Ist es bei Depressionen so, dass man dauerhaft sein Interesse an Freunden verliert, die zuvor immer für einen da waren und an denen man sehr gehangen hat?

6 Antworten

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Durchaus ja.

Weil man zum einen mit sich selbst so sehr beschäftigt ist bzw in einem Loch sitzt und einen überhaupt nichts mehr interessiert. Weder Freunde noch Familie noch das heiß geliebte Hobby. Über allem liegt ein dicker Schleier aus dickem schwarzen samt. Nach außen "glänzt" noch ein bisschen was, unten drunter ist es rabenschwarz Nacht.

Und ja. Es ist oft Außenstehende oder Fremde, die einem Kurzweil und Zerstreuung bringen. Eben weil sie einen nicht kennen. Eben weil sie nicht wissen wie es einem wirklich geht. Weil man von außenstehenden oder fremden ohne Samthandschuhe angefasst wird. Oder sich irgendwie rechtfertigen muss.

Es sind Menschen, die sich keine Sorgen machen. Oder es einem auch krumm nehmen, wenn man heute gut drauf und herzhaft lachend im Cafe sitzen (kann) und morgen aus lauter tief und noch tiefer noch nicht mal aus dem Bett kommt. Und nur mit Qual die zähne geputzt.

Fremde Menschen sehen nur einen Moment. Der ganze Mist bleibt außen vor.

Wie es sich entwickelt liegt vor allem an der psychischen Entwicklung desjenigen, der Depressionen hat.

Die einen möchten mit der Vergangenheit mit allem drum und dran nichts mehr zu tun haben und machen einen Cut. Andere gehen einen Mittelweg zwischen neuen und alten Freunden. Für wieder andere waren diese neuen bekannten lediglich ein zeitlich begrenzter Ausflug in eine andere Welt.


Rosenmary 
Beitragsersteller
 23.06.2024, 10:27

Das hast du schön erklärt.

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Ich war nie direkt depressiv, hatte aber in einem emotionalen Tief auch an vielen Dingen kein Interesse mehr, selbst Freunde und Bekannte spielten nur noch kleine Nebenrollen. Ich habe auch nur noch bedingt reagiert und war so mit mir beschäftigt, dass ich keine Mails oder WhatsApps mehr zu Geburtstagen usw. verschickte.

und sie auf einmal die Leute, die ihnen weiter beistehen möchten, durch andere Bekanntschaften ersetzen, die nicht so tiefe Einblicke in ihre Probleme haben?
Oder ist die alte innige Freundschaft immer präsent, kann aber aufgrund der Stimmungsschwankungen aktuell nicht gelebt werden?

Bei mir war beides der Fall. Ich hatte es als übergriffig und herablassend empfunden, dass mir Therapien empfohlen, wobei ich da ganz klar auch sagen muss -----> die Art, in der mir das erklärt wurde war gut gemeint, aber rhetorisch höchst unglücklich und ich empfand es als demütigend, weil ICH auch von mir selber aus tiefstem Herzen sagen konnte und noch heute sagen kann, dass ICH das deutlich taktvoller gesagt hätte und es dann bei den Leuten auch angekommen wäre - ich gehe da vielleicht zu sehr von mir aus, aber es ist schon so. Wenn man Probleme hat, ist man emotional viel verwundbarer und jemand, der "direkt" ist, wird ggf. als beleidigend angesehen.

Ich habe mir daraufhin den Kontakt zu jemandem gesucht, der mich zwar gut kannte, zu dem ich aber einige Zeit gar keine Verbindung gehabt hatte und drückte mich da so oft wie möglich rum, weil dieser Mensch keine Ansprüche stellte, selbst mal mehr und mal weniger Depressionen und Krisen hatte, mich ohne Worte verstand und nach dem Motto "alles kann, nichts muss" vorging - ich hätte da auch ohne Frage übernachten können und sonst was.

Ist damit zu rechnen, dass die alte Freundschaft wieder mehr Aufmerksamkeit erhält, wenn die Tiefs durchschritten wurden?
Oder ist davon auszugehen, dass sich diese dauerhaft durch die Stimmungsschwankungen erledigt haben?

Bei mir ergab sich das nicht mehr, weil diese früheren Freundschaften zumeist unehrlich und oberflächlich waren und ich das in dieser Zeit merkte - denen ging es nicht um mich, sondern um meinen Einfluss, meine Kompetenzen und den Wunsch sagen zu können, man sei mit mir befreundet. Die waren schon für mich da, wenn ich sie brauchte und waren höflich und nett und alles, aber irgendwie merkte ich in der Zeit, wie das eigentlich ablief.

Wenn die Freundschaft aber vorher soweit gut war, besteht diese Chance sicherlich. Man kann es jedoch nicht versprechen und sollte es nicht voraussetzen, dass es wieder so wird wie früher. Mancher ändert sich auch geistig in so einer Phase, mir ging es ähnlich und die, die früher ach so viel auf mich hielten, sehen mich inzwischen wahrscheinlich als unseriös an und was auch immer - ich kann's mir denken.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Ich denke, es kann durchaus vorkommen, dass Freundschaften nicht mehr "passen", die man aufgibt oder nicht mehr pflegt, das passiert auch bei gesunden Menschen, wenn Veränderungen eintreten.

Wenn die Stimmungsschwankungen geheilt sind, tritt wieder die alte Persönlichkeit in Dir zutage, mit den tiefen Gefühlen für Deine Freunde.


Rosenmary 
Beitragsersteller
 22.06.2024, 14:16

Sprichst du aus Erfahrung? Ich habe einen Freund, der zwischendurch, Tage, 14 Tage... auf Nachrichten gar nicht mehr reagiert.

Selbst auf besorgte oder traurige Anfrage, was los ist nicht.

Nun habe ich anhand der kurzen abgehackt Antworten ganz klar das Gefühl, dass er Depressionen hat und es wurde mir von anderen bestätigt, die diese Aussagen gesehen haben.

Er reagiert aber teils selbst dann nicht, wenn man fix und fertig ist oder wenn man Hilfe anbietet..Selbst auf das Angebot einer Begleitung zur Therapie nicht.

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Die Erinnerungen an schöne gemeinsame Zeiten sind noch da, aber verschüttet, da für Depressive eine Art Karussell um ihre Gefühle und Erkrankung eingetreten ist.

Im Vordergrund stehen die Stimmungsschwankungen, Unfähigkeit sich zu konzentrieren, Merkfähigkeit und das Desinteresse am Leben.

Selbst die innige Freundschaft rutscht ganz weit nach unten, denn die Depression ist übermächtig und lässt keinen Freiraum in den Gedanken für andere Dinge zu.

Die Freundschaft kann nach durchschrittenen Tiefs wieder aufkeimen, aber nie mehr wie früher, da der Mensch sich total durch die Krankheit verändert hat.

Im schlimmsten Fall ist es dauerhaft nie mehr, wie es war.

Der Depressive sieht es so, dass alles seine Zeit hatte.

Das ist für die Freunde sehr schmerzlich, aber der Krankheit geschuldet.

Alles Gute für Dich.