Ist der Nationalsozialismus auch eine Form von Sozialismus?

6 Antworten

Bis auf den Namen hat der Nationalsozialismus wenig mit Sozialismus zu tun.

Sozialisten geht es um die Aufhebung der kapitalistischen Wirtschaftsweise und der Klassengesellschaft. Internationalismus und der Gleichheitsgedanke spielen dabei zentrale Rollen, weshalb Nationalismus und Rassismus als spalterisch abgelehnt werden.

Der Nationalsozialismus ist hingegen eine Ideologie der Ungleichheit. Er propagiert nicht nur die Minderwertigkeit von anderen Nationen und Rassen, sondern auch die wirtschaftlichen und politischen Hierarchien innerhalb der Nation. Die Nazis wollten nicht die Klassen, sondern den Klassenkampf abschaffen, um eine klassenübergreifende "Volksgemeinschaft" zu schaffen, in der die Arbeiter mit ihrer unterlegenen Stellung zufrieden wären und die Position der wirtschaftlichen und politischen Eliten unangetastet bleibt.

Die Nazis und die Faschisten in anderen Ländern zogen ihr Mobilisierungspotential gerade aus der Sorge vor einer erstarkenden sozialistischen Linken und den Abstiegsängsten des Kleinbürgertums, das sich durch die Arbeiterbewegung bedroht sah.

Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter waren deshalb die ärgsten ideologischen und politischen Gegner der Nazis und wurden von ihnen massenhaft verhaftet, gefoltert und ermordet, während Liberale und Konservative sich in vielen Fällen mit den Nazis abfanden oder sie sogar aktiv unterstützten und zu ihnen überliefen. Nach Kriegsende waren es CDU/CSU und FDP, die den alten Nazikadern eine neue politische Heimat boten.

Der Antikapitalismus, der bei den Nazis vor allem in den 20er Jahren noch eine Rolle spielte (und spätestens mit der Ermordung von Ernst Röhm endete), war auf Phrasen begrenzt, inkonsequent, widersprüchlich und ging nur so weit, wie er antisemitisch ausgeschlachtet werden konnte. Deutlich wird das an dem Bild des "raffenden" Finanz- und Handelskapitals, das mit dem Judentum assoziiert wurde, und dem "schaffenden" Industriekapital, das mit Deutschtum und Tugendhaftigkeit verbunden wurde.

Die Nazis mobilisierten also lediglich gegen die abstrakten Seiten des Kapitalismus, lobten aber hingegen den sozialdarwinistischen Konkurrenzkampf auf dem freien Markt. Tatsächlich sind das nur zwei Seiten des gleichen Systems. Das Finanzwesen war auch keinesfalls nur jüdisch besetzt, und tatsächlich gehörten die meisten jüdischen Deutschen der Arbeiterklasse an. Die absurde Folge davon ist, dass nicht nur das Finanzkapital, sondern auch der Kommunismus als "jüdisch" galt.

Im Zuge dieser oberflächlich antikapitalistischen Mobilisierung wurden auch zahlreiche aus dem Marxismus stammende Begriffe völlig umgedeutet, eben auch der "Sozialismus", der zur Volksgemeinschaft umgedeutet wurde. Bei denjenigen Arbeitern, die bereits sozialdemokratisch oder kommunistisch organisiert waren, verfing diese Strategie kaum, unter den Arbeitslosen fanden die Nazis mit dieser Strategie aber eine gewisse Basis.

Nach der Machtübergabe an die Nazis zeigte sich, dass sie weder den Arbeitern noch den Kleinbürgern tatsächliche Vorteile boten, tatsächlich schlossen sie Bündnisse mit dem Großbürgertum, das nun viel hilfreicher für die Ausrichtung der gesamten Industrie auf rassistischen Vernichtungskrieg war. In der Folge wurden Monopole gefördert, Löhne auf niedrigen Niveau eingefroren, Streiks illlegalisiert, die Gewerkschaften und Arbeiterparteien zerschlagen, Banken, Reichsbahn und Metallindustrie privatisiert und Sozialleistungen gestrichen bzw. an halb-private Organisationen abgegeben und an rassische Voraussetzungen gebunden.

Auch die Führung der kleinbürgerlichen und proletarischen Nazi-Schlägertruppen, darunter Ernst Röhm und Gregor Strasser, wurde kaltgestellt, weil sie in dieser Phase der Naziherrschaft nicht mehr benötigt wurden. Den großen Kapitalisten ermöglichten die Nazis hingegen riesige Profite durch die Beschlagnahmung jüdischen Vermögens, die Plünderung der besetzten Gebiete und den Einsatz von Zwangs- und Sklavenarbeit.

Der Rassenwahn der Nazis stand aber immer an erster Stelle und machte in manchen Fällen Interventionen in die Privatwirtschaft notwendig. So wurden bestimmte Industrien zwangsweise auf die Herstellung von Rüstungsgütern ausgerichtet. Auch der Holocaust bedeutete punktuell Konflikte zwischen der Naziführung und Unternehmern, denn diese hätten mehr davon profitiert, die Arbeitskraft von ethnischen und politischen Gefangenen auszubeuten, statt sie im großen Stil zu vernichten.

Die Lenkung der Wirtschaft während des Krieges war auch kein Alleinstellungsmerkmal der faschistischen Diktatur, sondern wurde in ähnlicher Weise auch in den liberal-kapitalistischen Ländern, wie etwa England und Frankreich, praktiziert - hier wie dort aus reiner Notwendigkeit. Weder äußerten die Anführer der Nazis die Absicht, die planwirtschaftlichen Elemente nach dem Krieg beizubehalten, noch waren die deutschen Unternehmer zu irgendeinem Zeitpunkt über diese Möglichkeit besorgt. Das allein spricht Bände, da Unternehmer für gewöhnlich gegen jede Einschränkung ihrer Profitaussichten Sturm laufen.

Nein, der Nationalsozialismus steht in einem maximalen Widerspruch zum Sozialismus und unterscheidet sich nicht nur in der Ausführung, sondern schon in den Grundannahmen und Grundprinzipien wesentlich von ihm.

Der Zusammenhang besteht vielleicht darin, dass Nationalsozialismus im Prinzip strikt und radikal gelebter Antisozialismus ist.


GoriIIa  25.11.2023, 14:29

Es geht bei der Betrachtung viel mehr um den Kollektivismus, den "klassisch-sozialistische Ideologien" wie der Kommunismus mit dem Nationalsozialismus teilt.

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Norjakeista  25.11.2023, 14:39
@GoriIIa

Der "Kollektivismus" eignet sich nicht wirklich als Massstab. Er ist in Diktatur und Demokratie vertreten und in den meisten Positionen über das gesamte politische Spektrum verteilt und wird von jeder Person wieder anders aufgefasst.

Bei einem Vergleich politischer Systeme oder Ideen, wie sie in der Frage vorliegt, sind wohl eher etwas "härtere" Kriterien gefragt - Machtverhältnisse vor Allem.

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Die Bezeichnung "sozialistische" im Parteinamen war nur ein Etikettenschwindel, um links eingestellte Wähler zu ködern.

Die wenigen Menschen in der NSDAP, die wirklich links eingestellt waren, wurden 1934 "liquidiert", um es verharmlosend zu nennen.

Ne geht in eine komplett andere Richtung, obwohl in beiden Wörtern "sozialismus" drin steckt

Auch hierzu ist die Proletenpassion empfehlenswert... (Teil 2)... im übrigen ist es eher eine Form eines rigorosen Liberalismus - das mit dem Sozialismus ist eher eine Erzählug um das ganze Salonfähig zu machen.