst ablehnend oder abwartend Gestimmten, also der Mehrheit, für das rechte Maß von Einschüchterung, ohne sie zu verzweifeltem Widerstand zu treiben und, noch wichtiger, ohne von den mehr positiv beurteilten Leistungen des Regimes allzu sehr abzulenken. Es war diese von Hitler bewusst geschürte Furcht, die dafür sorgte, dass der Terror und die Rechtsbrüche, die von März 1933 an Hitlers Machtergreifung begleiteten, so wenig Empörung und Widerstandswillen hervorriefen. Die SA hatte ein Jahr lang mit blutrünstiger Vorfreude eine "Nacht der langen Messer" angekündigt, sie fand nicht statt; es gab nur vereinzelte, heimliche und bald wieder unterdrückte, allerdings nie gesühnte Mordtaten an wenigen besonders verhassten Gegnern.

Dann kam das Jahr 1934 und die Ermordung von Ernst Röhm, danach spielte die SA politisch eigentlich keine Rolle mehr, die SS wurde eine von ihr unabhängige Organisation (der oft genannte "SS-Staat"), die Mitgliederzahl der SA reduzierte sich binnen eines Jahre um deutlich über 30 %. Die SS übernahm somit die "Aufgabe des Terrors" innerhalb des Staates. Für Hitler war die SA zu einer Last am Bein geworden, der "Putschversuch durch Ernst Röhm" vermutlich ein notwendiger Vorwand zur Zerschlagung dieser für ihn chaotischen und nicht planbaren Truppe.

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PaulSmart  18.01.2022, 14:54
@Stressika

Daumen hoch für deine Ausführlichkeit, aber Daumen runter für 'psychologische Meisterleistung Hitlers' - Zuckerbrot und Peitsche bedarf keiner Meisterleistung, das wussten schon die alten Römer.

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Stressika  19.01.2022, 13:34
@PaulSmart

Man sollte Dinge so benennen wie sie waren, egal in welcher Verhältnis die Nachwelt zu dem Thema Hitler und seiner Schergen steht. Ich bemühe mich bei meinen Recherchen stets einen neutralen und klaren Blick zu behalten. LG

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PaulSmart  19.01.2022, 17:00
@Stressika

Eine Bewunderung für den einfältigen Hitler ist weder neutral, noch sachlich und der Blick scheint wie der von Joachim Fest sehr getrübt zu sein - auch durch die Aussagen des angeblich verführten Albert Speer?

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Stressika  19.01.2022, 20:08
@PaulSmart
Eine Bewunderung für den einfältigen Hitler ist weder neutral, noch sachlich und der Blick scheint wie der von Joachim Fest sehr getrübt zu sein

Auch hier der Versuch einer "psychologischen Meisterleistung", leider gänzlich fernab der Realität.

Hitler hielt zu jedem Zeitpunkt das labile Gemenge aus den unterschiedlichsten Interessen und politischen Haltungen allein durch sein Tempo des Handelns stabil. Darin bestand die politische Alchemie seiner Herrschaft. Er verhinderte den Zerfall durch die schiere Dichte der Entscheidungs- und Ereignisabfolge. Er pflegte die NSDAP als Bewegung. Er stärkte die alten Kämpfer, die Gau- und Reichsleiter weit engagierter als die Minister. Sein herrschaftsorganisatorischer Erfolg bewies sich nach 1933 darin, die allein herrschende Partei nicht zum Staatsanhängsel verkümmern zu lassen. Vielmehr gelang es ihm, im Gegensatz zu den Versuchen der späteren SED, den Staatsapparat in einer nie gekannten Weise zu mobilisieren, ihn für die Ziele der "nationalen Erhebung" kreativ werden zu lassen, die Kräfte des Landes bis zum Kollaps zu überdehnen. In ihrer Mehrheit gerieten die Deutschen zuerst in einen Taumel, dann in den Rausch historischer Hochgeschwindigkeit. Das war die Psychologie des, ich zitiere, "einfältigen" Hitlers. Oft auch deutete Hitler im engeren Kreis die Möglichkeit seines baldigen Todes an, um damit das für die politische Balance erforderliche überdrehte Tempo seines Regierens zu wahren. Er bewegte sich ähnlich einem dilettierenden Seiltänzer, der sein Gleichgewicht nur mit Hilfe immer weiterer, immer schnellerer, schließlich hastig-zielloser Ausgleichsbewegungen halten kann und zuletzt notwendigerweise stürzt. Daher lassen sich die politischen und militärischen Entscheidungen Hitlers am ehesten dann zutreffend analysieren, wenn sie, aller dröhnenden Zukunftspropaganda zum Trotz,- auf ihre kurzfristig entstandenen Motive und auf die für die nahe Zukunft beabsichtigten Effekte hin eingeordnet werden. Sofern ihnen diese Sicht bisher nicht gelungen ist, erübrigt sich jede weitere Diskussion bezüglich meiner langjährigen Studien im Bereich Hitler und Nationalsozialismus.

Die meisten Menschen haben ein Bedürfnis nach einer einfachen Erklärung, gerade bei Themen denen sie gerade so folgen können, diese Menschen wollen EINEN Grund haben, EINE These die belegt, das die sachliche Aufarbeitung nur eines wiedergeben kann und in der Dummheit Hitlers und der Erhebung seines Gefolges, mit Namen wie Goebbels oder Himmler endet. Ich muss sie da enttäuschen, nicht alles ist schwarz oder weiß.

Albert Speer, der ehrgeizige, berechnende und rationale Machttechniker, der ganz nach oben gelangt war und der sich in Nürnberg am deutlichsten von Hitler distanzierte, gab in seinen Memoiren zu, für ihn sei Hitler so etwas wie ein Held der antiken Sage gewesen, und nach dem Sieg in Frankreich habe er geglaubt, dass Hitler zu einer der größten Gestalten der deutschen Geschichte geworden sei. Selbstverständlich wurde auch er verführt und korrumpiert wie das restliche deutsche Volk seinerzeit, aber Speer war, als es um seinen eigenen Kopf ging eines ganz besonders, ein hervorragender Schauspieler der es verstand, seine Schuld bis weit nach seinem Tod unentdeckt zu lassen.

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PaulSmart  19.01.2022, 21:08
@Stressika

Daumen hoch für deine Albert Speer Analyse, auch wenn ich überzeugt bin, dass Speer kein Verführter sondern ein Machtgeiler war.

"...Er pflegte die NSDAP als Bewegung. Er stärkte die alten Kämpfer..." - Nein, die NSDAP wurde von vielen Seiten gepflegt und gemästet und gestärkt, unter anderem durch die alten Kämpfer.

Du erwähnst Goebbels und Himmler und lässt den Machtmenschen Göring aus? Wer hat als Reichstagspräsident entscheidend gewirkt? Wer hat für Hitler und die NSDAP die Macht an sich gerissen? Wer hatte die entscheidenden Ämter im dritten Reich inne, während Hitler ausschlief, Monologe führte und mit Blondie spazieren ging? Wer hat den Raub an den Juden organisiert in seinem Luftfahrtministerium am 12.November 1938?

Du begehst den gleichen Fehler den Joachim Fest am angeblichen 'Genius des Bösen' begeht, du unterstellst Hitler ein Raffinesse, eine Weitsicht und eine Intelligenz, die Hitler nie besessen hat. Welche Rolle wollte Hitler selbst in der DAP übernehmen? (und erst später hat er dieser Rolle das Streben nach weit Größerem hinzugefügt) Wie hat er seine Tage am liebsten verbracht, dieser zu Bequemlichkeit und Schwafelei neigender Egomane? Wenn du Hitler erforscht hast, dann müsstest du wissen, wie sehr er sich um Alles bemüht hat, wie er unliebsame Geschäfte (die Wirtschaft und das Wirtschaften) anderen überließ. Markant sind seine cholerischen Reaktionen, die das Scheitern hervorriefen (Luftschlacht um England) und nicht irgendeine politische Raffinesse, die bei näherer Betrachtung einer anderen Person des NS-Regimes zufällt. Ist es die Intelligenz Hitlers oder seine Aggression die Neville Chamberlain beeindruckte? Hitler tat das was alle Diktatoren machen, die die ihm nützlich schienen ließ er gewähren und machen, die die sich als unfähig (in seinen Augen) erwiesen, wurden ausgetauscht. Reduziert man das dritte Reich auf Hitler, ist er beeindruckend, hebt man das Brennglas an und schaut man auf die Fädenzieher und wie sehr Hitler das 'Fädenziehen' anderen überließ, wird seine Person zu einer Marionette seiner selbst / seiner Bequemlichkeit / seiner Einfalt / seiner Rage. Das beste Beispiel ist der Röhmputsch - Hitler wird von Göring und Himmler manipuliert den eigenen Freund und Wegbereiter auszuschalten.

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Stressika  20.01.2022, 12:26
@PaulSmart

Eines hätte den Beobachtern und Beurteilern Hitlers auch schon vor 1933 außer seiner Redegewalt auffallen müssen, wenn sie ein wenig besser hingesehen hätten, nämlich sein Organisationstalent, genauer gesagt, seine Fähigkeit, sich leistungsfähige Machtapparate zu schaffen und sie zu beherrschen. Die NSDAP der späten zwanziger Jahre war ganz und gar Hitlers Schöpfung und sie war als Organisation jeder anderen Partei bereits überlegen, ehe sie, in den frühen Dreißigern, Wählermassen hinter sich zu bringen begann. Sie stellte die altberühmte Parteiorganisation der SPD weit in den Schatten, noch mehr als diese in der Kaiserzeit gewesen war, war sie bereits ein Staat im Staate, ein Gegenstaat im kleinen. Und im Gegensatz zu der früh schwerfällig und selbstgenügsam gewordenen SPD besaß Hitlers NSDAP von Anfang an eine unheimliche Dynamik. Sie gehorchte nur einem beherrschenden Willen (Hitlers Fähigkeit, Konkurrenten und Opponenten in der Partei jederzeit fast spielend gleichzuschalten oder auszuschalten, war ebenfalls ein auf Künftiges deutender Zug, der genauen Beobachtern schon in den zwanziger Jahren hätte auffallen können), und sie war in die kleinsten Gliederungen hinunter voller Kampfeifer, eine dampfende und stampfende Wahlkampfmaschine, wie man sie in Deutschland vorher nicht gekannt hatte.

Die vorherrschende Tendenz in der heutigen Geschichtsforschung ist, Geschichtsschreibung soweit wie eben möglich einer exakten Wissenschaft anzunähern, also Gesetzmäßigkeiten zu suchen, das Augenmerk hauptsächlich auf soziale und ökonomische Entwicklungen zu richten, wo solche Gesetzmäßigkeiten am ehesten zu vermuten sind, die Rolle des eigentlichen politischen Elements in der Geschichte dementsprechend herunterzuspielen und insbesondere den Einfluss der Politik gestaltenden Einzelpersönlichkeiten, der »großen Männer«, auf den Geschichtsverlauf geradezu abzuleugnen. In diese Tendenz passt Hitler natürlich nicht hinein, und wer ihr anhängt, wird es geradezu als eine Zumutung für einen seriösen Historiker empfinden, der Frage nachzugehen, was ein einzelner Mensch, der ganze fünfzehn Jahre lang politisch wirksam gewesen ist, richtig oder falsch gemacht hat, und dabei womöglich noch seinen individuellen Charakterzügen nachspüren zu müssen, noch dazu, wenn es sich um einen so unattraktiven Charakter handelt wie den Hitlers.

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PaulSmart  20.01.2022, 22:13
@Stressika

Organisationstalent - wer waren die wirklichen Organisationstalente der NSDAP?

Hitler verstand sich in erster Linie als Redner der Partei und als ihn Drexler in die Position drängte auch als Kopf der Bewegung, aber wer hat wirklich das Denken in der NSDAP übernommen?

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earnest  16.01.2022, 12:32

Sehe ich das richtig: Du übernimmst den Nazi-Jargon "jüdische Finanzaristokratie"?

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earnest  16.01.2022, 13:23
@earnest

Da mein Kommentar bei mir weiß unterlegt ist und ich deshalb nicht weiß, ob er zu lesen ist, wiederhole ich meine Frage:

  • Sehe ich das richtig: Du übernimmst den Nazi-Jargon "jüdische Finanzaristokratie"?

(Jetzt scheint es geklappt zu haben.)

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earnest  16.01.2022, 12:25

Sehe ich das richtig: Du unterstellst Stresemann "scheinbare Versöhnung"?

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earnest  16.01.2022, 12:34
@Stressika

Und für die "Anpassung" gab es den Friedensnobelpreis?

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earnest  16.01.2022, 12:37
@Stressika

Hast du ZUR SACHE noch etwas zu sagen? Besser gesagt: zu DEN Sachen?

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Rheinflip  16.01.2022, 12:07

Wie so oft aus der Innenperspektive des Faschismus geschrieben, allerdings nicht mit kritischer Absicht

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Rheinflip  16.01.2022, 12:22
@Rheinflip

Als Beispiel: die angebliche Studentin der Geschichte benutzt den Begriff arisch komplett unkritisch.

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Roland Sperling  16.01.2022, 14:56
@Rheinflip

Dass die Deutschen in ihrer überwältigenden Mehrheit Hitler für die genannten "Erfolge" feierten und fast vergötterten, kann man ja nun nicht ernsthaft bestreiten.

Ergänzend könnte man noch die Saarabstimmung 1935 nennen, als über 90% der Deutschen im Saarland sich dafür aussprachen, genau demjenigen Deutschen Reich anzugehören, das bereits die Diktatur errichtet, Parteien verboten, Gewerkschaften unterdrückt und die freie Presse abgeschafft hatte. Die Mehrheit der Saar-Deutschen störte das offenbar nicht.

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Stressika  16.01.2022, 14:59
@Roland Sperling

natürlich störte diese das nicht, man wollte ebenfalls mächtig profitieren vom großen Kuchen der gereicht wurde.

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Hitler hatte bis 1939 eindeutige Erfolge vorzuweisen, daran gibt es nichts zu deuteln. Wäre er Ende 1938 gestorben, wäre er als der größte Deutsche in die Geschichte eingegangen. Er hat Deutschland aus dem Riesenschlamassel der Nachkriegszeit gerettet und die territorialen Ungerechtigkeiten des Versailler Vertrages wieder rückgängig gemacht, außerdem hat er die Massenarbeitslosigkeit beseitigt und den Lebensstandard der Deutschen gehoben.

Ab 1939 hat Hitler nur noch schwere Fehler gemacht, gewaltige Verbrechen begangen, seine anfänglichen Kriegserfolge waren nur Scheinerfolge, schließlich folgte aufgrund seiner Fehler der totale Absturz, sodass er als einer der schlimmsten Staatsführer aller Zeiten in die Geschichte eingegangen ist.

Woher ich das weiß:Recherche