Können Kommunisten homophob sein?

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Der Kommunismus erhebt an sich selbst den Anspruch, die Befreiung aller Menschen zu erringen und das schließt Homosexuelle und alle anderen Gruppen aus dem LGBT-Spektrum ein. Trotzdem kann es natürlich sein, dass einzelne Kommunisten Vorurteile über Homosexuelle noch nicht abgelegt haben und auch historisch war die Akzeptanz von Homosexuellen in der sozialistischen und kommunistischen Bewegung ein längerer Prozess.

Die Sowjetunion war nicht nur der erste sozialistische Staat der Welt, sondern 1921 auch der erste Staat, der Homo- und Transsexualität entkriminalisierte. Trotzdem bestanden in der Bevölkerung und sogar in Teilen der kommunistischen Partei weiterhin Vorurteile gegen Homosexuelle. Mit dem Stalinismus wurden viele Errungenschaften der Oktoberrevolution zurückgenommen, darunter die Rätedemokratie, die Frauenemanzipation, die Rechte von nationalen Minderheiten und 1934 wurde auch Homosexualität wieder illegalisiert.

Von den stalinistischen Satellitenstaaten, die nach dem zweiten Weltkrieg in der sowjetischen Einflusssphäre entstanden, wurden diese Regelungen übernommen, auch wenn es hier große Unterschiede gab; Ungarn und die Tschechoslowakei legalisierten Homosexualität bereits 1961, also vor den meisten westlichen Staaten, während sie in Rumänien über die kapitalistische Restauration bis 1999 illegal blieb.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war Homosexualität kein beherrschendes Thema in den sozialistischen und kommunistischen Bewegungen, auch wenn sie vielerorts ein Ende der Verfolgung forderten. Homosexuelle bildeten keine eigenen Organisationen, sondern höchstens Vereine, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden - anders als z.B. die sozialistischen Frauenbewegungen, die ihren Mutterorganisationen ihren Stempel aufdrückten, gesellschaftliche Kämpfe organisiert führten und oft auch gewannen.

Das änderte sich erst in den späten 60er Jahren. Als Meilenstein gelten die Stonewall Riots 1969 in New York, bei denen Homo- und Transsexuelle sich gegen die Schikane, Kriminalisierung und Gewalt durch die Polizei wehrten. In der Folge bildeten sich erste homosexuelle Massenbewegungen, die oft ein sozialistisches Selbstverständnis hatten, in den USA etwa die Gay Liberation Front.

Diese Gruppen verstanden die Unterdrückung von Homosexuellen als eine Facette des kapitalistischen Systems und suchten den Anschluss an revolutionäre sozialistische, kommunistische und antirassistische Organisationen. Gleichzeitig nahmen linke Bewegungen die Forderungen der Homosexuellen in ihr Programm auf. Diese Kämpfe in den 60er und 70er Jahren, und nicht etwa das Wohlwollen der Herrschenden oder ein veränderter Zeitgeist, bewirkten dann auch Zugeständnisse von Regierungsseite, etwa die Entkriminalisierung der Homosexualität in Westdeutschland 1968.

Die revolutionären Bewegungen der 60er und 70er Jahre ebbten schließlich ab, spalteten sich auf oder wurden teilweise in die akademische Welt und die kapitalistische Gesellschaft integriert. Heute ist ein sozialistisches Verständnis bei homosexuellen Gruppen oder Individuen keine Selbstverständlichkeit mehr.

Die vorherrschende Strategie des Kapitalismus heute ist die des Pink- oder Rainbowashings - es wird mit hohlen Floskeln für Toleranz geworben, um Produkte an die LGBT-Szene vermarkten zu können und um die unterdrückerische Natur des Kapitalismus zu verschleiern. Diese Strategie wird auch in anderen Bereichen von linksliberalen Parteien wie der SPD und den Grünen gefahren, so geben sie sich z.B. in Worten antirassistisch, ohne etwas an den realen Missständen zu ändern - stattdessen wirken sie sogar an deren Verschärfung mit, wie etwa mit der neuesten Asylrechtsreform in der EU. In anderen Punkten werden unterdrückte Gruppen gegeneinander ausgespielt, etwa Homosexuelle gegen Transsexuelle, um ihr gemeinsames Vorgehen und ihre Radikalisierung zu verhindern.


Wenn man Homosexuelle toleriert bzw. sich für sie einsetzt, dann ist man politisch gesehen “links”, weil man ja dafür ist, dass jede Person gleich behandelt wird, oder?

Nein. Die politische Ausrichtung lässt sich nicht anhand dieses Merkmals festmachen.

Können Kommunisten homophob sein?

Jeder Mensch kann homophop sein, wir sind zu individuell als das wir alle in dieselbe Schublade passen.


Pontedadige 
Fragesteller
 19.06.2023, 23:22

Wie definierst du dann links/rechts?

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Links ist nicht automatisch modern und fortschritt. In Deutschland ja aber nicht auf der Welt.

Als Beispiel Nordkorea.

Links kann auch Nationalistisch sein. Rechts kann Progressiv sein je nach Land.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Meine Pronomen sind: she/her

Nad9675  20.06.2023, 06:36

Kommunismus ≠ Links

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Ja, sie wurden teilweise als "Konterrevolutionäre" angesehen. Politiker unserer Linkspartei sind nicht homophob, aber es gab wohl genügend Homophobie in der sozialistischen Geschichte. Im sozialistischen Weltbild sind ja erst einmal alle gleich, nur der Kapitalismus würde dies verhindern. Es ist kaum verwunderlich, dass die Marxisten getötet haben:

Die Doktrin wurde zu einer verbrechenerzeugenden Ideologie, einfach weil sie eine Grundgegebenheit leugnete: die Einheit dessen, was Robert Antelme "das Menschengeschlecht" oder was die Präambel der Menschenrechtserklärung von 1948 die "menschliche Familie" nennt. Wurzelte der Marxismus-Leninismus vielleicht weniger in Marx als in einem verfehlten Darwinismus, der sich der sozialen Frage zuwendet und dabei auf die gleichen Irrwege gerät wie in der rassischen Frage? Eins ist sicher: Das Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist Ergebnis einer Ideologie, die den Menschen und die Menschheit auf einen nicht universalen, sondern speziellen - biologisch-rassischen oder sozio-historischen - Zustand reduziert. Auch hier gelang es den Kommunisten mit einem Propagandatrick, ihren Ansatz als einen universalen, die ganze Menschheit berücksichtigenden darzustellen. Häufig sah man sogar einen grundlegenden Unterschied zwischen Nationalsozialismus und Kommunismus darin, daß ersterer speziell sei - extrem nationalistisch und rassistisch -, während das leninistische Projekt universalistisch gewesen sei. Nichts könnte falscher sein: Lenin und seine Nachfolger schlossen den Kapitalisten, den Bourgeois, den Konterrevolutionär usw. eindeutig von der Menschheit aus. Die aus dem soziologischen oder politischen Diskurs geläufigen Begriffe nahmen sie auf und machten daraus absolute Feindbilder. Wie Kautsky 1918 sagte, handelt es sich dabei um kautschukartig dehnbare Begriffe, die dazu berechtigen, aus der Menschheit auszugrenzen, wen, wann und wie man will, und die direkt zum Verbrechen gegen die Menschlichkeit führen.

Quelle: Das Schwarzbuch des Kommunismus, Sonderausgabe 2004, 2. Auflage 2004, Seite 821 (das Kapitel ist von Stephane Courtois)