Ist es realistisch wie in Stefan Zweigs "Schachnovelle" mehrere hundert aufgezeichnete Schachpartien auswendig zu lernen?

5 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Selbstverständlich ist es realistisch, mehrere Hundert Spiele auswendig zu lernen. Man beachte, dass Miguel Najdorf 1947 in São Paulo eine Blind-Simultanvorstellung gegen 45 Gegner gab. Das heißt: Er spielte gegen 45 Gegner gleichzeitig, ohne ein einziges Schachbrett gesehen zu haben. Die Züge des Gegners wurden ihm lediglich angesagt. Das wären am Ende jener einzelnen Vorstellung an jenem einzelnen Tag 45 zusätzliche Partien auswendig in seinem Kopf. Andere Schachspieler spielten sogar blind simultan gegen über 50 Spieler! 

Ich bezweifle aber, dass jemand, der einfach nur Partien auswendig lernt, einem Großmeister Paroli bieten könnte. Genau genommen würde ich das mit einem klaren NEIN beantworten. Ein Großmeister hat Tausende Partie-Verläufe bzw. Varianten jederzeit abrufbereit in seinem Kopf. Mit wachsendem Verstehen des Spiels werden diese nicht mehr Zug für Zug abgespeichert, sondern als Gesamtpaket. Nehmen wir zur besseren Veranschaulichung das Schäfermatt. Ein blutiger Anfänger müsste diese 4 Züge wahrscheinlich Zug um Zug auswendig lernen. Mit ein wenig Erfahrung würde man beim Begriff Schäfermatt nicht mehr denken: „Moment mal, ich glaube, das war irgendwas mit Läufer auf c4 ...“ Man WEISS einfach, wie es geht. Starke Spieler haben locker 20-zügige Varianten Dutzender Eröffnungen, unzählige Mattkombinationen und Endspiel-Abläufe/Verfahren sowie vieles mehr jeweils als Gesamtpaket parat – genau so, wie der Amateur einfach WEISS, wie das Schäfermatt abläuft und in einer praktischen Partie nicht darüber nachdenken müsste. Er würde auch nicht mehr davon sprechen, die Züge auswendig gelernt zu haben. Er kennt sie einfach. 

Woher ich das weiß: 1. Teils eigene Erfahrung, wie sich Denkprozesse mit wachsender Spielstärke verändern. 

2. Ich befasse mich gerade mit Eröffnungen. Eine dieser Eröffnungen sowie eine Variante einer zweiten dieser Eröffnungen wird von einem Großmeister in Videos vorgestellt. Er geht auf 12 bzw. 9 verschiedene Verzweigungen dieser beiden Eröffnungen ein, und zwar mit einer Tiefe von bis zu 22 Zügen, ohne dass er irgendetwas ablesen müsste. Es sind noch nicht einmal Eröffnungen bzw. Varianten einer Eröffnung, die man häufig in der Turnierpraxis antreffen würde! 

Aktuell gibt es die Serie "Das Damengambit" auf Netflix. Da kann man das sehen, wie es funktioniert.


ToniKim 
Fragesteller
 22.04.2021, 19:41

Danke für den Tipp^

1

deine Titel-Frage: ja

(selbstverständlich können das nicht alle, aber es ist realistisch)

dein Zusatz-Untertitel: nein,

Hunderte Partien auswendig können bedeutet nicht, dass man meisterlich Schach spielen kann. Wenn B abweicht von Partien, die A auswendig weiss, dann ist für A Ende Gelände

Unterschätze nicht die Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns! Sicherlich ist das möglich. Ob man damit einen Großmeister schlagen kann, bezweifle ich. Ich würde behaupten, die meisten Großmeister haben selbst mehrere hundert Partien auswendig gelernt.

  1. Profis haben das locker drin.
  2. Mit dem Auswendiglernen von Schachpartien selber tut man nichts für die eigene Spielstärke.
Woher ich das weiß:Hobby – Vereinsspieler, Regionaler Schiedsrichter und Funktionär