Gibt es Mathematik ohne Menschen?

11 Antworten

ja, denn die regeln der mathematik würden trotzdem gelten, nur würde es dann keinen interessieren. nimm doch nur mal zb sowas wie das volumen einer kokusnuss - man könnte es mathematisch nach genauen formeln berechnen, nur das es niemand machen würde. mathematik ist wie zeit, eine sache die nur auf theoretischer basis beruht weshalb man sich das schlecht vorstellen kann (dh gibt es im übrigen auch immer die ganzen mathematikerwitze)

Hallo ChrisTalls99,

diese Frage wurde schon mal gestellt: https://www.gutefrage.net/frage/wuerde-mathematik-existieren-wenn-es-den-menschen-nicht-gaebe

Gibt es Mathematik ohne Menschen?

Das ist eine philosophische Frage, auf die es nicht die richtige Antwort gibt. Die hängt davon ab, was man meint, wenn man »die Mathematik« sagt.

Es ist ein bisschen so, wie die Frage, ob ein Lavastrom auch in Abwesenheit von Menschen rot sei.

Wenn man »rot« als »bei einem Beobachter einen roten Farbeindruck erzeugend« definiert, setzt das diesen Beobachter voraus, und zwar einen, der die Farbe Rot überhaupt wahrnehmen und von anderen Farben unterscheiden kann.

Ich halte es für sinnvoller, »rot« so zu definieren, dass ein Gegenstand dann rot heißt, wenn er ein bestimmtes Spektrum emittiert oder reflektiert (nämlich eines, das bei einem farbtüchtigen Beobachter einen roten Farbeindruck erzeugen würde, egal ob er tatsächlich da ist oder nicht). In diesem Sinne ist der Lavastrom einfach rot, unabhängig davon, ob jemand ihn betrachtet.

Konstruktivismus versus Formalismus

Luizen BROUWER (»Mathematik ist mehr ein Tun als eine Lehre«), der Begründer des sog. Neo-Intuitionismus, einer Form des Konstruktivismus, hätte die Frage wahrscheinlich verneint, dabei aber ergänzt, er wolle das Wort »Existenz« gar nichtauf die Mathematik und ihre Begriffe anwenden. Eine Menge beispielsweise »existiert« aus Sicht eines strengen Konstruktivisten nicht, sondern sie lässt sich konstruieren.

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»Sich konstruieren lassen« ist freilich nicht daran gebunden, dass es jemand zufällig gerade tut. Entscheidend ist, dass es prinzipiell möglich ist. Das hätte wohl auch der Formalist David HILBERT (»Man muß jederzeit an Stelle von "Punkten", "Geraden", "Ebenen", "Tische", "Stühle", "Bierseidel" sagen können.«) so gesehen und die Frage mit »ja« beantwortet.

HILBERT strebte eine vollständige Axiomatisierung der Mathematik an. Für ihn setzt Existenz eines Begriffs im mathematischen Sinne nur voraus, dass der sich nicht im Widerspruch zu den Axiomen befindet.

Meine eigene Sicht

Ich tendiere eher zu HILBERTs als zu BROUWERs Sicht der Dinge, wobei ich Existenz im mathematischen Sinne aber ohnehin für etwas vollkommen anderes halte als solche in einem physikalischen, und den Streit um die Existenz letztlich für ein bloßes Aneinandervorbeireden, da man irrigerweise dasselbe Wort benutzt.

Mathematische Regeln enthalten keinerlei Zeitbezug und gelten unabhängig davon, ob jemand da ist, der sie erkennt und anwendet. Mehr noch, sie gelten unabhängig vom Universum.

Sie sind also keine Naturgesetze, sondern sozusagen über-natürlich. Naturgesetze müssen mathematisch konsistent sein, sind aber nur eine von unzähligen Möglichkeiten, wie ein Universum beschaffen sein könnte.

Übrigens ist auch π keine Naturkonstante:

In diesem Universum ist »genau π« nicht darstellbar. Wie will man einen idealen Kreis wirklich physikalisch herstellen, wenn der Raum womöglich nicht einmal wirklich ein Kontinuum ist? 

Umgekehrt hängt dieses π als Verhältnis zwischen Umfang und Durchmesser eines Kreises in einem ℝ² der geordneten Paare (x;y) Reeller Zahlen x und y mit der EUKLIDischen Norm

|(x;y)| = √{x²+y²}

nicht davon ab, ob der physikalische Raum wirklich EUKLIDisch ist.

Schon in unserem Universum ist er das schon wegen der Gravitationsfelder, von denen wir spätestens seit EINSTEINs ART wissen, dass sie die Raumzeit und damit den Raum verzerren, nur näherungsweise der Fall, und mathematisch denkbar sind noch ganz andere.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

kreisfoermig  25.07.2018, 00:12

Diese Antwort ist ausgezeichnet. Sehr schöne Anregung! Besonders stimme ich

Mehr noch, sie gelten unabhängig vom Universum.

zu.

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Gibt es Farben ohne Menschen? Gibt es Enttäuschung ohne Menschen? Gibt es Kernspaltung ohne Menschen?

Die Mathematik ist ein formales System um z.B. Vorgänge in der Natur zu modellieren oder sich selbst im geschlossenen System Prüfungen zu unterziehen.

Siehe z.B. die Fibonacci-Folge. Diese existiert auch unabhängig von den Menschen. Auch intelligentes außerirdisches Leben wird eine Mathematik entwickeln, die mit unserer in vielen Belangen deckungsgleich sein wird.

Eventuell zählen diese aber nicht in 10er Schritten (10, 100, 1000, ...), sondern vielleicht in einem 8er System. Wir zählen auch nur in 10er Schritten, weil wir 10 Finger haben :)

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ökonom (Dr.) + Informatiker (Master) + >10J Berufserfahrung

kreisfoermig  24.07.2018, 09:19

Es ist irreführend, über eine Realisierung der Fibonacci-Folge in der Natur zu sprechen. Ein physisches Phänomen, das sich beschreiben lässt, ist nicht die Mathematik an sich. Die Mathematik bleibt „in der Luft“ (metaphorisch) schwebend: sie beschäftigt sich wesentlich mit den Eigenschaften von und Verhältnissen zwischen abstrakten Strukturen, und ist der Logik ausgesetzt. Sie ist weder physikalischen Gesetzten ausgesetzt noch beschäftigt sie sich mit der Frage, welche metaphysischer Natur die Strukturen sind, auf die sie sich bezieht. Umsetzung von Mathematik läuft etwa so

[input iwas mit gewissen strukturellen Eigenschaften] —> rein abstraktes, mathematisch-logisches Argumentieren mithilfe von mathematischen Konstruktionen —> [Aussage über das Input].

und hier muss man betonen: der mittlere Teil ist es, was Mathematik eigentlich ausmacht, d. h. sie ist nicht auf Natur beschränkt. Und dieser mittlere Teil besteht und gilt noch, auch komplett ohne die Existenz von intelligenten Wesen—es gäbe höchstens dann kein Wesen, das die Mathematik verstehen könnte, die Mathematik jedoch „gäbe“ es noch (was auch immer das heißt).

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Die mathematischen Gesetze (= mathematische Wahrheit) gibt es auch ohne Menschen. Sie sind Naturgesetz, zeitlos gültig und können nur entdeckt werden.

Mathematische Methodik allerdings wird von Mathematikern entwickelt aus dem Wunsch heraus, mathematische Gesetzte mitteilbar zu machen bzw. sie zu entdecken und gewinnbringend anzuwenden.


kreisfoermig  24.07.2018, 06:39

Mathematik hat mit Natur nichts zu tun. Mathematik beschäftigt sich mit Information über ideale und abstrakte Strukturen—diese sind weder in der Natur noch von der Natur abhängig. D. h. auch ohne eine physische Realität gölte und „gäbe“ es die Mathematik. Ansonsten stimme ich deiner Unterteilung zu.

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grtgrt  24.07.2018, 11:22
@kreisfoermig

Na ja: Dann bist ja wohl auch du der Meinung, dass gilt:

Mathematik = mathematische Wahrheit + mathematische Methodik

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grtgrt  24.07.2018, 11:43
@grtgrt

Man kennt auch sehr viele Blüten, die nach dem Muster des regelmäßigen Fünfecks konstruiert sind.

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kreisfoermig  25.07.2018, 00:01
@grtgrt

Mathe prägt die Natur nicht, sondern wird in ihr wiedergefunden. Es mag durchaus sein, dass wir nichts anderes erkennen können, als Dinge, denen eine Gesetzmäßigkeit zugrund liegt, sodass wir eigentlich nur Phänomene mathematischer Natur beobachten. Das heißt nicht, dass die Mathematik teil der Natur ist, sondern vielmehr, dass unser Verstand sich der Mathematik bedient, um die Welt der Phänomene zu begreifen. Ich glaube in der Natur kommen höchstens so Keime vor—die treibenden Generatoren, die ein Verhalten hervorbringen, das wir, aber nicht die Natur, mithilfe von mathematischer Analyse und der Annahme, dass diese Generatoren zuverlässig sich weiter so verhalten, modellieren können—dennoch ist das eine Abbildung der Realität, nicht die Realität an sich. Dieses Zwischenspiel ist komplex, aber ich glaube wirklich, dass da höchstens so Schnittstellen sind, an denen wir Formalismus/Mathematik knüpfen können, um uns mehr Information zu liefern. Ab der Schnittstellen aber verlassen wir schon die Natur, sodass die eigentliche Mathematik nicht der Natur steckt.

… so meine Vermutungen. Ich bin aber kein Naturphilosoph.

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kreisfoermig  25.07.2018, 00:20
@grtgrt

hmmm… ich glaube eher an mathematische Informationen—alle Aussagen sind irgendwie nur bedingt wahr, „wenn [ideale Struktur/Eigenschaften] vorliegt, dann [Information über Bezug]“. Um zu belegen, ob die Implikation gilt, reicht es nicht aus, sich die Natur anzuschauen, in der Tat, vllt hilft es überhaupt nicht, außer uns zu motivieren…

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grtgrt  25.07.2018, 09:20
@kreisfoermig

Vielleicht wäre es wirklich besser, statt von "mathematischen Wahrheiten" von "mathematischer Information" zu sprechen. Aber warum sollte man sie nicht als Teil der Natur sehen (wo es doch über die Natur hinaus nichts weiter zu geben scheint - jedenfalls nicht aus Sicht der Naturwissenschaft)?

Max Tegmark etwa scheint mathematische Information als das wahre Wesen aller existierenden Dinge zu begreifen.

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michiwien22  24.07.2018, 08:22

Seit wann sind mathematische Zusammenhänge Naturgesetze???

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SlowPhil  24.07.2018, 11:07
@michiwien22

Anders herum würde es im Wesentlichen stimmen. Naturgesetze sind Zusammenhänge, die sich als mathematische Zusammenhänge formulieren lassen.

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grtgrt  24.07.2018, 11:23
@michiwien22

Schon immer. Man kann sie weder erfinden noch beseitigen. Man kann nur Terminologie erfinden, mit deren Hilfe sie formulierbar (und so dann auch mitteilbar und nutzbar) werden.

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SlowPhil  24.07.2018, 12:32

Einverstanden - bis auf das Wort 'Naturgesetze'. Das ist nämlich ein Understatement, denn mathematische Gesetzmäßigkeiten sind sogar - in einem anderen Sinne als üblich - übernatürlich, d.h., sie sind von der konkreten Gestaltung des Universums und seiner Gesetzmäßigkeiten unabhängig.

Umgekehrt sind Naturgesetze durchaus mathematische Zusammenhänge bzw. lassen sich als solche formulieren.

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kreisfoermig  24.07.2018, 23:52
@SlowPhil
Umgekehrt sind Naturgesetze durchaus mathematische Zusammenhänge bzw. lassen sich als solche formulieren.

„sind“…hmm

Ich stimme Letzterem zu. Beim ersteren bin ich mir nicht so sicher: es scheint prima facie keine ausschlaggebende Rechtfertigung für diese Notwendigkeit.

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Laut Brockhaus ist Mathematik eine
„Wissenschaft, die durch logische Definitionen geschaffene abstrakte Strukturen mittels der Logik auf ihre Eigenschaften und Muster untersucht“.

Ohne Menschen macht jegliche Wissenschaft keinen Sinn.


kreisfoermig  24.07.2018, 06:49

Sie „gäbe“ es dennoch ohne die Existenz von intelligenten Wesen und sogar ohne die Existenz eines Universums.

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MatthiasHerz  24.07.2018, 07:46

Nein.

Wer sollte denn logisch definieren oder Muster suchen? Die Natur hat dafür keine Notwendigkeit, nur Primaten tun so etwas.

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