Habt ihr mal jemanden mit NS-Vergangenheit gekannt?

11 Antworten

Ich stamme nicht aus einer deutschen Familie, aber ich kannte einige sehr alte Männer, die so um 1920 geboren waren, die im Krieg waren und wo es hieß, die waren bei der Wehrmacht und einer sei "ganz nah bei Theresienstadt" gewesen, wie er mir hochbetagt erklärt hat; je älter sie wurden, umso nachdenklicher wurden sie und umso mehr rannten sie ständig in die Kirche zum Beten.

Ich habe das so stehen lassen. Der eine, der gesagt hat, er sei "ganz nah bei Theresienstadt" gewesen, war mir näher bekannt. Für mich war er kein Verbrecher, sondern ein alter Mann, der in seiner Jugend keine andere Wahl gehabt hat und den Krieg sonst wahrscheinlich nicht überlebt hätte. Er war 15 oder 16, als er eingezogen wurde - fast noch ein Kind. Ich habe ihn als Mensch sehr geschätzt und er war letztlich ein Opfer seiner Zeit und des Systems.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Ich (Jahrgang 1979) kannte aus meinen jungen Jahren doch noch einige Herren, die bei der SS waren.

Oft waren die Leute ganz charmant und an Stammtisch beliebt. Erschreckend war, wie unbedarft sie gelegentlich über schreckliche Taten aus dem Krieg berichtet haben.

Jeder nicht mehr ganz so junge User hier duerfte Eltern oder Grosseltern mit zumindest teilweiser NS-Vergangenheit haben.

Mein uronkel ist auf ne Miene gefahren und der Opa von meinem cousin ist in stalingrad gefallen

wenn du diejenigen meinst, die wir heute als Kriegsverbrecher bezeichnen würden

KZ-Häftlingswärter, Gauleiter usw.

nein - ist mir niemand bekannt

meine Großeltern und Urgroßeltern waren alles arme Leute - auch nach dem Krieg - für gewöhnlich haben sich diese Kriegsverbrecher schamlos bereichert (kleiner, netter Nebeneffekt für sie) - also vermute ich, meine Urgroß- und Großeltern gehörten nicht dazu

viele haben natürlich für den Rest ihres Lebens geschwiegen, sodass es niemand erfuhr und durch die Kriegswirren am Ende des WWII konnten so viele ihre Identität verschleiern, indem sie die Personalien eines im Krieg oder auf der Flucht Verstorbenen annahmen - andere lebten mit gefälschten Papieren weiter


eishoernchen 
Beitragsersteller
 17.06.2024, 21:13

Ich habe überlegt, ob ich Kriegsverbrecher schreiben soll. Dann dachte ich, dass das aber vielleicht schwer abzugrenzen ist. Jetzt habe ich nochmal nachgedacht und würde es so formulieren: Jemand, der im Krieg mehr als ein Mitläufer oder Opfer des Systems war oder der froh war, als das Ganze wieder vorbei war. Bzw. jemand, der entweder durch gezielte Ausnutzung des Systems profitiert hat wie z.B. die Swarovskis, oder aber jemand, der brutaler vorging, als das System es von ihm verlangte. Das meinte ich im der Frage.

Ich weiß (noch) nicht, welche Methoden in NS-Kinderheimen generell angewandt wurden (kommt wahrscheinlich auch darauf an, welche Kinder dort untergebracht waren). Härte schien jedenfalls wichtig gewesen zu sein. Aber meine Uroma zwang noch nach dem Krieg ihre Kinder als Machtdemonstration z.B ihr eigenes Erbrochenes zu essen, das kommt mir nicht einfach hart, sondern sadistisch vor... Von dem her denke ich, dass sie im Heim wohl sehr gefürchtet gewesen sein muss. Ist das nun schon ein Kriegsverbrechen? Per Definition vielleicht nicht, aber wenn ich daran denke, wieviele Leute es allein in unserer Familie gibt, die noch heute unter den Folgen ihrer Praktiken leiden, fühlt es sich für mich so an.

Wie siehst du das?

apt2nowhere  18.06.2024, 09:37
@eishoernchen

diese Fragen haben sich auch die Alliierten der westlichen Besatzungszonen gestellt - eine genaue Definition gab es anscheinend nicht und wird es wohl nie geben - jeder redete sich auf den "Befehl von oben" heraus, keiner konnte prüfen: war dies so oder nicht? und so schlüpften viele durch die Maschen und saßen alsbald wieder in Amt und Würden - das war einer der Gründe, warum speziell dieses Thema NS-Zeit in den Schulen nicht angesprochen wurde

die Instrumente, derer man sich in der NS-Zeit bediente, waren ganz einfach und funktionieren heute noch