Kann Rache ethisch sein?

8 Antworten

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Ja. Viele Leute denken bei „Rache“ immer gleich daran, jemanden umzubringen oder dergleichen mehr. Das ist aber gar nicht unbedingt so. Rache bedeutet erst einmal, für jemanden, der sich etwa einen ungerechten Vorteil verschafft hat, gleichsam künstlich einen Nachteil zu schaffen.

Das kann auch etwa darin bestehen, dass man den Betreffenden bloßstellt, etwa als Raffzahn, als der er keinesfalls gelten will.

Im Wikipedia - Artikel steht, dass Rache das Gewaltmonopol des Staates verneine, und räumt dabei ein, dass es Gesellschaften gibt, in denen es rechtsstaatliche Institutionen nicht gibt, wo also Rache eine Frage des Überlebens sein kann. Der Artikel beantwortet die Frage also grundsätzlich mit „ja“, denn die lautet ja nicht, on Rache ethisch sei, sondern ob sie es sein könne.

Ich möchte hinzufügen, dass auch der Rechtsstaat gar nicht immer greift, weil manche Gemeinheiten gar nicht justiziabel oder aufgrund einer Gesetzeslücke legal sind.

Dabei möchte ich daran erinnern, dass noch vor Kurzem selbst eine Vergewaltigung straffrei sein konnte, wenn sich das Opfer - etwa aus Angst vor dem Täter - nicht gewehrt hatte. Dass der damit durch kommt und selbst keine negativen Folgen zu spüren bekommt, ist natürlich unerträglich. Einen Racheakt wie die Zerstörung von etwas, an dem er hängt, müsste man sicherlich aus generalpräventiven Gründen bestrafen, aber das Verhalten des Betreffenden sollte man, wenn es das Motiv ist, mildernd berücksichtigen.

Oder, wenn sich eine Heiratsschwindlerin speziell ihn als Opfer aussuchen und ihn bis auf's Hemd ausziehen würde, wäre ihr Verhalten zwar grundsätzlich unmoralisch, die Wahl ihres Opfers jedoch nicht.


Derrenfer 
Beitragsersteller
 28.03.2017, 23:56

hmhm ja ich wunder mich auch, wieso so viele bei Rache unmittelbar an Mord und Todschlag denken. Das hatte ich bei der Frage auch nicht vor Augen, eher sowas wie Bloßstellen.

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Nein. 

Wikipedia sagt es doch ganz gut: 

Im gegenwärtigen deutschsprachigen Raum wird Rache als ein emotional gesteuerter Akt angesehen, der der Rechtsordnung widerspricht, wenn er das Gewaltmonopol des Staates verneint. In der archaischen Gesellschaft wurde dagegen die Rache als ein rechtmäßiges Mittel angesehen, den sozialen Frieden wiederherzustellen.

Mit Rache ist fast immer ein unkontrolliertes Gefühl verbunden. Rationales Denken ist ausgeschaltet. Rachegefühle hat z. B. ein Vater, dessen Kind umgebracht wird. Er wird von "Rachegelüsten" überschwemmt und würde im Affekt am liebsten losrennen und den Täter töten, womöglich qualvoll. 

Das alles ist eine primitive Form der Konfliktregelung, eine "Notlösung", aus der allerdings neue, noch zerstörerische Konflikte erwachsen. Rache gehört zu einer primitiven, archaischen Gesellschaft, wo es keinen funktionierenden Rechtsstaat gibt. 

In dem Moment, wo ein Rechtsstaat gegründet ist und die Konflikte regelt, ist Rache unmoralisch. 


Derrenfer 
Beitragsersteller
 28.03.2017, 07:12

Kann man nicht auch kalkuliert Rache üben? Also Gleiches mit Gleichem vergelten? Und wieso denkst du, dass Recht und Moral hier ineinsfallen? Kann ein Rechtsstaat per se nicht unmoralisch handeln, obwohl es die Bundesrepublik ständig vormacht?

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Derrenfer 
Beitragsersteller
 28.03.2017, 07:15

Nietzsche schrieb dazu übrigens:

" Wenn man sich an einem Gegner durchaus rächen will, so soll man so lange warten, bis man die ganze Hand voll Wahrheiten und Gerechtigkeiten hat und sie gegen ihn ausspielen kann, mit Gelassenheit: sodass Rache üben mit Gerechtigkeit üben zusammmenfällt."

Daher die Frage.

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SlowPhil  28.03.2017, 08:05

Der Wikipedia - Artikel sagt nicht ausdrücklich „nein“, denn er räumt ja ein, dass es nicht überall funktionierende rechtsstaatliche Strukturen gibt. Dennoch würde ich dem widersprechen, dass Rache generell das Gewaltmonopol des Staates verneine. Manche Gemeinheiten sind nicht justiziabel, und z.B. zu arrangieren, dass derjenige, der sie begangen hat, sich selbst unabsichtlich bloßzustellen, ist auch ein Racheakt und ebenfalls oft nicht justiziabel.

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Rache ethisch? Hmm - der offizielle Weg über einen Richterspruch würde bei komplex gelagerten Fällen diverse Hintergründe für die ursprüngliche Tat einbeziehen und das Urteil die Vergeltung bringen. Dieser Schritt würde bei direkter Rache entfallen.

Es fühlt sich für einen Geschädigten sicher besser an, direkt Rache üben zu können - auch wenn er schlimmstenfalls eine Strafe dafür bekommt, das ist ihm die Sache wert. Für ihn ist Rache ethisch.

Als 'Zuschauer' kann ich den Wunsch nach Rache oft nachempfinden, gerade wenn es um Mißbrauch Schwächerer durch Stärkere geht. Es könnte nur schwierig werden, ein gesundes Maß an Rache zu finden, gerade wenn solche Gefühle im Spiel sind.


Derrenfer 
Beitragsersteller
 28.03.2017, 23:56

Fallen ethisch und rechtlich für dich zusammen?

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Spielwiesen  29.03.2017, 00:18
@Derrenfer

Nein, das kann ja nicht sein. Aber ich wünsche mir oft die Möglichkeit, Rache zu üben, weil es ethisch vertretbar wäre und nur so seine Wirkung auf den Täter hätte.

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Hi Derrenfer.

Um die Frage zu beantworten, muss man sich die Definition von Rache und Ethik genauer anschauen.

Rache ist dabei eine Handlung, die erlittenes Unrecht ausgleichen soll.

Ethik ist die Lehre von Fairness und Unfairness.

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Das Problem mit Rache ist die Subjektivität.

Generell sehe ich "Gleiches mit Gleichem" per Definition als fair an, da ein Ausgleich nur fair sein kann.

Aber gesellschaftlich würde Gleiches mit Gleichem zu einem totalen Chaos führen, die Menschlichkeit würde verloren gehen.

Somit ist Fairness auf der einen Seite gesellschaftlich positiv,  andererseits jedoch auch negativ.

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Nun zur Fairness.

Fair ist das, was keinen benachteiligt.

Und hier grenzt sich die Ethik von der Moral ab:
Moral unterscheidet zwischen Gut und Böse, und das ist wohl mehr als subjektiv.

Ethik muss mit allen Blickwinkeln zusammenwirken.

Und Rache benachteiligt immer jemanden, auch  wenn die Person davor dasselbe getan hat.

Also ist Rache allerhöchstens moralisch, aber höchst unethisch.

LG.

Die Begriffe werden oft synonym verwendet. Rache ist meines Erachtens nur unter Gleichen moralisch. Ein anderes Wort für Moral ist Integrität. Integrität bedeutet "wie ich mit anderen umgehe, erlaube ich auch anderen mich zu behandeln". Wenn Eltern von ihren Kindern verlangen "raucht nicht" obwohl sie selber rauchen, so ist Rache (Erziehungsstrafe) unmoralisch (Doppelmoral), sie ist stattdessen hierarchisch.

Wenn ein Freund den anderen beklaut und der andere Freund sich durch einen etwa gleichwertigen Diebstahl rächt, so ist Rache moralisch vertretbar und Gerechtigkeit.

In der christlichen Moral gilt Rache jedoch als Schwäche, denn solange wie man sich nicht gerächt hat hat der subjektiv Unrechte die Möglichkeit sein getanes Handeln zu überdenken und kann aktive Wiedergutmachung anstreben (Annäherung, Harmonie, soziale Steigerung), Rache hingegen spaltet sozial.

Wer leiden kann statt sich zu rächen gilt darüberhinaus moralisch als überlegen, doch die Leidensfähigkeit speist sich aus der Summe der Glückseligkeit (Selbstzufriedenheit, Unabhängigkeit von Material und mitmenschen) mit der man zuvor aufgeladen ist. Dann muss noch gesagt werden, dass Rache auch Zwang und Pflicht sein kann, deren Unterlassung unmoralisch ist (Ungehorsam in der Erziehung wird von Eltern gerächt oder die Kinder lernen "ich darf alles"

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung