Kampfsport? Selbstverteidigungskurse? Nahkampfausbildung? Was hilft im Ernstfall?


22.07.2024, 23:52

PS: Ich weiß natürlich, dass der Kampf das absolut letzte Mittel sein sollte. Deeskalation und Flucht würde ich immer vorziehen.

4 Antworten

Du hast jetzt einige Antworten hier bekommen. Einige sind gut, aber wahrscheinlich weniger was du suchst und einige sind komplett nutzlos. Letzendlich musst du selbst entscheiden welche Antworten du dir zu Herzen nimmst. Ich sage vorab, dass ich seit meinem 5. Lebensjahr Kampfsport trainiere. Seit meinem 6. Lebensjahr bin ich Wettkampfsportler, und habe in insgesamt 3 Disziplinen viele hundert Wettkämpfe bestritten, mehrere nationale und internationale Titel errungen und im Alter von 17 Jahren einen erwachsenen Mann unschädlich gemacht, der mit einem Messer bewaffnet war und versuchte mir in den Hals zu stechen. Ob dir das als Qualifikation reicht um meine Empfehlungen ernst zu nehmen, musst du letztlich selbst entscheiden.

Ich beziehe mich jetzt mal auf reine Kampffähigkeiten:

Es gibt grundlegende Fähigkeiten beim Kämpfen, ohne die ein Kampf ein reines Glücksspiel ist. Jeder der ernsthaft in der Lage sein will zu kämpfen muss 3 Dinge können:

1. Ringen

2. Boxen

3. Mount Escape

Wenn du nicht Ringen kannst, kannst du dich nicht davor scjützen zu Boden gebracht zu werden. Wenn du nicht Boxen kannst, kannst du dich nicht davor schützen niedergeschlagen zu werden und wenn du keine Mount Escape beherrschst, hast du verloren sobald es jemand geschafft hat auf dir zu sitzen. Das heißt nicht das du jetzt zeitgleich in einem Ringer-, Box- und BJJ Verein angemeldet sein musst. Combat Sambo und MMA sind gute Beispiele für Disziplinen, die alles abdecken. Wenn du also relativ schnell effektiv kämpfen können willst, würde ich am ehesten dazu raten.

Selbstverteidigungskurse waren bisher immer recht kurz und ich habe das Gefühl, dass man mir eher versucht hat irgendwelche "Tricks" zu vermitteln anstelle von taktischen Fähigkeiten.

SV Kurse sind häufig Schrott. Das liegt aber einfach daran, dass Leute die diese anbieten, oftmals den Kampfsport nur auf irgendwelche Basics herunterbrechen um ein Gefühl von schnellem Lernerfolg zu vermitteln.

Und eine Nahkampfausbildung? Nun ja, ich weiß nicht ob es sowas für Zivilisten gibt. Bisher fand ich im Netz nur Treffer zur Bundeswehr oder zu Ausbildungsmöglichkeiten, wenn man vorher eine militärische Ausbildung abgeschlossen hat. 

Die militärische Nahkampfausbildung ist für Zivilisten nutzlos. Es liegt nicht dran das es dir als Zivilist verweigert wird weil du dort irgendwelche geheimen Techniken lernst, sondern schlichtweg das es dir nichts bringen würde. Kriege werden mit Maschienengewehren, Drohnen und Gleitbomben ausgetragen. Nahkampf ist in der modernen Kriegsführung quasi irrelevant und sehr zeitaufwendig zu erlernen. Soldaten bekommen dementsprechend nur absolute Basics beigebracht, da es schlichtweg unsinnig wäre sie mit großem Zeitaufwand in nutzlosen Fähigkeiten zu unterrichten. Von Zeit zu Zeit zauchen immer mal wieder Videos auf in drnen Navy Seals von Kampfsportlern durch den Ring geprügelt werden (siehe Yi Long oder Sean Strickland) und viele wundern sich darüber weil Hollywood uns das Bild vom Elitesoldaten als Kampfkunstmeister so erfolgreich verkauft hat. Gleiches gilt für Polizei, SEK, Fremdenlegion, Fallschirmjäger etc.

Der typische Kampfsport ist mir so sehr auf Wettkampf ausgelegt und du trainierst quasi nur nach dem Regelwerk. Und da draußen in der Stadt gibt es keine "Regeln"

DaS ist ein häufiger Denkfehler von Laien:

Du trainierst grundsätzlich IMMER nach Regeln. Auch in sogenannten SV Systemen trainierst du nach Regeln weil andernfalls die Verletzungsgefahr so hoch wäre das du die Techniken unmöglich effektiv trainieren könntest. Wettkampf ist der einzige richtige Pressure Test. Systeme die Wettkämpfe ablehnen, sind grundsätzlich nutzlos zum Kämpfen.

Außerdem bin ich nicht scharf darauf in das typische "McDojo" zu gehen, nur um verschiedenfarbige Gürtel zu sammeln oder Unsummen für Uniform, etc. auszugeben.

Nachvollziehbar. Aber diese Problematik betrifft MMA Klassen z.B. kaum.

Ich weiß nur, dass ich lernen möchte, mit solchen Situation umgehen zu können. D.h. einen kühlen Kopf bewahren, mich vom Adrenalin nicht in eine Starre versetzen zu lassen, im Ernstfall in der Lage zu sein, die Situation unter Kontrolle bringen zu können und meine Hemmschwelle überwinden, um keine Blockade in solchen Situationen zu haben.

ich kann nur empfehlen auf Turnieren zu kämpfen. Klar ist das kein Straßenkampf, aber es baut viel mehr Druck auf als Sparring und du lernst auch unter Druck handlungsfähig zu sein. Es ist eben ein Unterschied ob du mit deinem Kumpel locker kämpfst, im Verein um zu lernen oder gegen jemanden der wirklich gewinnen will vor hunderten Zuschauern.

Was würdet ihr mir raten? Wonach genau soll ich suchen?

Wie gesagt, für schnellen Erfolg rate ich zu MMA oder Combat Sambo. Du kannst dich immernoch weiterentwickeln oder umorientieren, aber du bekommst ganz schnell ein Gefühl dafür was wie funktioniert.

Von allem was mit "Vitalpunkten" oder "Druckpunkten" wirbt, solltest du ganz großen Abstand nehmen, das ist reiner Hokuspokus.

Abschließend noch ein Hinweis:

Ein Straßenkampf ist immer ein Spiel mit maximalem Einsatz und geringstmöglichem Gewinn. Stell dir vor ich fordere dich zu einem Pokerspiel mit besonderen Regeln heraus:

Gewinne ich, stirbst du. Gewinnst du, bekommst du gar nichts, allerdings entscheidet jemand der nicht weiß wie man pokert, ob dein Spiel ethisch war oder nicht. Beurteilt er es als unethisch, verbringst du 1-3 Jahre im Knast.

Auch wenn dies nach einem absurden Deal klingt, auf den sich kein klardenkender Mensch einlassen würde, ist das im Prinzip das Spiel auf das man sich mit jedem Straßenkampf einlässt. Deshalb sollte man Straßenkämpfe so gut wie irgendwie möglich vermeiden.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Wettkampfsportler seit 6. Lebensjahr

Inkognito-Nutzer   23.07.2024, 15:33

Ich habe mir deinen Post nun drei Mal sorgfältig und in Ruhe durchgelesen und danke dir vielmals für deinen Rat. Das war wirklich sehr hilfreich.

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In so einer Situation würde sogar mein Meister, 9. Dan, das Weite suchen, bei 3 Leuten, die einen angreifen, kommt man nicht ohne Blessuren davon und deine Brieftasche kann man ersetzen, wenn einer der Kasper aber ein Messer zückt, weil er frustriert ist, dass du dich wehrst, bist du tot.

Durch meinen Aufenthalt in Japan bin ich auf eine Form des Karate gestoßen, die so nicht oder kaum unterrichtet wird, da Angriffe zu Vitalpunkten im Wettkampfsport nicht gern gesehen werden, bzw. nicht erlaubt sind. Man erklärte mir, dass das die Urform des Karate sei, weil es ja früher nicht für den Sport erfunden wurde, sondern zur effektiven, waffenlosen Verteidigung. Erst dachte ich: "Was ein Käse, wie im Film oder was?", dann hatte ich eine Lehreinheit bei einem Meister, der mir zeigte: Ähm ja, Körperteile können "noch da" sein und trotzdem nicht mehr reagieren, ich habe eine Lehrstunde bekommen, wie sie im Buche stand und seither bin ich weg vom Breitensport/ Leistungssport und hin zu den alten Lehren. Allerdings wird dies Anfängern nicht vermittelt, sondern erst ab Dan-Graduierung, was auch gut so ist, sonst rennen Weißgurte auf der Straße rum, die Herz 1 oder 2 anschlagen und nicht wissen, was für Schäden sie anrichten können...

Was ich dir empfehlen würde, wäre Unterricht in Krav Maga, das lernen die in Israel auch beim Militär. Hoch effektiv, nicht ganz schmerzfrei und mental auch nicht ohne, wenn man die volle Packung haben will.

Im Ernstfall rate ich dir, so wie es mein Meister auch tut: Lauf weg, wenn du kannst.

Der typische Kampfsport ist mir so sehr auf Wettkampf ausgelegt und du trainierst quasi nur nach dem Regelwerk. Und da draußen in der Stadt gibt es keine "Regeln". Außerdem bin ich nicht scharf darauf in das typische "McDojo" zu gehen, nur um verschiedenfarbige Gürtel zu sammeln oder Unsummen für Uniform, etc. auszugeben.

Daswegen ist reiner Kampfsport für SV absolut ungeeignet.

Selbstverteidigungskurse waren bisher immer recht kurz und ich habe das Gefühl, dass man mir eher versucht hat irgendwelche "Tricks" zu vermitteln anstelle von taktischen Fähigkeiten. Da hatte ich schon zwei hinter mir und na ja, was soll ich sagen...

Ist auch absolut quatsch. Kämpfen kann man nicht innerhalb weniger Tage lernen.

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Das Selbstverteidigung gleich Kampfsport ohne Regelwerk ist, ist ein Irrglaube von vielen. Selbstverteidigung oder Selbstschutz besser, wie ich finde, beginnt Zuhause und war dann erfolgreich, wenn man alle potentiellen Gefahren erkannt hat und möglichst aus dem weg gegangen ist.

Selbstschutz ist eine komplexe Kunst, die man regelmäßig erweitern muss. Es muss zum Hobby werden.

Für die Theorie, ein oft unterschätzter Teil des Selbstschutzes, kann dir sogenannte "Agenten-Bücher" empfehlen wie von Jason Handson oder Clint Emerson. Natürlich sind diese Tipps oft für Privatpersonen ungeeignet, aber andere Dinge wie Umgebungsbewusstsein sind genau die Dinge, die dich am Ende retten. Durch eine Fußgängerzone gehen nur 2 Arten von aufmerksamen Menschen. Kriminelle und Leute, die wissen was sie tun. Und Erstere werden niemals Letztere beklauen oder ähnliches.

Praktisch würde ich dir Ringen (für Waffen) und Jiu-Jitsu (waffenlos bzw HHC) empfehlen.

Hilfsmittel und Waffen* müssen beim Selbstschutz besonders behandelt werden. Eine Waffe mit der ich nicht umgehen kann ist für andere und mich sehr gefährlich. Dabei gilt: nur wer nachweislich beim Umgang ausgebildet ist, hat auch wirklich Ahnung. Zb würde ich empfehlen, bevor man mit einer Schreckschusspistole draußen rumrennt, sich von einem Polizisten oder Soldaten in der richtigen Waffenhandhabung einweisen lassen.

Grundsätzlich empfehle ich für sogenannte EDC-Waffen *²:

  • Taktical Pens
  • Schreckschusswaffen (nach Einweisung und mit Verbindung des Kl.Waffenscheines)
  • Geeignete Taschenlampen
  • Taschenarlarme
  • Messer (nur für Messerkämpfer)
  • Signalpistolen o.ä (nach Einweisung)
  • ggf Harpunenpistolen (nach gründlicher Einweisung)
  • Jet Protector
  • Eine Hosentasche mit Münzen (zb 20cents)

Am besten ist eine Kombination aus mehreren Hilfsmitteln und Waffen

Von Tierabwehrsprays bzw Pfeffersprays rate ich dringend ab. Hier fehlt die Effektivität, Geeignetheit, Stoppwirkung und Einsetzbarkeit

* das beinhaltet nicht nur Schusswaffen

*² Everyday carry

⁹⁹

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – WSK, WBK und Berufswaffenträger

Naja mit Kampfsportarten wie Kickboxen oder MMA kannst du nie was falsch machen. Trotzdem wäre es gegen 3 ziemlich schwierig, außer sie stellen sich sehr dumm an.

Weiß nicht ob du „KOTS“ also King of the Streets kennst aber dort finden auch Kämpfe statt nur halt ohne Regeln, also ziemlich brutal. Vllt kann man sich dort auch das ein oder andere abschauen.

Ansonsten kannst du ja einfach deine Beine in die Hand nehmen und wegrennen, hoffen dass sie dich nicht bekommen.


MeisterShiva  23.07.2024, 00:43
Trotzdem wäre es gegen 3 ziemlich schwierig

Deswegen ist Kampfsport nur 10% von effektiver Selbstverteidigung. Ein gut vorbereiteter Verteidiger hat zb Münzen in der Tasche, die er notfalls wie ein Schrotflinte den Angreifern entgegen schleudert. Das verschafft ihm Zeit eine Waffe zu ziehen, wegzulaufen oder anzugreifen

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LifeInPictur3s  23.07.2024, 07:51
@MeisterShiva

Bei mir ist es immer eine Packung Taschentücher ;) Reicht als "Eye Catcher" für den Gegenüber, wenn es auf sein Gesicht zugeflogen kommt. Natürlicher Instinkt des Menschen. Bis der in den Millisekunden des auf die Taschentücher starrens fertig ist, bin ich weg.

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Inkognito-Nutzer   23.07.2024, 00:26

Mir ist durchaus bewusst, dass Flucht/Deeskalation stets die erste Option sein sollte. Ich bilde mir auch nicht ein, dass ich es mit 3 Leuten aufnehmen kann, selbst wenn ich zu 100% wüsste, was ich tue.

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Taja187  23.07.2024, 00:28
@Inkognito-Beitragsersteller

Das könnte glaube ich nahezu keiner, außer eventuell professionelle UFC-Fighter.

Pfefferspray würde mir so noch einfallen. Ist leicht anwendbar und es könnte tatsächlich hilfreich sein, zumindest genug um abzuhauen.

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MeisterShiva  23.07.2024, 00:47
@Inkognito-Beitragsersteller
Ich bilde mir auch nicht ein, dass ich es mit 3 Leuten aufnehmen kann, selbst wenn ich zu 100% wüsste, was ich tue.

Doch klar, wenn du weißt was du tust lässt du es nicht so weit kommen

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