Ist das normal, manchmal keine Kraft für einfache Dinge wie Zähneputzen zu haben?
6 Antworten
Normal sicherlich nicht, nein.
Das könnte für viele Dinge sprechen. Eine Depression z.B.
Ich habe das Problem auch. Schon seit ich denken kann. Das bezieht sich auf sehr, sehr viele Dinge. Alles was mit Körperhygiene und Haushalt zu tun hat. Aber auch das meiste andere. Für mich ist sowas wie Zähneputzen nicht einfach nur Zähneputzen. Es ist:
- aufstehen
- unterbrechen, was ich gerade tue
- planen (Esse ich jetzt mein Frühstück, warte eine halbe Stunde und putze mir dann die Zähne oder schaffe ich es, sie mir jetzt zu putzen und dann noch eine halbe Stunde zu warten?)
- neues Sensory Environment (Als Autistin bin ich da besonders anfällig für. Besonders Abends ist es am schlimmsten, weil ich dann das Licht anmachen muss und das ist mir zu hell, obwohl es ein dunkleres, warmes Licht ist.)
- mein Gehirn muss sich auf einen neuen Task fokussieren (Geht nicht, wenn ich gerade mit etwas anderem beschäftigt bin und direkt nach dem Aufstehen Zähneputzen ist für mich einfach selten machbar)
- Die Sensory Experience bezüglich Zahnbürste, Zahnpasta, Mundspülung (Das mag ich nicht, das ist so overwhelming, das tut weh und manchmal bekomme ich davon Kopfschmerzen. Ich hab das schon als Kind so oft nicht gemacht, weil es zu viel war und es wehtat. Selbst mit elektrischer Zahnbürste geht es nicht, supersanfte Borsten fühlen sich im ersten Moment gut an, sind aber schnell zerrupft und dann pieksen mich diese superfeinen Härchen am Zahnfleisch. Kinderzahnpasta ist okay und an sich mag ich meine Mundspülung. Ist ziemlich mild und trotzdem frisch genug. Aber es ist alles trotzdem sooooo viel.)
- Mein Handgelenk verkrampft sofort (Auch beim Schreiben), ich scheine irgendwie meistens zu feste zu schrubben
Ich glaube, normalerweise sehen Leute solche alltäglichen Tasks/Aufgaben als etwas an, was man "nebenher" macht. Sie sehen nicht all die x-tausend Schritte, sondern sie sehen nur "Zähneputzen". Sie sehen nicht "unterbrechen, aufstehen, ins Badezimmer gehen, Licht einschalten, Zahnbürste nehmen, Zahnpasta drauf, schrubben, ausspucken, eventuell Mundspülung danach, ausspucken" ...
Sie sehen auch lediglich "duschen". Aber ich sehe "schauen, ob die Duschmatte noch sauber genug ist, Haare aus der Badewanne entfernen, Vorleger zurechtmachen (Haare, Fussel etc. entfernen, neue Kleidung zum Überwerfen raushängen, eventuell vorher kehren, Badewanne wischen, schauen, dass ich benutzbare Handtücher habe, die extra falten und rauslegen" ...
Und die meisten sehen "einfach kurz runterspringen, Wasser an, das war's", doch ich sehe "extra ausziehen, dann ist mir (im Winter, auch mit aufgedrehter Heizung) so kalt, dann muss ich meinen Körper extra in die Wanne schleifen, dann muss ich das Wasser andrehen und es wird kalt sein und mehrere Sekunden dauern, bis es lauwarm/warm ist und mein Körper wird nass und ich will nicht, dass mein Körper nass wird, er soll trocken bleiben" ...
Manchmal könnte ich echt heulen. Sobald mein Körper und meine Haare nass sind geht der Rest wie von selbst, doch bis ich dahin komme, brauche ich im besten Fall Stunden an Vorbereitungszeit. Meine Güte, ungelogen? Ich brauche Vorbereitungszeit für die Vorbereitungen (Handtücher rauslegen etc.)! Kein Witz.
Deshalb fällt es mir auch so schwer, duschen zu gehen, nachdem ich (länger, so ab 3 Stunden) unterwegs war. Ganz besonders, wenn ich gegen Abend oder sogar tatsächlich am Abend zurückkomme. Ich konnte mich nicht darauf vorbereiten, denn mein Gehirn hatte ja keine Sensory Break gehabt (unterwegs ist es laut, da sind Lichter, Leute, Tumult, Gerüche, Wind, Kälte, Hitze, ...) und jetzt soll ich auch noch duschen und mir auch noch die Sensory Hell namens "Dusche" (bzw. Badewanne, die als Dusche umfunktioniert wurde und nein, baden gehen ist leider keine Option, denn das hasse ich sogar noch mehr als Duschen) antun?
Und ein weiterer Unterschied scheint auch einfach diese etablierte Routine zu sein. Für die meisten Leute ist sowas Alltag. Sie machen es, ohne darüber nachzudenken, wie im Autopilot, ganz automatisch, wie Atmen, es kostet sie keine Energie, und wenn, dann maximal 1% von 80-100% Energie, die sie für den Tag haben. (Um das mit mir zu vergleichen: Selbst Aufstehen nimmt schon 10% weg, von maximal 40-50%.)
Ich weiß nicht, wie das bei dir ist, aber für mich persönlich nimmt alles Energie weg. Ich denke sogar häufig, Schlafen nimmt mir Energie weg. Ich könnte wortwörtlich nichts tun, außer Atmen und ich würde Energie verlieren. Ich kann nicht "rechargen". Ich kann Dinge tun, die etwas weniger Energie von mir abverlangen und mich fröhlich stimmen, aber dadurch würde halt nichts gemacht werden. Mein Zimmer wäre eine einzige Müllhalde, ich hätte mir seit vier Tagen nicht die Zähne geputzt und seit über einer Woche nicht geduscht. (So war das bei mir noch vor wenigen Monaten, doch ich versuche mein Allerbestes, daran etwas zu ändern, aber meine Güte, ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalten kann. Jeder Tag besteht aus Planen, Planen, Planen. Stehe ich auf, kann ich den ganzen Tag nur ans Duschen denken*, ans Zähneputzen usw. Ich hab maximal 50% Energie und selbst sowas "Simples" überzieht meine Energiereserven schon. Wenn Aufstehen 10% wegnimmt, dann nimmt Duschen 30% weg, Zähneputzen 15%, das 2x täglich, also 30%, ... Ja, da bin ich bei 70%! Mindestens 20% überzogen. Das ist wie wenn du deine Kreditkarte ständig überziehst. Irgendwann wirst du das nachzahlen müssen und ich werde das schon bald auch tun müssen. Ich kann es spüren. Dann kann ich monatelang froh sein, wenn ich es aus dem Bett schaffe.)
*nach dem Aufstehen Duschen ist auch keine Option. Unter anderem da sich über den Tag verteilt Schweiß etc. ansammelt und ich dann so ins Bett müsste ... Jaaaa ...
Und das wohl Schlimmste ist ja: Ich will es schaffen, ich liebe das Gefühl nach der Dusche, nach dem Zähneputzen, nachdem ich aufgeräumt, gestaubsaugt habe, mein Bett gemacht habe. Ich fühle mich schrecklich, wenn ich länger als 3 Tage nicht dusche (2, wenn es Sommer ist), aber manchnal frage ich mich ... Zu welchem Preis? Verstehst du? Weil mein Gehirn kriegt dadurch nicht genug "Belohnung". Ich muss das immer im Vergleich zu der Energie sehen, die ich reingesteckt habe. Wenn ich 30% Energie ins Duschen gesteckt habe: Bekomme ich die dann wieder zurück? Nein. Ich fühle mich gut, doch zu welchem Preis? Mit ganz viel Glück kriege ich 5% zurück.
Wenn ich tot bin wird niemand sagen "Also das Zitruseulchen, das hat immer so schön geduftet, sie war immer frisch geduscht, ihr Zimmer stets aufgeräumt, ..."
Ich WILL mich besser fühlen, doch es besteht schlicht und ergreifend keine Energie dafür.
Das wäre wie, als würde man 12 Stunden, 7 Tage die Woche, den gefährlichsten Job der Welt ausführen und würde mit 5 Cent die Stunde entlohnt werden. Sagen wir mal, dass der gefährlichste Job der Welt auch der allerwichtigste Job der Welt wäre. Wichtig für das Leben der Gesellschaft - Wir alle profitieren davon und wird der Job nicht ausgeführt, leiden wir alle merklich. Würde irgendjemand diesen Job ausführen, wenn es nur 5 Cent die Stunde gäbe, unter diesen Bedingungen? Würde irgendjemand das freiwillig tun? Höchstwahrscheinlich nicht. Aber es müsste halt getan werden.
Und genau deshalb bringt es mir nichts, das Argument "es muss halt getan werden".
Ich kann keine Dinge tun, weil sie "leicht" sind und sie "eben getan werden müssen".
Bei mir ist das halt eher so ein Autism-Sensory-Executive-Dysfunction-Ding. Ich denke weniger, dass es bei mir an einer Depression liegt. Wurde damit nie diagnostiziert. (Vielleicht Autistic Burnout, aber na ja.)
Eventuell ist das noch normal, wenn man das so 1-2x im Jahr mal hat. Wenn z.B. dein Partner mit dir Schluss macht oder einfach etwas passiert, was einen extrem mitnimmt und für eine Weile sehr traurig macht. Das könnte ich mir vorstellen. Aber wenn es zu häufig vorkommt, du es auch schon bemerken kannst (an, nun ja, Dingen die eben passieren, wenn man sich seit vielen Jahren nicht regelmäßig die Zähne putzt ... Ich will darauf nicht näher eingehen, das geht mir zu nah), dann ist es definitiv und absolut nicht normal.
Bzw. bei Depression wäre es für dich so gesehen "normal", aber halt leider trotzdem auf Dauer sehr negativ und mit Konsequenzen verbunden. Es ist nicht "normal" im Vergleich zu den meisten anderen Leuten - Mal so ausgedrückt.
Entschuldige bitte, du siehst es aus Sicht eines Autisten. Daher kann ich deine Meinung mit dir nicht teilen.
Unter Normal verstehe ich Personen weitestgehend ohne psychischen und physischen Störungen und Erkrankungen.
"Viele" User lesen ungern ultralange Beiträge, insbesondere Legastheniker u.ä., die es hier gibt...
Hallo Scheibenkleiste!
Wenn es nur manchmal ist und man ist körperlich erschöpft, ist es durchaus normal.
Sozialer und psychischer Stress wie auch Schlafmangel können u.a. schlapp und motivationslos machen. Dann sind relativ einfache Dinge wie Zähne putzen oder Duschen in diesem Moment völlig unwichtig und auch nicht lebensnotwendig.
Wenn du tagtäglich keine Kraft hast, ist es nicht mehr normal und kann dann krankheitsbedingt sein...
Körper und Psyche beeinflussen sich gegenseitig sehr stark und das wirkt sich auf die Gesundheit des Menschen aus. Angst, Depression und Furcht haben einen starken Einfluss auf die Funktion dieses Systems.
LG Sarkasie
Jo, bei mir ist es manchmal so. Dann putze ich mir meine Beißerchen ruckzuck mit der US-Bürste nur paar Sekunden und fertig. Zwischendurch benutze ich Zahnkaugummi und beiße fast täglich in ein bis zwei knackige Äpfel rein. Dies unterstützt die Reinigung der Zähne.
Einfache Dinge, die nicht unbedingt wichtig sind, hole ich zeitnah nach.
Wenn du mehrere Tage ausgepowert ohne Energie und Kraft bist, isr es nicht mehr normal.
Ich denke schon. Richtig Zähneputzen dauert länger als nur paar Sekunden. Man macht es meist im Stehen. Wenn man total kraftlos ist, hat man häufig keine Motivation für einfache Dinge.
Kommt drauf an. Wenn du Depressionen hast, kann das schon normal sein.