Kann man die Physik, vor allem die Quantenphysik überhaupt verstehen?
Hey,
Ich studiere grad Elektrotechnik im ersten Semester und habe selbständig zur Vorbereitung angefangen mir unter anderem Physikalische Prozesse zu erklären.
In anderen Naturwissenschaftlichen Fächern, wie Biologie hat es mir sehr geholfen mit Wikipedia mir komplexe Sachen zu erklären. Doch bei der Quantenphysik wird mir erst klar wie wenig man überhaupt weiß. Denn in der Biologie war es nie notwendig zu verstehen, weshalb sich positive und negative Teilchen anziehen. Deshalb ist mir bewusst, dass man selbst die Biologie oder Chemie nicht wirklich verstehen kann, wenn man nicht weshalb die Teilchen so funktionieren.
Ich habe mich bereits informiert und festgestellt, dass viele Physiker unter anderem Albert Einstein die Quantenphysik nicht wirklich "verstanden" hat, wenn man es so sagen kann.
Irgendwie habe ich dadurch so ein komisches Gefühl. Weil auf einmal wirken mir so viele Sachen die ich als selbstverständlich wahrgenommen habe, gar nicht mehr so selbstverständlich und ich merke eigentlich umso mehr, je mehr ich mich mit dem Thema befasse, dass ich eigentlich fast gar nichts wirklich "verstehe":
Des weiteren ist es auch ein komisches Gefühl zu wissen, ein Fach zu studieren, obwohl man weiß dass man dieses Fach nie so wirklich verstehen kann und es mehr so ist, dass man vieles anscheinend einfach hinnehmen muss.
Habt ihr irgendwelche Tipps für mich wie mir das Lernen trotzdem Spaß machen kann, auch wenn ich dieses komische Gefühl habe?
7 Antworten
Physik ist keine Religion, die statisch, "fertig" ist, sondern ein stetes Voranschreiten des Wissens. Physik ist nicht "fertig", sondern der dynamische Weg, immer bessere Modelle der "Wirklichkeit" zu schaffen.
Wenn Publikationen den Eindruck erwecken, man wisse alles, ist das schlicht falsch.
Man kann auf die dafür typische Art mit der Quantentheorie gut rechnen, in gewisser Weise Voraussagen machen, aber bildlich verstehen - das wird (noch...) nichts.
Viele Dinge sind noch lange nicht fertig, eine einheitliche Theorie, die sog. "Weltformel" ist noch längst nicht fertig.
Siehe Dein "komisches Gefühl" doch als Ansporn an, selber nachzudenken, nun erst recht zu studieren, mit dem Wissen, da kann man selber noch viel dazu tun, Dinge verständlicher, vorhersagbarer, ... zu machen.
Während des Studiums kommen Dir vielleicht Ideen, Gedanken, dieses "unvollkommene" Wissen zu erweitern!
gar nicht mehr so selbstverständlich
das macht wirkliche Forschung aus: immer bereit sein, durch eine Falltür aus der Komfortzone zu fallen in eine größere Welt, in der die Komfortzone nur eine kleine Nische war.
Zu meiner Studienzeit war das meiste noch papiergestützt, Bücher, Skripte, ... Ein Kommilitone sagte einmal: Sieben mal kopieren, einmal kapieren. Das hat für mich die Sache damals gut zusammengefasst: Erst musst Du damit vertraut werden, dann wirst Du ein immer stärkeres Verständnis entwickeln.
Verschiedene Aussagen dazu, wer überhaupt in der Lage sei, QM zu verstehen, würde ich der historischen Entwicklung und auch einer gewissen Koketterie zuschreiben. Generell kann sich der menschliche Geist in vieles hineinarbeiten und eine Vorstellung und damit auch ein Verständnis dafür entwickeln. (Und es bringt auch nicht, den armen Albert Einstein wieder irgendwelche Aussagen in den Mund zu legen oder ihn bei seinen Aussagen misszuverstehen.)
Es gibt leider viele pseudo-populärwissenschaftliche Formate zum Thema Quantenmechanik, die teilweise haarsträubend falsche Vereinfachungen verwenden, s. d. hier viel "Fehlmeinung" unterwegs ist. Aber auch populärwissenschaftlich-sauber Aufarbeitungen (bspw. bei Lesch & Co.) mögen zu einem Studium wie ein Kinderbuch zum Brockhaus verhalten. Allenfalls ein erster Ansatz ...
"Ein gutes Buch" ist also mal wieder der Rat der Stunde, aber da würde ich sagen, gehe doch mal in die Uni-Bibliothek und schmökere Dich durch. Oder ein Studi-Buchladen. Meinem Arbeitskollegen im Studium haben so ganz andere Darstellungen gelegen als mir, s. d. ich keinen generellen Rat geben mag.
Und die Uni-Bibliothek sollte ja auch eine Lehrbuchsammlung haben und überhaupt kriegst Du da die Bücher ja "für lau" zum Durcharbeiten.
P. S.: Ich würde es als "normal" ansehen, wenn besonders "heftiger" Stoff erst mit einigen Wochen oder Monaten Verzögerung verstanden wird.
Die Quantenphysik kann man durchaus verstehen.
In meinen Augen ist sie sogar ein besonders gut verständlicher Teil der Physik.
Dass Richard Feynman da anderer Meinung war, liegt wohl daran, dass er sich — obgleich Miterfinder der Quantenfeldtheorie — im Grunde seines Herzens zum Teilchenmodell bekannt hat ("I am a particle guy" schreibt er in einem seiner Bücher).
Heute weiß man: Wer die Quantenphysik verstehen will, muss eingesehen haben "There are no particles, there are only fields" (gemeint ist: Die unteilbaren "Teilchen" der Quantenphysik sind durch harmonische Anregungen eines Potentialfeldes gegebene, stets nur als Ganzes weitergebbare Portionen von Energie: sog. QuBits).
Es hat Jahrzehnte gedauert, bis (wenigstens fast alle) Physiker das verinnerlicht hatten: https://arxiv.org/abs/1204.4616
Verstehen kann man sie nicht, aber man kann sich daran gewöhnen.
Man kann dann sogar etwas ausrechnen, was in sehr guter Übereinstimmung mit der Natur steht - ohne den Anspruch zu erheben, es komplett verstanden zu haben.
Das ist unbefriedigend, aber damit haben schon ganz andere Geistesgrößen gehadert, ohne letztlich etwas daran ändern zu können.