Haben die Samurai eine eigene Kampfkunst bzw eigenen Kampfstil?

2 Antworten

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Ja, das hatten sie. Der große, zusammenfassende Begriff war "Bujutsu" (bedeutet in etwa "Kunst des Krieges"), in späterer Zeit mit philosophischem Überbau dann "Budo" ("Weg des Krieges"). Zu den ursprünglichen Kriegskünsten zählten u.a. Kenjutsu (Fechtkunst), Jujutsu (Nahkampf, meist unbewaffnet) und Kyujutsu (Bogenschießen). In späteren Epochen kam dann beispielsweise das Hojutsu (Schießen mit Feuerwaffen) hinzu. Die jeweiligen Kriegs- und Kampfkünste unterteilten sich dann in die jeweiligen Ryuha, sprich Schulen und Stilrichtungen. Im Kenjutsu gab es neben vielen weiteren beispielsweise die Katori-shinto-ryu, Jigen-ryu oder Niten-ichi-ryu. Am Rande gab es dann noch Künste, die nur indirekt mit dem Kampf zu tun hatten. So z.B. die Tarnung (Ninjutsu) oder Hojojutsu (Fesselungstechniken für Kriegsgefangene).


Enzylexikon  11.08.2014, 13:35

Um ergänzend vielleicht noch etwas beizutragen:

Wie Laufvogel richtig sagte, verfügten die Samurai über zahlreiche Methoden (jutsu) sich bewaffnet und unbewaffnet zu verteidigen.

Ziel dieser Methoden war meist, den Gegner zu töten, oder so schnell wie möglich handlungsunfähig zu machen.

Als zunächst mit dem Tokugawa-Shogunat ein gewisser Friede im Land einkehrte und schließlich mit der Meiji-Periode die Modernisierung Japans begann, war für derart "brutale" Methoden kein Platz mehr.

Es drohte also vielfach das Ende traditioneller Stile.

Von der Kriegskunst zur Kampfkunst

Daher gingen bedeutende Meister der Kriegskunst dazu über, die tödlichen Techniken zu entschärfen und aus den einstigen Kriegskünsten die modernen Kampfkünste zu schaffen.

Diese dienten nun nicht mehr dazu, Menschen möglichst effektiv zu töten, sondern der Schwerpunkt wurde auf Aspekte wie Charakterschulung und persönliche Entwicklung der Praktizierenden gelegt.

Die früheren Kriegstechniken wurden zu Wegen (do) zur persönlichen Entwicklung. Aus Aiki-jujutsu wurde Aikido, aus Jujutsu wurde Judo und aus Karate wurde Karatedo

Eigenschaften wie Edelmut, Gerechtigkeitssinn, Gelassenheit und Konzentration nahmen von da an einen großen Stellenwert ein.

Dennoch sind viele der modernen Kampfkünste weiterhin zu einer effektiven Selbstverteidigung geeignet und wer sich längerfristig mit einer Kunst beschäftigt, wird auch erkennen, an welcher Stelle früher potentiell tödliche Techniken genutzt wurden.

Von der Kampfkunst zum Kampfsport

In einigen Fällen legte man jedoch Wert darauf, die einstigen Kampftechniken zu einem pädagogischen Mittel zu machen und vor allem die körperliche Fitness zu erhöhen.

Da die Techniken, wenn sie fair und kontrolliert ausgeführt werden, nicht mehr zu schweren Verletzungen führten, lag es nahe, auch Wettkämpfe einzuführen.

So gab es dann Sportarten, in denen Punkte für besonders gute Technik, Körpertreffer, oder effektive Griffe Einzug hielten.

Die Entwicklung von Kriegskunst zu Kampfkunst und Kampfsport verlief übrigens parallel und führte zum aufeinandertreffen beider Herangehensweisen.

Während einige Kampfkünste weiter an älteren Vorstellungen und Idealen festhielten, entwickelten sich gleichzeitig moderne Wettkampfsportarten.

Ein Beispiel dafür ist ein Gespräch, dass zwischen Morihei Ueshiba, dem Begründer des Aikido und Jigoro Kano, dem Begründer des Judo geführt worden sein soll.

Nachdem einige Aikido-Schüler die Judoka herumgewirbelt hatten, fragte Ueshiba etwas irritiert, was für eine Art von Kampfkunst dieses Judo denn nun eigentlich darstellen sollte.

Jigoro Kano habe daraufhin erklärt, es handele sich beim modernen Judo weniger um eine Kampfkunst, sondern mehr um pädagogische Leibesertüchtigung.

Grenzen zwischen Kampfkunst und Kampfsport

Heute kann der gleiche Weg - wie etwa Karate - unterschiedlich gelehrt werden.

Während einige Karate-Stile mittlerweile internationale Wettkämpfe durchführen und sogar Vollkontakt-Karate mit Punkten geübt wird, gibt es weiterhin Karate-Lehrer, die eine derartige Herangehensweise ablehnen.

So kann es sein, dass man beim Besuch eines Karate-Vereins, Menschen mit Schutzkleidung begegnet, während sich bei anderen die Mitglieder nicht einmal berühren, sondern sich auf das Praktizieren von Kata - eine Art konzentrierter Einzelkampf gegen imaginäre Gegner - beschränken.

Auch im Aikido gibt es Stile, bei denen Angriffstechniken auf bestimmte Körperstellen nur angedeutet werden, um den Angreifer aus dem Gleichgewicht zu bringen, während es in anderen tatsächlich härter durchgezogene Atemi gibt.

Auch das ist ein Grund, weshalb es sinnvoll ist, sich bei der Suche nach der Kampfkunst, oder dem Kampfsport, der einem am besten liegt, nicht nur vorher schlau zu machen , sondern ein Probetraining absolviert.

Ich hoffe, diese Ergänzungen waren hilfreich. :-)

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Laufvogel  11.08.2014, 22:41
@Enzylexikon

Danke für deine Ergänzung, Enzylexikon. Allerdings halte ich die Aussage, dass die alten Meister die Kriegskünste entschärften, für sehr gewagt. Judo als Beispiel enthielt zu Kano-Sensei´s Lebzeiten eine Vielzahl von Techniken, die ein erhebliches Gefahrenpotenzial aufwiesen. Die Techniken wurden schlichtweg aus dem Trainingsplan gestrichen, da sie u.a. Wettkämpfen entgegen standen. Auch O-Sensei bediente sich emsig im mitunter tödlichen Repertoire anderer Jujutsu-ryuha, wenngleich das Daito-ryu die wohl härteste Gangart war. Betrachtet man die Techniken jedoch unabhängig von den Aikido-typisch weichen, runden Eingängen, kann von einer generellen Entschärfung der Techniken meines Erachtens keine Rede sein. Dafür spüre ich Asai´s Shiho-nage und Irimi-nage noch zu sehr in den Knochen, haha. Darüber hinaus denke man nur an die Schwertkatas, welche O-Sensei nahezu unverändert aus der Kashima shinto-ryu übernahm.

Ich stimme dir aber vollkommen zu, dass das Erlernen der Kampfkünste nicht länger das Töten zum Zweck hatte, sondern der körperlich-geistigen Erziehung galt.

PS: Zu deiner Anekdote mit Ueshiba und Kano- die "besten" Aikidoka waren allerdings beinahe allesamt ehemalige Judoka. :-D

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Enzylexikon  12.08.2014, 01:31
@Laufvogel

Im Bezug auf die Entschärfung meinte ich eben jenes Streichen aus dem Lehrplan - die Gefahr im Training durch potentiell tödliche Techniken wurde entschärft

Da habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt, Entschuldigung. :-)

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Melvanen 
Beitragsersteller
 10.08.2014, 19:38

Danke, danke!!! Du warst mir eine (sehr) große Hilfe!

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