Unterschied Solon - Kleisthenes, wer kann es erklären?

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Die Hauptunterschiede sind:

  • Verfassungsform: Solon hat keine Demokratie geschaffen, sondern eine Timokratie eingerichtet (die politischen Rechte und Pflichten waren von der Zugehörigkeit zu einer Vermögensklasse abhängig). Kleisthenes hat eine Frühform der Demokratie (Isonomie genannt) eingerichtet.

  • Bereiche der Neuregelung: Solon hatte auch eine schwerwiegende soziale Krise (unter anderem das Problem der Schuldknechtschaft/Schuldsklaverei) zu lösen und eine auf viele Bereiche bezogene Gesetzgebung durchgeführt. Kleisthenes hat sich im Wesentlichen mit der politischen Organisation beschäftigt.

  • Unterteilung des Staates der Athener in Untereinheiten: Solon hat an einer schon vor seiner Gesetzgebung vorhandenen Unterteilung des Staates der Athener in 4 Phylen (»Stämme«) nichts geändert. Kleisthenes hat dagegen eine Neueinteilung der Athener in von ihm neu geschaffenen 10 Phylen durchgeführt. In der von Solon eingerichteten Verfassung gab es (wahrscheinlich) einen Rat der 400, Kleisthenes hat stattdessen einen Rat der 500 eingerichtet, zusammengesetzt aus je 50 Athenern aus den 10 Phylen, wobei Auslosung stattfand.

  • Scherbengericht mit der Möglichkeit einer zeitweiligen Verbannung eines Atheners aufgrund einer Volksabstimmung: Nach der Überlieferung hat Kleisthenes ein Scherbengericht (Ostrakismos) neu eingeführt, durch das ein Athener für 10 Jahre verbannt werden konnte. Wann dies tatsächlich eingeführt worden ist (schon 508/7 v. Chr. oder später), ist nicht ganz sicher. Solon hat auf jeden Fall nicht ein Scherbengericht eingerichtet.


Albrecht  19.01.2014, 23:36

Kleisthenes

Wichtige Quellen zur Neuordnung sind Herodot 5, 66 und 69 und Aristoteles, Athenaion Politeia (Staat der Athener) 21 (wozu Aristoteles, Politika (Politik) 1313 b 19 – 27 zusätzlich herangezogen werden kann).

510 v. Chr. wurde der Tyrann Hippias, ein Sohn des Peisistratos gestürzt. Kleisthenes selbst war zunächst bei der Wahl zum höchsten Amt nicht erfolgreich, betrieb aber dann eine Politik, das Volk auf seine Seite zu bringen. Nach Herodot 5, 66, 2 hat er das Volk in seine Hetärie (Gefolgschaft) aufgenommen (Κλεισθένης τὸν δῆμον προσεταιρίζεται). Der zum Archon (ἄρχων) gewählte Isagoras hat sich im Machtkampf zunächst durchgesetzt , auch mit spartanischer Unterstützung. Als Isagoras, der anscheinend eine alleinige Adelsherrschaft anstrebte, den bestehenden Rat auflösen wollte, kam es zu bewaffneten Widerstand und die aufgebrachten Athener belagerten ihn (er hatte sich mit seinen Anhängern und den Spartanern auf die Akropolis zurückgezogen). Am dritten Tag gaben die Belagerten auf (wohl 508 v. Chr.).

Die von Kleisthenes 508/7 v. Chr. herbeigeführte Staatsordnung, Isonomie (ἰσονομία [isonomia]) genannt, war eine Frühform der Demokratie in Athen. Bei den 508/7 durchgeführten Reformen des Kleisthenes bildete eine politische Neuorganisation der athenischen Bürgerschaft, die Phylenreform, ein Kernstück.

Die Einrichtung neu geschaffener, Phylen genannter Einheiten unterteilte Attika in 3 Teile (Ausnahmen: Gebiet von Eleutherai im Westen, Oropos im Norden an der Grenze zu Böotien, Insel Salamis):

1) Stadt (ἄστυ) = Athen

2) Küstengebiet (παραλία)

3) Binnenland (μεσόγαια)

Es wurden 10 Phylen geschaffen, die in Drittel (Trittyen; griechisch: τριττύες) unterteilt waren, jeweils ein Drittel (Trittys; griechisch: τρίττυς) aus jedem Teil (Stadt, Küstengebiet, Binnnenland). Die Phylen, deren Bevölkerung so aus allen Teilen des Landes kam, hatten eigene Phylenkulte und –heroen. Die Grenzen zwischen den neuen Einheiten verliefen oft durch bisher bestehende. Die Phylen waren keine zusammenhängenden geographischen Gebilde. Eine Auswirkung war eine Mischung verschiedener landschaftlicher Gebiete innerhalb jeder Phyle (φυλή). Dies erreichte eine Ausschaltung landschaftlicher Sondereinflüsse und – interessen auf der Ebene der politischen Repräsentation und möglicherweise dadurch eine Schwächung des politisch-kulturellen Einflusses des Adels.

Mitglieder politischer Einrichtungen wurden nach Phylen gewählt bzw. gelost. Die Neuorganisation wurde also zur Grundlage des öffentlichen Lebens. Jede Einheit hatte eigene Versammlungen und Amtsträger. Jede Phyle stellte einen Truppenverband mit einem Strategen an der Spitze.

Der Demos (δῆμος), eine lokale Selbstverwaltungseinheit (insgesamt gab es 139 solche Demen), erhielt als Grundeinheit in dem ineinander verschachtelten System politisches Gewicht.

Der Name eines Atheners sollte nicht mehr aus dem eigenen und dem (möglicherweise adlige und ruhmreiche Herkunft bezeichnenden) Vaternamen bestehen, sondern zum individuellen Namen sollte nur der Name des Demos (dieser Namensteil hieß δημωτικόν) treten, aus dem jemand stammte (symbolisierte Zugehörigkeit zum Demos und Gleichheit aller Athener).

Ein Rat der 500 wurde eingerichtet, neu zusammengesetzt aus je 50 Athenern aus den 10 Phylen, nach einem Losverfahren (Auslosung).

Zu Archonten waren Angehörige der 1. und 2. Vermögensklasse wählbar. Die politische Ordnung erforderte ein hohes Ausmaß an Beteiligung der Durchschnittsbürger und förderte sie.

Nach der Überlieferung geht auf Kleisthenes die Schaffung des Scherbengerichts (Ostrakismos; griechisch: ὀστρακισμός) zurück, bei der durch eine Volksabstimmung jemand für 10 Jahre (ohne Verlust der Ehre und des Eigentums) aus Athen verbannt werden konnte. Ob Kleisthenes tatsächlich diese Einrichtung geschaffen hat, ist allerdings nicht ganz zweifelsfrei. Der erste bekannte Fall einer solchen Verbannung ist erst Hipparchos 487 v. Chr. (Aristoteles, Athenaion Politeia 22). Die Volksversammlung entschied, ob eine Entscheidung, ob ein Scherbengericht durchgeführt werden sollte, und bei Bejahung dieser Frage mit einer Mehrheitsabstimmung (wohl mit einer erforderlichen Mindestbeteiligung von 6000 Mann), welcher Athener verbannt werden sollte.

In Büchern steht etwas zum Thema, z. B.:

Jochen Bleicken, Die athenische Demokratie. 2., völlig überarbeitete und wesentlich erweiterte Auflage. Paderborn ; München ; Wien ; Zürich : Schöningh, 1994, S. 22 – 25, S. 27 – 41, S. 44 – 46 (Die Entwicklung der politischen Ordnung Athens bis auf Perikles)

Michael Stahl, Gesellschaft und Staat bei den Griechen: Archaische Zeit. Paderborn ; München ; Wien ; Zürich : Schöningh, 2003 (UTB : Geschichte ; 2430), S. 152 – 200 und S. 228 - 266

Michael Stahl, Gesellschaft und Staat bei den Griechen: Klassische Zeit. Paderborn ; München ; Wien ; Zürich : Schöningh, 2003 (UTB : Geschichte ; 2431), S. 13 – 63

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NetterGau  10.10.2023, 16:38
@Albrecht

Dies erreichte eine Ausschaltung landschaftlicher Sondereinflüsse und – interessen auf der Ebene der politischen Repräsentation und möglicherweise dadurch eine Schwächung des politisch-kulturellen Einflusses des Adels.

Wie meinst du?

Welches pol. Gewicht erhielt der Demos?

"Die politische Ordnung erforderte ein hohes Ausmaß an Beteiligung der Durchschnittsbürger und förderte sie."?

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Albrecht  11.10.2023, 02:11
@NetterGau

Eine Auswirkung der Neugliederung Attikas nach Phylen durch Kleisthenes war eine Mischung verschiedener landschaftlicher Gebiete innerhalb jeder Phyle (griechisch: φυλή). Dies erreichte eine Ausschaltung landschaftlicher Sondereinflüsse und – interessen auf der Ebene der politischen Vertretung (Rat der 500 aus Bürgern der Phylen gebildet) und möglicherweise dadurch eine Schwächung des politisch-kulturellen Einflusses des Adels. Die Mischung innerhalb einer Phyle könnte die Rolle besonderer Nachbarschaftsverhältnsisse und Abhängigkeiten der Bauern von bestimmten Adligen im Bereich der Politik verringert haben.

Der Demos (die Gemeinde) war die Grundeinheit, auf der die Organisation mit den von Kleisthenes geschaffenen Pylen aufbaute. In den Demen wurden auch die Bürgerlisten geführt.

Die athnenische Demokratie konnte nur lebendig bleiben, wenn viele durchschnittliche Athener oft zuf Volksversammlung kamen, als Geschworenenrichter und im Rat der 500 tätig waren und einfache Ämter übernahmen. Dies wurde als gutes Verhalten gelobt, nach einiger Zeit wurden auch Aufwandsentschädigungen eingeführt.

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Albrecht  11.10.2023, 02:19
@NetterGau

Der Spartanerkönig Kleomenes I. war Gastfreund des Isagoras (Herodot 5, 70, 1; Aristoteles, Athenaion politeia [Staat der Athener] 20, 2).

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Albrecht  19.01.2014, 23:32

Solon

Wichtige antike Quellen sind Solons eigene Gedichte, Aristoteles, Athenaion Politeia 2 – 8 und Plutarch, Solon 13 – 19.

Solon ist nicht der Erste gewesen, der in Athen Gesetze schriftlich aufzeichnen ließ. Drakon war ein athenischer Gesetzgeber, der 621/620 v. Chr. in Athen die ersten schriftlich fixierten „Satzungen“ (θεσμοί) erlassen haben soll.

Solon wurde im frühen 6. Jahrhundert v. Chr. zum Vermittler/Schlichter (διαλλακτής; Wieder-Ins-Lot-Bringer) und Gesetzgeber (νομοθέτης) bestimmt, in der Rolle eines Schiedsrichters (αἰσυμνητήρ und αἰσυμνήτης).

Solon hat die von ihm geschaffene Ordnung als Eunomia (εὐνομία; »gute Ordnung«) verstanden.

Es gab ein verbreitetes Verschuldungsproblem mit harten Folgen für die Bauern, die durch leibliche Haftung in Schuldsklaverei geraten konnten. Im Volk waren Unzufriedenheit, Verbitterung und sozialer Abstieg weit verbreitet, woraus Zwietracht und Streit folgte. Die Veränderungen zum Schlechten für die Bauern liefen auf eine Umwälzung der traditionellen Sozialordnung der Gemeinde hinaus, hin zu einer Gesellschaft, in der Aristokraten über eine Masse von Abhängigen, die an ihr Land gebundenen Bauern herrschten.

Solon hat die Versklavung aufgrund von Schuldknechtschaft abgeschafft und in Zusammenhang mit der „Lastenabschüttelung“ (Seisachtheia [σεισάχθεια]) nach der Überlieferung auch in andere Länder als Sklaven Verkaufte loskaufen lassen.

Die Verfassung Solons hat politische Rechte (darunter Zugang zu Ämtern und Wahlrecht für verschiedene Einrichtungen) und Pflichten nach Vermögensklassen abgestuft, also nach Menge des Einkommens/Besitzes festgelegt. Eine solche politische Ordnung ist später als Timokratie (τιμοκρατία [timokratia], aus den Wörtern τιμή = „Schätzung“, „Wert“, „Preis“, „Ehre“ und κράτος = „Kraft“, „Gewalt“, „Macht“, „Herrschaft“ gebildet; bezeichnet die Herrschaft der Angesehenen/der Besitzenden) bezeichnet worden.

Die nach Einkommen/Besitz unterschiedenen Gruppen (4 Vermögensklassen) waren:

1) Fünfhundertscheffler (πεντακοσιομέδιμνοι [Pentakosiomedimnoi]: Ernteertrag über 500 Scheffel pro Jahr

2) Reiter (ἱππείς [Hippeis]): Ernteertrag über 300 Scheffel pro Jahr

3) Zeugiten (ζευγίτες): Ernteertrag über 200 Scheffel pro Jahr

4) Theten (θήτες): Ernteertrag unter 200 Scheffel pro Jahr

Zu den 9 Archonten (ἄρχοντες; Singular: ἄρχων [Archon]) waren jährlich nur die Fünfhundertscheffler (Angehörige der 1. Vermögensklasse) wählbar, ebenso als Schatzmeister. Solon hat nach Aristoteles, Athenaion Politeia 8, 1 – 2 die Bestellung der Archonten durch den Rat des Areopag aufgehoben und eine Losung aus einer kurzen Liste Vorgewählter eingeführt (die davon abweichenden Bemerkungen bei Aristoteles, Politik 2, 9, 1273 b 35 – 1274 a 17, Solon habe das aristokratische Prinzip der Wahl vertreten, sind wohl als knappe allgemeine Aussagen auszulegen, die nicht auf Genauigkeit in jeder Einzelheit abzielen).

Fünfhundertscheffler und Reiter leisteten als Reiter Militärdienst. Die Reiter und die Zeugiten (leisteten als Hopliten [Schwerbewaffnete] Militärdienst) waren zu weniger wichtigen Ämtern wählbar. Die Theten (leisteten höchstens leichtbewaffnet Militärdienst, sonst als Ruderer) zu keinen.

Der Rat des Areopag (aus ehemaligen Archonten bestehend) war für Blutgerichtsbarkeit zuständig und hatte wohl einige Aufsichts- und Eingriffsrechte bei der Dokimasia (δοκιμασία), einer hauptsächlich formalen Eignungsprüfung von Bewerbern für Ämter (z. B. Besitz des Bürgerrechtes, Erfüllung vorgeschriebener Bürgerpflichten, geistige und charakterliche Mindestvoraussetzungen), der Überprüfung der Rechenschaftsablegung (εὐϑύνα [euthyna] von Amtsinhabern am Ende ihrer Tätigkeit und der Behandlung der Eisangelia (εἰσαγγελία), einer öffentlichen Klage in Strafsachen.

Daneben gab es wohl einen Rat βουλή [Boule]) der 400, (je 100 aus jeder der damaligen 4 Phylen; Zugang hatten wohl Fünfhundertscheffler, Reiter und die Zeugiten), der wohl eine Vorberatung übernahm.

Die Theten hatten an der Volksversammlung und einem Volksgericht, der Heliaia (ἠλιαία), Teilhabe.

Solon hat eine Popularklage eingerichtet. Alle Bürger, auch nicht Betroffene, konnten gegen die Urteile der Thesmotheten (oberste Gerichtsherren) und der Beamten klagen.

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Solon war der Erste, der Gesetze verschriftlicht hat. In Athen gab es zunehmend Probleme. Viele verschuldeten sich, die sogenannte stasis herrschte, also es gab "Bürgerzwiste". Solon wurde desshalb als Schiedsrichter hinzugerufen, der die Probleme aus der Welt schaffen solle. Das Problemen war nämlich, dass durch Lanverknappung und durch die Verschuldung bei reicheren Bürgern viele immer Ärmer wurden und die Polis so an militärischer Schlagkraft verlor, da sich viele die Ausrüstung nicht mehr Leisten konnten. Daher waren auch die Reicheren daran interessiert, dass es zu einer Verbesserung der Sitzuation kommt. Die Probleme waren also die sogenannte Schuldknechtschaft, Probleme bezüglich der Bürgerrechte und eine allgemeine soziale Schieflage. Solon schaffte es dann die Schuldknechtschaft zu beenden, in dem er die Bürger von Schulden befreit hat und die Schuldsklaven freigekauft hat. Des Weiteren hat er erste für alle Bürger gleiche Gesetze formuliert (man kann aber nicht von einer Demokratie sprechen). Eine weitere bekannte Reform ist die Einführung der Einkommensklassen. Diese solonische Ordnung wird auch als "eunomia" = gute Ordnung benannt.

Leider hielten diese Reformen Peisistratos z.B. nicht davon ab sich als "tyrann" einzusetzen, also es gab danach immer noch Probleme.

Kleisthenes, der nach dieser "tyrannis" wirkte hatten einen politischen Gegner namens Isagoras. Um diesem den Zuspruch der Bezirke zu entziehen, teilte er Athen in neuen Bezirke auf, wie er das argumentativ geschafft hat, ist nicht bekannt. Isagoras hat aber durch ein Hilfegesuch an den spartanischen König sich selbst ins Abseits geschossen und wird aus Athen vertrieben. Athen wurde in drei Teile aufgeteilt: Ein Stadtgebiet (asty), ein Küstengebiet (paralla) und in ein Binnengebiet (mesogaia). Die drei Gebiete an sich wurden nochmals in 30 trittyes aufgeteilt, aus denen drei in eine Phyle zusammengefasst wurden, also insgesamt zehn Phylen. Eine kleinere Einteilung waren noch die 139 Demen, die jetzt aber keine Rolle spielen, später gibt es dann noch sogenannte Demenrichter.

Die Bevölkerung wurde somit neu gemischt, was den Zusammenhalt stärken sollte und auch gestärkt hat. Z.B. bekam jede Phyle ein Phylenheroon, was die religiöse Gemeinschaft stärken sollte. Aus diesen Phylen bestanden dann auch die Einheiten in der Phalanx. Er schuf auch eine neue politische Institution, und zwar den Rat der 500, ein. Aus jeder Phyle wurden 50 Mitglieder ausgelost und eine Phyle hatte für ca. 36 Tage das Amtsgeschäft inne. Dazu mussten auch alle jeweiligen Mitglieder anwesend sein. Kleisthenes Ordnung wird als "Isonomia" bezeichnet.

Weitere wichtige Reformer waren dann Ephialtes und Perikles nach den Perserkriegen.