Hobbes und Rousseau: Erziehung?

2 Antworten

In „Einführung in die Pädagogik“ von Margit Stein heißt es:

„Die erste Lehrkraft würde wohl eher die Annahme von Thomas Hobbes unterstützen, dass das Kind von Natur aus böse sei und durch Erziehung erst für die Gesellschaft gefügig gemacht werden müsse („homo homini lupus“, vgl. Hobbes 1994). Die zweite Lehrkraft vertritt womöglich die Annahme von Jean-Jacques Rousseau, dass das Kind von Natur aus gut und oftmals nur durch falsche Erziehung in seiner natürlichen Neugier beeinträchtigt sei.“

Stein, Margit, Allgemeine Pädagogik, reinhardt verlag

Armer Hobbes, aus dieser Nummer des „homo homini lupus“ kommt er nicht mehr raus. Auf diesen gefälligen Dualismus von „böser Naturmensch“ und „guter Naturmensch“ (Hobbes gegen Rousseau) hat man sich eingeschossen, erst recht in einer Literatur, die von den Grundzügen des Idealismus getragen ist. Hobbes als das Prachtbeispiel eines grundschlechten Materialisten wird plakativ an die Wand gemalt.

Dass beide von der epikureischen Grundvorstellung des Staatsvertrages kommen, wird unterschlagen. Dass beide ihre persönliche Lebenswelt reflektieren, weil außer Mutmaßungen noch keine historischen und neutral-wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Frage der Entwicklung von Mensch und Gesellschaft vorliegen, bleibt außen vor. Lässt man diese plakative Grundausmalung weg, erkennt man die Gemeinsamkeiten. Beide sehen die Notwendigkeit einer Erziehung zur Entfaltung einer ethischen Persönlichkeit für alle Menschen, nicht nur die Kinder des Adels. Beide sind der Meinung, dass diese Erziehung eine gesellschaftliche Aufgabe ist, um eine Gesellschaft mit mehr Gerechtigkeit und Ethik grundzulegen (Adelige wurden von Privatlehrern erzogen, andere von den Pfarrern). Beide, Hobbes mehr als Rousseau, sind bestrebt, vom engen Menschenbild der Scholastik wegzukommen hin zu einem moderneren Menschenbild und Gesellschaftsmodell. Dass in dieser Zeit des Aufbruchs noch vieles vom privaten, persönlichen Erleben geprägt ist und nicht unbedingt „ausgegoren“, sollte eher Anlass sein, die nach vorne weisenden Ideen beider Philosophen herauszustellen.