Themistokles/Kleisthenes?
Hallo,
Folgende Frage. Während Zeiten des Themistokles wurde das Losverfahren für fast alle Ämter geprägt. War es aber so, dass das zu den Kleisthenschen Reformen dazu kam oder Themistokles jetzt eine völlig neue Reform errichtete?
2 Antworten
In der athenischen Demokratie ist die von Kleisthenes geschaffene politische Ordnung wesentlicher Rahmen der Verfassung geblieben. Es hat gelegentliche Änderungen gegeben, aber innerhalb der athenischen Demokratie ist keine ganz neue Ordnung errichtet worden.
Über genaue Einzelheiten zur Besetzung von Ämtern im antiken Athen in der geschichtlichen Entwicklung sind die Informationen in erhaltenen antiken Quellen knapp.
Das Losverfahren ist in der Antike besonders mit der Demokratie verbunden. Das Losverfahren ist aber nicht unbedingt demokratisch, weil die Auslosung auch auf eine kleinere Gruppe innerhalb der Bürger beschränkt sein kann, z. B. die Adligen oder die Reichen.
Das Losverfahren bewirkt bei den Ämtern eine Gleichheit unter denne, die gleichermaßen als in Betracht kommend gelten.
Bei Solon hat es eine Auslosung unter Vorgewählten gegegeben, bei diesen Kandidaten gab es aber eine Beschränkung nach Vermögensklassen (Aristoteles, Athenaion Politeia 8, 1 - 2).
Die Archonten wurden bei Kleisthenes offenbar gewählt. 487/486 v. Chr. wurde dann eine Losung der Archonten aus von den Demen jeweils für eine Phyle vorgewählten Kandidaten (πρόκριτοι [prokritoi]) eingeführt (Aristoteles, Athenaion Politeia 22, 5). In der Quelle steht eine Zeitangabe (Jahr, als Telesinos Archon war), sie enthält aber keinen Hinweis auf Themistokles. Themistokles hat am meisten Bedeutung für außenpolitische Machtpolitik, durch Flottenbau, Hafenerweiterung und Mauerbau, was für die Perserkriege und die Schaffung des Attischen Seebundes wichtig war. Eine bedeutende Umgestaltung der Verfassung hat er nicht herbeigeführt.
An Veränderungen, die im Verlauf des 5. Jahrhunderts v. Chr. zu einem Ausbau der Demokratie führten, waren andere Politiker beteiligt.
- weitgehende Entmachtung des Areopags: Um 462/461 v. Chr. wurden dem Areopag (ein Rat ehemaliger Archonten) einige von ihm ausgeübte Aufsichts- und Eingriffsrechte entzogen, die ihn vorher als Wächter des Staates und der Gesetze erscheinen ließen, und teils auf die Volksversammlung, teils auf den Rat der 500, vor allem aber auf die Volksgerichte übertragen.Die führende Rolle hatte dabei Ephialtes. Perikles hat wahrscheinlich diesen Kurs unterstützt.
- Ausweitung des Losverfahrens, auf viele (nicht alle) Ämter
- Herabsetzung der Besitzanforderung für die Wählbarkeit zu einem Amt: Seit 457 konnten auch Angehörige der dritten Vermögensklasse, die Zeugiten zu Archonten gewählt werden.
- Einführung von Zahlungen, die auch Ärmeren besser eine Beteiligung ermöglichten: Tagegelder für Geschworene in Volksgerichten, Mitglieder des Rates der 500 und etliche Amtsinhaber - eine μισθός (misthos [Lohn, Besoldung]) genannte finanzielle Aufwandsentschädigung (heute wird so etwas „Diäten“ genannt) - und wohl auch Einrichtung einer Schaugelderkasse (θεωϱικόν [theorikon]) zur Teilnahme an den Theateraufführungen während des dreitägigen Staatsfestes der Großen Dionysien; in den antiken Quellen gibt es auch Aussagen über eine Einführung in späterer Zeit durch andere Politiker bzw. Erhöhungen von Zahlungen durch die Politiker Kleon und Kleophon)
In der athenischen Demokratie wurden die meisten politischen Ämter (sie hatten gewöhnlich eine Amtsdauer von 1 Jahr) durch ein Losverfahren vergeben. Von ungefähr 700 Ämtern gab es für ungefähr 600 Ämter eine Auslosung, für ungefähr 100 Ämter eine Wahl (durch die Volksversammlung).
Eine Wahl gab es für Ämter, die besondere Sachkenntnisse und Fähigkeiten erforderten, z. B. die 10 Strategen, Architekten und Bauaufseher, hohe Finanzbeamte
Das Losverfahren betraf Ämter, bei denen die Gruppe der Bürger, die in Frage kamen, gewöhnlich ein Mindestmaß an Kenntnissen und Fähigkeiten dafür hatten, weil die Ämter keine großen Sachkenntnisse und Fähigkeiten erforderten und Einzelne keinen weiten Spielraum für eigenständige Entscheidungen hatten.
Die große Rolle des Losverfahrens ist Ausdruck der Wertschätzung von Gleichheit als demokratisches Prinzip. Dem athenischen Volk war politische Teilhabe (Partizipation) sehr wichtig.
Das Losverfahren war bereits ein Bestandteil der athenischen Demokratie, das durch die Kleisthenischen Reformen eingeführt wurde. Themistokles trug nicht wesentlich zur Einführung eines neuen Losverfahrens bei, sondern profitierte von und stärkte die bereits existierenden Strukturen. Er war mehr auf militärische und strategische Reformen fokussiert, die Athen in der Zeit der Perserkriege zugutekamen.
LG aus Tel Aviv