Ist/war Religion nur Mittel zum Zweck?

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Das ist "das Opium des Volkes".

Zweck der Religion

Ursprünglich war Religion ein Mittel, um die Angst vor dem Unbekannten erträglich zu machen. Diese Funktion lässt sich bis in die Urzeit zurückverfolgen.

Menschen konnten sich Naturphänomene wie Dunkelheit, Gewitter, den Tod oder die Geburt zunächst nicht erklären. Das Unerklärbare macht Angst.

Also erdachte man sich Wesen mit Merkmalen, die einem bekannt waren, und erklärte diese Wesen zur Ursache für diese fremdartigen Phänomene.

Das hatte gleich zwei Vorteile

Erstens gab es hierdurch wie gesagt keine Angst mehr vor dem Unbekannten, denn Gewitter und Co waren somit erst einmal hinreichend plausibel erklärt.

Zweitens waren alle diese Götter auch bestechlich - durch Rituale, Opfergaben usw. konnte man den Willen der Gottheiten im eigenen Interesse manipulieren.

So konnte Jagdglück, die Gesundung von Menschen oder eine sichere Geburt in gewissem Umfang durch den Menschen beeinflusst werden.

Machtfunktion

Sobald aus einem eher unbestimmten Glauben an "Ahnengeister", "Totems" oder "Wettergottheiten" organisierte Religionen wurden, desto stärker wurde auch die Hierarchie und der Dogmatismus, der Lehren festlegte und exakt definierte.

So wurden die Religionsgemeinschaften selbst immer hierarchischer und ihre Organisationen legten eine Gesellschaftsordnung fest, deren Regeln oft durch die vermeintlich göttlichen Gebote legitimiert wurden.

Dabei konnten entweder die Priester/Kirchen selbst, oder die von ihnen ermächtigten Herrscher, ihre Forderungen auf "göttliche Autorität" zurückführen - die entsprechende Person sprach und handelte also im Auftrag eines Gottes.

Ob das nun die gewaltsame Ausbreitung des Islam, die christlichen Kreuzzüge, die Kriege zwischen Anhängern der Reformation und der Gegenreformation waren - immer waren neben religiösen Motiven auch Machtinteressen damit verbunden.

So waren etwa Kriege sinnvoll, um unliebsame innenpolitische Konkurrenten loszuwerden - man schickte sie einfach in erster Reihe an die Front, damit sie dort hoffentlich fallen - und wer würde schon einem göttlichen Auftrag widersprechen?

Zweckbündnisse zwischen Religion und Politik sind daher häufig.

Hierzu ein Beispiel:

Als im 20. Jahrhundert Japan immer nationalistischer und der Shintô zur alleinigen Staatsreligion wurde, begann man, alle anderen religiösen Lehren als "unjapanisch" anzusehen und ihre Rechte und Privilegien immer weiter einzuschränken.

Das betraf auch den Buddhismus, der als "fremde Ideologie" ebenfalls attackiert wurde und an Einfluss zu verlieren drohte.

Als Reaktion darauf erklärten sich viele buddhistische Dachverbände als staatstreu und interpretierten buddhistische Schriften so, dass sie den Imperialismus und die Expansion, sowie letztlich Krieg und Gewalt des Kaiserreiches legitimieren.

In speziellen strengen Schulungen wurden Soldaten unter Verwendung buddhistischer Meditation dazu trainiert, Angst vor dem Tode zu verlieren und sich ohne Rücksicht auf die eigene Existenz, an Selbstmordmissionen zu beteiligen

Nach dem Zweiten Weltkrieg dauerte es teilweise bis in die 1990er und 2000er, bis sich die buddhistischen Dachverbände in Japan mit ihrer historischen Verantwortung auseinandersetzten.

Von manchen gibt es wohl bis heute keine offizielle Entschuldigung.

Auch einige wichtige buddhistische Lehrer, die für die Verbreitung des Buddhismus im Westen von großer Bedeutung sind, waren Teil dieses faschistischen Systems und sicher nicht gänzlich unbeteiligt an Indoktrination und Propaganda.

Destruktive Gruppierungen

Destruktive Gruppen, denen es in erster Linie um die Abhängigkeit, Manipulation und Ausbeutung ihrer Anhänger geht, greifen bis heute auf die gleichen Machtmechanismen zurück, wie Gemeinschaften der Vergangenheit.

Neuzugänge erhalten "Love Bombing" - sie werden für bisherige Leistungen im Leben bewundert, bekommen Zuspruch und Anerkennung. Gerade Menschen in Lebenskrisen sind sehr empfänglich hierfür.

Mit der Zeit bekommt man dann Aufgaben übertragen - häufig ebenfalls noch mit dem Hinweis, man sei solch ein besonderer Mensch, daher habe man diese Aufgabe ihnen übertragen. Also engagiert man sich immer mehr für die Gruppe.

Mit der Zeit wird dann aber auch Gruppendruck aufgebaut - man solle dankbar sein und dies durch weiteres Engagement beweisen. Vermeintlich undankbare Mitglieder werden durch Ausgrenzung und Liebesentzug bestraft.

Ein besonderes Druckmittel sind aber natürlich die religiösen Vorstellungen.

Viele dieser Gruppen sind sehr elitär und sehen sich als Auserwählte, die sich deutlich von der sündhaften Mehrheitsgesellschaft unterscheiden und daher oft auch bewusst abgrenzen - man duldet keinen "materialistischen Einfluss"

Häufig sind Endzeitvorstellungen ein zentrales Motiv. Die Welt stünde kurz vor dem "Endgericht" bzw. dem "Jüngsten Tag" oder "Armageddon" und nur wer der wahren Lehre - und damit dieser Gruppe - folgt, werde errettet werden.

Diese Angst vor angeblichen "Sünden", das betonen der "Gebote", das Berufen auf die "heilige Schrift" und das bedrohliche Szenario der "Endzeit" machen dann auch Abweichler schnell wieder gefügig, weil sie "Gottes Zorn" fürchten.

Somit wird der Ausstieg doppelt schwer - einerseits ist man sozial isoliert und kennt nur noch Mitglieder der Gruppe, so dass man völlig alleine wäre - andererseits die Angst, verloren zu sein, wenn man den Regeln der Gruppe nicht folgt.

Fazit: Ja, Religion kann ein Machtmittel sein - ich bin aber der Meinung, dass dies nicht der eigentliche Sinn der Religion ist.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Seit etwa 40 Jahren praktizierender Buddhist

Religion gibt es schon viel länger als es die Möglichkeit zur Massenlenkung gibt.

Da hat sich ein schlauer Mensch ausgedacht, dass alle Menschen, die sich einer Religion zuwenden, ungebildet sind. Ferner hat sich dieser schlaue Mensch ausgedacht, dass es nur 1 Mensch war, und dass dieser Angst hatte vor anderen Menschen, weshalb er sie unter seiner Kontrolle und Lenkung haben wollte.

Der christliche Glaube ist so anders als alle Religionen, dass sich sowas niemand hätte ausdenken können - die Bibel wurde auch nicht nur von einer Person erfunden, sondern ca. 40 Autoren haben innerhalb von 1500 Jahren 66 Bücher geschrieben, die zur Bibel zusammengefasst wurden. Schreib mal mit einer weiteren Person 1! Buch und du weißt, wie viele Absprachen es benötigt, um einen roten Faden zu bekommen. Aber 40 Autoren und die ganzen Bibelstellen beziehen sich aufeinander! Das kann man nicht gewollt produzieren. Schon gar nicht über einen Zeitraum von 1500 Jahren! Und dann ist heute noch nachweislich erhalten, was damals schon geschrieben wurde, siehe Funde aus Qumran von vor einigen Jahren.

Soll heißen: Mit diesem Buch ist schon mal was gewaltig anders, als alles was es vorher oder nachher gab.

Das es immer wieder Menschen gab oder gibt, die auch dieses Buch für ihre eigenen Machtvorteile missbrauchen, ist leider wahr. Das heißt aber nicht, dass der eigentliche Zweck dadurch weniger wertvoll oder realer ist, als es sonst wäre. Das liegt lediglich daran, dass Menschen eben nicht von Grund auf nur gut sind.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – seit fast 40 Jahren mit Jesus unterwegs