Kann man auch mit 22 erst Diagnose Autismus bekommen?

6 Antworten

Du kannst sogar erst mit 80 diagnostiziert werden. Oder früher als 22. In so gut wie jedem Alter besteht die Möglichkeit, diagnostiziert zu werden. Auch wenn es Altersklassen gibt, die häufiger vertreten sind (z.B. eben im Kindesalter, oder aber auch erst in den 30ern oder 40ern o.Ä, meistens bei Autisten, die all die Jahre erfolgreich gemasked haben). Aber schlussendlich kommt das auch stark auf das Umfeld an, wie man aufwuchs, in was für einer Zeit.

Höre oft das es schon im Kinderalter Diagnostiziert wird

Das kann passieren, ja. Bei mir wurde es mit 9/10 diagnostiziert. Doch das ist nicht bei allen so. Vieles kann einen davon abhalten, (früher) diagnostiziert zu werden.

Zu dem Rest würde ich sagen, dass du nach einem Neurologen oder wahlweise auch Psychiater mit Fachrichtung Autismus - sehr wichtig! - suchen solltest. Du solltest dich jedoch auf sehr lange Wartezeiten einstellen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin diagnostizierte Autistin (Keine Selbstdiagnose)👽

Ja, natürlich. Manchmal sogar auch noch wesentlich später.

Ich kenne einige Autisten, die ihre Diagnose erst im Erwachsenenalter bekommen haben. Eine erst mit Mitte 30.

Eine Stelle für eine Diagnostik zu finden kann aber schwierig sein. Viele Kliniken haben lange Wartezeiten oder nehmen gar niemanden mehr auf. Da heißt es: Dran bleiben!

Der Zeitpunkt der Diagnose hängt von der Fähigkeit der behandelnden Ärzte und der Zuführung/den Kontaktmöglichkeiten zum Hilfesystem ab.

ABER: Nach ICD 10 ist Autismus eine tiefgreifende Entwicklungsstörung (egal welche Form) und der Beginn der Symptome muss daher in der Kindheit liegen. DIe ICD 10 ist im deutschen Sozialversicherungssystem in einer eigenen, jährlich fortgeschriebenen deutschen Version (ICD 10 GM 2024) gesetzlich vorgeschrieben zu verwenden.

DIe neue ICD 11 (eigentlich gültig seit 1.1.2022, in D aber nocht nicht eingeführt und seit Corona auch ohne Fahrplan zur Umstellung) gibt zwar viele der ausschließenden Kriterien auf und die verschiedenen Formen (Asperger, frühkindlicher Autismus etc.) werden nicht mehr unterschieden sondern nur noch die Auswirkungen in ihrer Funktionalität beschrieben. Aber trotzdem sollte der Beginn der Auffälligkeiten in der frühen Kindheit liegen. Die ICD 11 ermöglicht auch für sog. subsyndromale (leichtere Formen) Ausprägungen diese Diagnosekategorie zu wählen. Vermutlich wird das die Häufigkeit der Diagnose und den damit begründeten Hilfebedarf deutlich erweitern.

In der ICD 11 wechselt der Autismus auch die Kategoriegruppe (jetzt "Mentale-, Verhaltens- oder Neuronale Entwicklungsstörungen") und wird nun mit ADS/ADHS in einer Diagnosegruppe geführt. Die kausale Ursache wird also zunehmend bedeutungslos. Die ICD 11 nähert sich damit dem amerikanischen DSM 5-System wieder deutlich an, dass schon früher die Untergruppendifferenzierung aufgegeben hatte und grundsätzlich nur funktionale (verschiedene Achsen) und kaum kausalen Zuschreibungen kennt.

Und um auf deine Frage einzugehen: Da die rein symptomatische Beschreibung ohne Hierachie und ohne Ausschlusskriterien immer mehr an Genauigkeit und Aussagekraft verliert, kann eben auch die Diagnosestellung (zumind. nach ICD 11 und DSM 5) im höheren Alter erfolgen. Außer Acht bleibt dabei, dass autistische Züge oder autistische Symptome bei sehr vielen anderen "Krankheiten" (Entschuldigung natürlich "Störungen") vorkommen, aber mangels Ausschlusskriterien dann auch die Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert werden kann, wenn nur genügend Symptome auf der Checkliste abgehakt werden können. Dass dann aber was ganz anderes vorliegt, spielt erstmal gar keine Rolle mehr, so lange sich Diagnostiker, Therapeut und Patient mit der Diagnose Autismus-Spektrum-Störung wohl fühlen.

Möglich ist bei so viel Beliebigkeit heute so viel - meine Überzeugung ist aber, dass das wenig sinnvoll ist. Diagnosen sollten der Erkenntnis von Krankheitsursachen und der Auswahl der passenden Therapien dienen und nicht der Verschleierung und dem Wohlbefinden von Therapeuten oder Patienten in erster Linie. Naja - und dazu sind die Diagnosen heute immer weniger in der Lage - ist jedenfalls mein Eindruck.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

BabySharkSam 
Beitragsersteller
 19.08.2024, 13:15

Ich weiß was die Autismuse sind und was Icd ist und ja hatte schon damals viele Symptome davon von Autismus

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verstehdichgut  19.08.2024, 13:28
@BabySharkSam

wenn es seit der frühen Kindheit Auffälligkeiten gibt, dann kann das auch noch mit 22 erst richtig zugeordnet werden. Aber wenn es plötzlich in Erscheinung tritt, würde ich wirklich primär eine andere Störung vermuten. Die Auswahl ist leider groß.

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Das geht sogar noch wesentlich später als mit 22.

Besonders dann, wenn du in einer Zeit geboren wurdest, in der das Thema Autismus noch lange nicht so präsent war - wenn überhaupt - wie heutzutage.

Da warste als Kind und Jugendlicher halt entweder schlecht erzogen oder ein schräger Typ.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – ASS-Diagnose mit 50 / über 20 Jahren im Thema

Je älter man ist, (und je weiblicher) umso unwahrscheinlicher ist es, dass man noch eine vernünftige Diagnose bekommen kann.

Aber ja, es ist natürlich nicht unmöglich und sehr viele, gerade eben Frauen, sind einfach ihr ganzes bisheriges Leben durchs Raster gefallen. Es fällt den meisten Frauen eben leichter, nicht aufzufallen und sogar vor sich selbst diverse Symptome zu verstecken bzw erkennt man es selbst gar nicht da man ja immer schon so war.