Ist es schlimm Opportunist zu sein?

6 Antworten

Oft dient Opportunismus dem Überleben. Es gibt jedoch auch Menschen die einfach reine Mitläufer sind, aus Bequemlichkeit oder um, z. B. beruflich, etwas zu erreichen.

Ich finde Opportunismus weder verwerflich noch bewundernswert. Es kommt auf die Motivation an.

Solche Leute hießen bei uns "Wendehälse". Erst stramme Genossen, die jeden, der eine andere Meinung vertrat, maßregelten oder an die Stasi auslieferten und nach der Wende die gierigsten Kapitalisten, möglichst mit volkseigenen Geldern. Man wunderte sich selbst, wie schnell manche die Fahne wechselten.

Anpassung, wenn Opposition lebensgefährlich wäre oder gravierende Nachteile bringt, finde ich nicht unbedingt verwerflich. Auch das Lügen in solchen Fällen nicht. Aber die Unterstützung von Diktaturen und womöglich noch die Denunziation Unangepasster oder ausgegrenzter Leute (wie der Juden im 3. Reich), das finde ich schon verwerflich.

In der DDR haben zwar viele Leute auf die Zustände dort geschimpft, aber wenn es darauf ankam, sich anbahnende Freiräume wahrzunehmen (und sei es nur, bei der Wahl in die Kabine zu gehen), dann haben sie gekniffen. Niemand wurde gezwungen, seinen Freund an die Stasi zu verraten, wenn dieser in den Westen flüchten wollte. Trotzdem gab es immer wieder Leute, die das getan haben. Warum? Aus Überzeugung, aus Missgunst oder weil man sich selbst davon Vorteile versprach?

Natürlich kann ein "Überzeugungstäter" nachdenken, seine Meinung ändern und seine Fehler bereuen. Aber Leute, die immer nur ihren eigenen Vorteil suchen, ohne Rücksicht auf andere (und nichts anderes ist ja das "Mantel-in den Wind-hängen"), die finde ich charakterlos und ihr Verhalten durchaus schlimm. Das sind dann auch die geschicktesten Lügner, denen man möglichst nicht auf den Leim gehen darf.


Claud18  03.10.2018, 20:04

PS.: Der Schriftsteller Ephraim Kishon (mit bürgerlichem Namen Ferenc Hofmann) arbeitete nach Kriegsende und Nazizeit bei einer Satirezeitung in Ungarn und war durchaus Opportunist - das hatte ihm in der Nazizeit das Leben gerettet. Er stellte jedoch fest, je länger er bliebe (das war noch in der Stalin-Ära), desto mehr mache er sich zum Handlanger des Systems, das er ablehnte. Das konnte er irgendwann nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren. Deshalb nutzte er die erste Gelegenheit, die der ungarische Staat den einheimischen Juden bot, um nach Israel auszuwandern.

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Es hat Fälle gegegeben, in denen nach der Wende ehemalige SED-Genossen CDU-Mitglieder geworden sind, von denen ich weiß.

Damit habe ich echte Schwierigkeiten.

Ansonsten kann man aus gewonnenen Einsichten seine Meinung durchaus verändern, indem man dazu lernt. Aber eine Meinung zu ändern, indem man plötzlich das Gegenteil vertritt - das ist das Letzte! Meine Meinung!

Ich denke auch, dass es nichts mit Opportunismus zu tun hat, wenn man sich unpolitisch verhält, um nicht aufzufallen oder um seine Familie zu schützen. Opportunismus wird es erst dann, wenn jemand z.B. um seiner Karriere willen seine wahre Einstellung verleugnet...
Es gibt da Beispiele, wo sich im TV aus der DDR bekannte Menschen äußern, so dass einem übel wird...

Man kann es Opportunisten nicht verübeln Opportunisten zu sein, da Gegner politischer Systeme, wie z. Bsp. Hitlers Diktatur oder der DDR häufig gefangen genommen wurden oder sogar um ihr Leben fürchten mussten. Die meisten Menschen wären bestimmt zu Nazizeiten Opportunisten gewesen.

Opportunist zu sein, finde ich in totalitären Systemen nicht verwerflich. Es ist sogar überlebensnotwendig.

Ich sehe opportunistisches Verhalten aber kritischer in Demokratien, wo der einzelne Bürger nichts zu befürchten hat, wenn er nicht mit der Herde zieht.