Kann mir jemand das Kugelwolkenmodell (Chemie) erklären?

3 Antworten

Hi,

aber, aber, das ist doch gar nicht so schwer... Es gibt ein paar Annahmen und ein paar Regeln und schon ist alles im Kasten. Ich versuche es mal möglichst anschaulich zu erklären. Fangen wir von vorne an:

Sicherlich weißt du, dass ein Atom aus einem Kern und einer Elektronenhülle besteht. Der Atomkern ist winzig klein, stellt aber im Grunde die gesamte Masse eines Atoms dar (Elektronen haben eine so geringe Masse im Vergleich mit dem Kern, dass man sie in der Regel vernachlässigen kann). Im Kern findest du die positiv geladenen Protonen und die ungeladenen Neutronen (die quasi den "Klebstoff" für die gleich geladenenen Protonen darstellen, die sich sonst voneinander abstoßen würden.

Die Hülle ist im Vergleich zum Kern riesig groß. In der Hülle findest du die negativ geladenen Elektronen. In anderen Atommodellen geht man davon aus, dass sich die Elektronen auf bestimmten Bahnen um den Kern bewegen ähnlich wie Planeten um die Sonne (Rutherfordsches oder auch Sommerfeldsches Atommodell). Dabei halten sich Anziehungskraft und Fliehkraft die Waage. Da aber bewegte Ladung immer Energie abstrahlt, müssten die Elektronen auf ihrer Kreisbahn das auch tun, dadurch immer langsamer werden und somit näher an den Kern rücken, bis sie schließlich in den Kern stürzen. Weil das aber offensichtlich nicht passiert, hat Niels Bohr vorgeschlagen, dass es ganz bestimmte festgelegte (so genannte "erlaubte") Bahnen geben sollte, auf denen sich die Elektronen strahlungsfrei um den Kern bewegen dürfen (Bohrsches Atommodell). Das widerspricht allen bekannten Naturphänomenen und ist in gewisser Weise lächerlich. Aber weil es ein relativ anschauliches Modell war und Bohr vor allem mit dieser Annahme die Spektrallinien des Wasserstoffs ganz exakt berechnen und vorhersagen konnte, setzte sich das Modell doch irgendwie durch. Aber dann erkannte man andere Eigenschaften der Elektronen (Stichwort: Teilchen-Welle-Dualismus) und kam zu dem Schluss, dass es in der Atomhülle keine Bahnen, sondern vielmehr Energiezustände von Elektronen gibt, und so entwickelte man das Quantenmechanische Orbitalmodell. Aber das Orbtalmodell ist ziemlich kompliziert und stellt einige Ansprüche an das abstrakte Vorstellungsvermögen. Deshalb hat der Amerikaner G. Kimball um 1960 herum eine vereinfachte Version des Orbitalmodells entwickelt, mit dessen Hilfe man vor allem die Molekülgeometrien verschiedener Verbindungen sehr anschaulich erklären kann. Dieses Modell nennt man auch Kugelwolkenmodell. Aber bevor wir uns dem Modell selbst zuwenden, brauchst du noch ein paar grundlegende Informationen:

1) Elektronen haben einen Spin. Das bedeutet, dass sich Elektronen um sich selbst drehen. Dabei gibt es nur zwei Drehrichtungen. Sie können sich rechtsherum oder linksherum um sich selbst drehen. In der Symbolsprache des Modells zeichnet man dafür Pfeile, die nach oben oder nach unten zeigen.

2) In der Hülle gibt es verschiedene Energiezustände (oder wenn du so willst Aufenthaltsräume). Man bezeichnet sie als "Hauptenergieniveaus" (HEN). Je näher ein HEN am Atomkern liegt, desto energetisch günstiger ist es.

So, jetzt kommen wir aber zum Kugelwolkenmodell. Auch hier gibt es ein paar Regeln:

1) Elektronen befinden sich in bestimmten Räumen in der Atomhülle. Diese Räume bezeichnet man als Kugelwolken (KW).

2) In jede Kugelwolke passen maximal zwei Elektronen, die dann entgegengesetzten Spin haben müssen.

3) Das 1. HEN ist eine einzige KW um den Atomkern. Hier passen maximal zwei Elektronen mit entgegengesetztem Spin hinein. Alle folgenden HENs haben dann jeweils 4 KWn.

4) Energieregel: HENs müssen immer von innen nach außen aufgefüllt werden, das heißt, das 2. HEN darf erst mit Elektronen besetzt werden, wenn das 1. HEN voll gefüllt ist.

5) Spinregel: Alle KWn müssen zuerst einfach mit einem Elektron mit dem gleichen Spin besetzt werden, bevor ein zweites Elektron mit entgegengesetztem Spin dazu gesetzt werden darf. Das heißt, die KW eines HENs müssen zunächst alle einfach besetzt werden.

6) Entfernungsregel: Da die KWn mit Elektronen besetzt sind, stoßen sie sich voneinander ab, das heißt, du musst sie immer so zeichnen, dass sie maximal weit voneinander entfernt sind.

Besetzung der KWn...

Wasserstoffatome haben nur ein Elektron. Das kommt entsprechend ins 1. HEN.

Heliumatome haben zwei Elektronen. Sie kommen beide ins 1. HEN (Energieregel) und haben daher entgegengesetzten Spin.

Lithiumatome haben drei Elektronen. Da das 1. HEN mit zwei Elektronen bereits völlig gefüllt ist, muss das dritte Elektron in eine KW des 2. HEN. Es gibt also ein komplett gefülltes 1. HEN und ein 2. HEN, in dem nur ein Elektron vorhanden ist.

Berylliumatome haben vier Elektronen. Zwei davon kommen ins 1. HEN, die beiden anderen in 2. HEN. Aber es dürfen nicht beide Elektronen in die gleiche KW, solange noch freie KWn zur Verfügung stehen. Das zweite Elektron des 2. HENs kommt also mit dem gleichen Spin wie das erste in eine zweite KW (Spinregel); diese zweite KW liegt der ersten KW genau gegenüber (maximal entfernt; Entfernungsregel).

Boratome haben fünf Elektronen. Zwei im 1. HEN, drei im 2. HEN. Auch hier darf das neu hinzugekommene Elektron nicht in eine der beiden bereits vorhandenen KWn, weil es noch freie gibt. Es kommt mit dem gleichen Spin wie die beiden anderen im ". HEN in eine dritte KW. Die drei KWn sind dann wie ein gleichseitiges Dreieck um das 1. HEN angeordnet (trigonal-planar).

Kohlenstoffatome haben insgesamt sechs Elektronen. Zwei im 1. HEN, vier im 2. HEN. Die vier Elektronen verteilen sich auf vier KWn und haben alle den gleichen Spin. Die vier KWn sind tetraedrisch (räumlich) um das 1. HEN angeordnet.

Stickstoffatome haben sieben Elektronen; zwei im 1. HEN, fünf im 2. HEN. Da nun alle vier KWn des 2. HEN bereits einfach besetzt sind, bleibt nichts weiter übrig, als das fünfte Elektron in eine bereits vorhandene KW zu geben. Dabei muss es einen entgegengesetzten Spin haben.

Und so geht es weiter. Ich hoffe, ich konnte dir helfen. Wenn du noch Fragen hast, stelle sie. Habt ihr auch schon Verbindungen mit dem KWM angeschaut (z.B. warum Wassermoleküle gewinkelt gebaut sind oder sowas)? Wenn ja und du dazu noch Fragen hast, stelle sie. Ich werde mich bemühen, auch diese zu beantworten.

LG von der Waterkant.