Gracchus Reformen?

2 Antworten

Es hat in der römischen Geschichte mehrere Personen mit dem Beinamen (cognomen) Gracchus gegeben. Daher ist eine Angabe günstiger, welche Person genau gemeint ist.

Im Zusammenhang mit Reformen kommen vor allem zwei Brüder in Frage.

Tiberius Sempronius Gracchus (162 – 133 v. Chr.)

Tiberius Sempronius Gracchus hat als Volkstribun an eine alte Regelung angeknüpft, nach ein Einzelner oder eine Familie vom ager publicus (Staatsland/öffentliches Land) nicht mehr als 500 iugera (Joche/Morgen Landes; 1 iugerum = 0, 25 Hektar) Ackerland, 100 Stück Großvieh und 500 Stück Kleinvieh besitzen dürfe. Es hat von ihm ein einziges Reformgesetz gegeben. Die Auseinandersetzungen um das Gesetz und seine Durchsetzung haben ihn stark beschäftigt und dann wurde er getötet.

Ackergesetz: Das Ackergesetz (lex Sempronia agraria) bestimmte eine Obergrenze von 500 iugera (= 125 Hektar) Besitz am ager publicus (Staatsland/öffentliches Land) sowie wohl je 250 iugera für zwei Söhne, insgesamt also höchstens 1000 iugera (= 250 Hektar) und eine Verteilung von Land des ager publicus (20 – 30 iugera [= 5 – 7m, 5 Hektar] an bäuerliche Siedler. Die Inhaber der kleinen Bauernstellen zahlten eine geringfügige Pachtabgabe an den Staat, im übrigen war das Land ihr unveräußerlicher Besitz (diese Bestimmung sollte verhindern, das Land an reiche Leute zu verkaufen, die dazu drängten oder überredeten).

Gaius Sempronius Gracchus (153 – 121 v. Chr.)

Gaius Sempronius Gracchus war 123 und 122 v. Chr. Volkstribun.

Ackergesetz: Das erneuerte Ackergesetz (lex agraria; anknüpfend an das von seinem Bruder Tiberius Sempronius Gracchus beantragte Gesetz) nahm strittige Gebiete (gedacht werden kann an das öffentliche Land in Kampanien und bundesgenössisches Land, dessen Rechtsstatus umstritten war) von der Einziehung und Verteilung aus. Anscheinend zielte das Gesetz auch auf Landtausch zur Gewinnung großer zusammenhängender/geschlossener Landkomplexe für die Gründung von Kolonien, in denen Bürger angesiedelt werden konnten. Die Ackerkomision bekam ihre richterliche Befugnis über Streitfragen in dieser Angelegenheit zurück.

Gesetz zur Wiederwahl eines Volkstribunen: Das Gesetz zur Wiederwahl eines Volkstribunen (lex de tribunis plebis reficiendis) legalisierte (anerkannte als gesetzlich erlaubt) eine Wiederwahl zum Volkstribunen.

Gesetz zum Provokationsrecht/über den Kopf (das Leben) des Bürgers: Das Gesetz zum Provokationsrecht/über den Kopf (das Leben) des Bürgers (lex Sempronia de provovatione/lex de capite civis) verbot die kapitale Verurteilung (Hinrichtung) römischer Bürger ohne Gerichtsverfahren und die Möglichkeit einer Anrufung des Volkes. Dies war eine Einschärfung eines alten Grundsatzes. Ein römischer Bürger hatte das Recht, bei drohender Verurteilung zum Tode das Volk anzurufen (provocatio ad populum). Nicht vom Volk eingesetzte Gerichte, also z. B. durch vom Senat eingesetzte Sondergerichte als Strafgerichstshöfe, wurden für verboten erklärt. Bei Zuwiderhandlung wurden Strafen angedroht. Die Tötung römischer Bürger ohne Verurteilung in einem Gerichtsverfahren durch ein vom Volk eingesetztes Gericht wurde unter schwere Strafe gestellt.

Gesetz zur Getreideversorgung: Nach dem Gesetz zur Getreideversorgung (lex frumentaria) bekam jeder in der Stadt Rom lebender Bürger bekam eine subventionierte Getreidelieferung zu einem Preis von 6 1/3 Asses (1 As war eine grundlegende römische Münzeinheit) pro Scheffel (modius; Livius, Periochae 60), vermutlich 5 Scheffel pro Monat.

Gesetz über den Ausbau der Straßen: Das Gesetz über den Ausbau der Straßen (lex de viis muniendis) sorgte mit Maßnahmen in Bereich der Infrastruktur (Ausbau der Straßen/Verkehrswege und Errichtung großer staatlicher Speicher/Lagerhäuser) dafür, die Bestimmungen des Getreidegesetzes in die Praxis umsetzen zu können, und sicherte so die Getreideversorgung zu einem festen günstigen Preis.

Militärgesetz: Das Militärgesetz (lex militaria) bestimmte (in Einschärfung eines bestehenden Grundsatzes zur Aushebung von Soldaten), nur wer das 17. Lebensjahr vollendet hat, dürfe zur römischen Armee eingezogen werden. Die Kosten der Einkleidung und Ausrüstung gehen zu Lasten der Staatskasse, werden nicht in einer Anrechnung vom Sold abgezogen.

Gesetz gegen korrupte Praktiken bei der Urteilsfällung: Nach dem Gesetz gegen korrupte Praktiken bei der Urteilsfällung (lex ne quis iudicio circumveniatur) sollte der einzelne Bürger gegen eine durch Bestechung oder anderweitige Beeinflussung erzielte Verurteilung geschützt werden.

Richtergesetz: Durch das Richtergesetz (lex iudicaria; vom Volkstribunen Manlius Aciluus Glabrio beantragt) wurden Senatoren von ihren traditionellen richterlichen Funktionen und straf- und zivilrechtlichen Verfahren ausgeschlossen. Einzel- und Geschworenenrichter wurden aus einer Liste der Ritter (equites; dienten nach der alten Heeresverfassung als Reiter und gehörten zur ersten Vermögensklasse, waren also wohlhabende Leute) bestellt. Ein Teil der Quellen gibt eine Ergänzung der Gerichtshöfe durch Ritter als Geschworene (zu 300 Senatoren noch einmal 300 Ritter als Geschworene) an bzw. eine Ergänzung des Senats um 600 Ritter.

Gesetz über die Provinz Asia: Nach dem Gesetz über die Provinz Asia (lex de provincia Asia) wurde die Steuerpacht (Einziehung der Steuern und Abgaben) in der Provinz Asia den Steuerpächtern (publicani), zu den Rittern gehörig, zugesprochen. Dies ist eher eine taktische Maßnahme zum Gewinnen von Unterstützung gewesen, keine Reform in einer echten gehaltvollen Wortbedeutung.

Gesetz über Repetundenprozesse/Prozesse über die Zurückforderungen von Gelder: Nach dem Gesetz über Repetundenprozesse/Prozesse über die Zurückforderungen von Geldern (lex repetundarum) wurden Verhandlungen wegen Schadenersatzforderungen der Untertanen in Provinzen bzw. italischer Bundesgenossen gegen einen römischen Magistraten wurden von einem schiedsrichterlichen Verfahren zu Strafverfahren umgewandelt.

Gesetz über die konsularischen Provinzen: Das Gesetz über die konsularischen Provinzen (lex de provinciis consularibus) bestimmte, der Senat sollte noch vor den Konsulwahlen die Amtsbereiche der Konsuln festlegen und bestimmen, welche Provinzen den zu wählenden Konsuln zufallen sollten. Gegen die Entscheidung war keine tribunizische Interzession statthaft. Dies ermöglichte einem Konsul mehr Vorbereitung auf seine Aufgabe, richtete sich aber wohl vor allem gegen Manipulation und Korruption.

In Bibliotkeken gibt es Literatur zum Thema, z. B.:

Jochen Bleicken, Geschichte der römischen Republik, 6. Auflage. München : Oldenbourg, 2004 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte ; Band 2), S. 61 – 66

Wolfgang Blösel, Die römische Republik : Forum und Expansion. Originalausgabe. München : Beck. 2015 (C.H. Beck Geschichte der Antike. C.H. Beck Paperback ; 6154), S. 155 - 167

Klaus Bringmann, Geschichte der römischen Republik : von den Anfängen bis Augustus. 2., durchgesehene Auflage. München : Beck, 2010 (Beck's historische Bibliothek), S. 215 – 228

Klaus Bringmann, Krise und Ende der römischen Republik : (133 - 42 v. Chr.). Berlin : Akademie-Verlag, 2003 (Studienbücher : Geschichte und Kultur der Alten Welt), S. 47 – 51 und S. 156 – 164

Karl Christ, Krise und Untergang der römischen Republik. 8. Auflage (unveränderter Nachdruck der 7. Auflage 2010). Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2013, S. 117 – 149

Herbert Heftner, Von den Gracchen bis Sulla : die römische Republik am Scheideweg ; 133 - 78 v. Chr. Regensburg : Pustet, 2006, S. 64 – 84 und S. 253 – 256 (Anmerkungen)

Bernhard Linke, Die römische Republik von den Gracchen bis Sulla. 3., bibliographisch aktualisierte Auflage. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2015 (Geschichte kompakt), S. 17 - 62