Kann jeder mit Fleiß ein Physikstudium schaffen?

3 Antworten

Die Ursache der Schwierigkeit, die Du beschreibst, scheint mir die zu sein, daß der Lehrstoff in Teilgebiete zerstückelt präsentiert wird, noch bevor die Studierenden soweit sind, die Zusammenhänge zu sehen. Im Schulunterricht wird ja der gleiche Fehler gemacht.

Fleißiges Arbeiten ist nur eine Methode, um die Lücken zwischen den Wissensbruchstücken zu schließen. Fleiß allein bringt aber die Gefahr mit sich, daß man einsam leidet, sich in Details verrennt und mehr Überblick verliert als man hinzugewinnt.

Ich empfehle Kommunikation. Sprich mit anderen über Physik. Das kann gemeinsames Lernen sein, aber auch lockere kreative Unterhaltung.

Vor allem aber: Stelle Fragen. Das kannst Du auch hier tun, aber unbedingt solltest Du es an der Uni tun. Frag die Mitstudent(inn)en und frag die Lehrkräfte. Es ist ihr Job, Dir Auskunft zu geben und wir bezahlen sie dafür. Falls Du Dich scheust, zu fragen, überwinde die Scheu und ermutige auch die anderen, es ebenso zu tun.

Und hilf anderen, die Sachen zu verstehen, die Dir leicht fallen. Du lernst dabei auch selbst dazu, denn die Fragen öffnen immer neue Perspektiven auf die Dinge.

Ein gutes Buch ist: Uni-Angst und Uni-Bluff heute von Wolf Wagner.

https://www.rotbuch.de/buch/sku/61669/uni-angst-und-uni-bluff-heute.html

Auch wenn sie ursprünglich für Leute geschrieben wurde, die sich vor Mathematik fürchten, ist die Learning Bill of Rights auch auf Deine Situation übertragbar:

The Learning Bill of Rights

  • I have the right to learn at my own pace and not feel put down or stupid if I’m slower than someone else.
  • I have the right to ask whatever questions I have.
  • I have the right to need extra help.
  • I have the right to ask a teacher or tutor for help.
  • I have the right to say I don’t understand.
  • I have the right not to understand.
  • I have the right to feel good about myself regardless of my abilities in a particular subject.
  • I have the right not to base my self-worth on my skills in a perticular subject.
  • I have the right to view myself as capable of learning any subject.
  • I have the right to evaluate my instructors and my textbooks.
  • I have the right to relax.
  • I have the right to be treated as a competent adult.
  • I have the right to dislike a subject.
  • I have the right to define success in my own terms.

Quelle: Sheila Tobias, Math anxiety and physics: Some thoughts on learning ‚difficult‘ subjects. Physics Today, June 1985, p. 61-68. Diese Bill of Rights ist unter verschiedenene Überschriften und in verschiedenen Textvarianten auch auf einigen Webseiten zu finden.

.... ich verstehe einfach nicht, wie das jetzt genau aussehen soll, ich habe kein Bild im Kopf, weiß nicht, was da gerade passiert und, und, und, … Ich habe das Gefühl, ich verstehe die Physik dahinter einfach nicht. ....

Das ist genau das, was einen Physiker ausmacht. Der unbändige Wunsch, dahinter zu kommen und es "zu verstehen". Was dabei herauskommt, kann man zum Beispiel bei Feynman sehen, der eine ganz eigene Art des "Verstehens" vorstellt.

Fleiß hilft immer. Wenn Fleiß bedeutet, sich andauernd, ausdauernd und immer wieder mit den Problemen zu beschäftigen. Das Studium hat den Vorteil, daß die meisten der erfolglosen Erklärungsversuche unterbleiben und somit viel Zeit gespart werden kann.

Und frage dich, ob die "Welt", die "Wirklichkeit" so sein kann, wie wir sie uns vorstellen.

Das Studium ist in der Tat eine ganz andere Hausnummer als die Schulmathematik. Ich hatte allerdings Physik nur als Nebenfach und damit keine theoretische Physik. Was mir für ein tieferes Verständnis der Physik sehr geholfen hat, waren die Feynman Lectures, eben weil es ihm immer darum geht, nicht nur die Formeln herzuleiten, sondern auch das Prinzip dahinter zu verstehen. Wenn Du diese Bücher noch nicht kennst, solltest Du Dir sie auf jeden Fall mal anschauen.