Gibt es handfeste Beweise für den Urknall?

11 Antworten

Hallo Knalbi145,

das Problem bei der Frage ist, dass in der Naturwissenschaft ganz allgemein nicht von "Beweisen" im philosophischen Sinne gesprochen wird.

1) Was ist ein "Beweis"?

Mit der Vermeidung dieses Begriffes tragen wir der Tatsache Rechnung, dass man außer der eigenen Existenz überhaupt nichts im philosophischen Sinne letztbeweisen kann. Du kannst nicht letztbeweisen, dass der Bildschirm existiert, an dem Du diese Zeilen liest - so sehr wir diese Tatsache auch im Alltag ignorieren und als lächerlich abtun mögen.

Physikalische Theorien stellen einzelne Beobachtungen widerspruchsfrei in einen logischen Kontext. Sie erklären uns auf diese Weise, WARUM wir einen bestimmten Satz an Daten gesammelt haben - und nicht völlig andere Ergebnisse gemessen haben. Mit ihrer allgemeinen Formulierung stellen physikalische Theorien jedoch sogenannte Allaussagen dar. - Und Allaussagen sind niemals letztbeweisbar. Nicht nur in der Naturwissenschaft, sondern allen Erkenntnisgewinn betreffend.

Naturwissenschaft ist lediglich die einzige Disziplin, in der wir der philosophischen Unmöglichkeit des Letztbeweises solcher Aussagen Rechnung tragen und trotz bester Belegdaten unsere Erklärungsmodelle weiterhin als Theorien bezeichnen.

Von daher verkennt Deine Frage nach dem "handfesten Beweis" etwas die Natur naturwissenschaftlichen Arbeitens. - Eben nicht nur beim Urknall, sondern auch bei banalen Dingen wie der Newtonschen Mechanik.

Hier wie dort sprechen wir nicht von Beweisen. Wir haben aber hier wie dort handfeste Beobachtungsdaten und aus dem Modell abgeleitete Vorhersagen, die danach (!) in Beobachtungen bestätigt wurden.

Solches Eintreffen von Vorhersagen ist ein starkes Argument dafür, dass ein Modell die Natur gut beschreibt. Jeder, der das abstreitet, muss erst einmal erklären, wie man aus einem falschen Modell quantitativ (!) korrekte Vorhersagen ableiten kann...

Fazit: Echte Letztbeweise gibt es nirgends. Die Fülle der Beobachtungsdaten, die den Urknall als historisches Ereignis belegen, hat aber über die Jahrzehnte hinweg alle Zweifel ausgeräumt. Der Urknall - als heißer, dichter Anfangszustand unseres beobachtbaren Universums - ist nicht mehr rational zu leugnen. Die Daten reichen bis ins nur Sekunden alte Universum. Unklar und zumindest im Moment nicht durch Beobachtungsdaten abgedeckt sind lediglich die Vorgänge innerhalb der ersten Sekunde des beobachtbaren Universums.

2) Beobachtungsdaten, die den Urknall belegen

Welche Beobachtungsdaten belegen denn nun, dass das Universum vor 13,8 Milliarden Jahren in einem dichten heißen Anfangszustand begonnen hat?

a) Rotverschiebung der Galaxien

Hubble (der Mann, nicht das nach ihm benannte Teleskop) entdeckte in den 1920ern, dass sich andere Galaxien von uns entfernen - umso schneller, je weiter sie von uns weg sind. Diese Fluchtbewegung lässt sich am besten verstehen, wenn wir annehmen, dass sich der Raum ausdehnt, in dem die Galaxien eingebettet sind. Dadurch wachsen die Abstände zwischen den Galaxien mit an.

Mit der Ausbreitung des Alls ergibt sich der Urknall als konkrete Möglichkeit in der Vergangenheit: Denn wenn das beobachtbare Universum expandiert, dann war es gestern kleiner. Und vorgestern noch kleiner ... und so fort. Aus dieser Beobachtungen resultieren die Urknallmodelle. Ein Beleg für den Urknall ist die Rotverschiebung allein für sich genommen aber noch nicht. Machen wir deshalb weiter:

b) Hintergrundstrahlung

In den 1940ern berechneten Physiker dann, wie dicht und heiß das Universum an Anfang gewesen ist, wenn es im Urknall entstanden ist: Unvorstellbar dicht und heiß. So dicht, dass sich Starhlung am Anfang gar nicht ausbreiten kann - es kommt sofort wieder zu einer Wechselwirkung.

Das Universum muss sich am Anfang also erst einmal eine Zeit lang ausdehnen und abkühlen, bevor sich das Licht ungehindert ausbreiten kann.

Aus dieser Überlegung berechnete man, dass es eine Art Nachhall im Universum geben muss, wenn es im Urknall entstanden ist: Das entfernteste Licht, das man beobachten kann, das muss in alle Richtungen aus der Zeit stammen, als das Universum durchsichtig wurde: Das erste Licht, das sich im Universum ausbreiten konnte. Die Vorhersage war eine gleichmäßig aus allen Richtung kommende Strahlung, bis heute abgekühlt durch die Expansion auf unter 3 Kelvin.

1964 haben Penzias und Wilson diese Hintergrundstrahlung entdeckt - obwohl sie gar nicht danach suchten. Sie gilt bis heute als einer der besten Belege für den Urknall, weil die Mikrowellenstrahlung in keinem anderen kosmologischen Modell derart zwanglos erklärbar wird.

c) Die Häufigkeiten der Elemente im Universum

Nur in den ersten Minuten ist es im Urknallmodell heiß genug, damit sich im ganz jungen Universum Elementarteilchen bilden können. ("Primordiale Nukleosynthese") Deswegen bestimmt die im Modell beschriebenen Temperatur- und Druckkurven, wie viel Materie wir in Universum beobachten und in welchem Verhältnis der Elemente.

Die errechneten Verhältnisse von Wasserstoff und Helium stimmen sehr, sehr gut mit den Beobachtungen im Universum überein. Das Urknallmodell erklärt also dieses beobachtete Verhältnis.

d) Bestätigungen in Teilchenexperimenten

In Teilchenbeschleunigern beobachten genau die vorhergesagten Effekte, die wir im dichten heißen Anfangszustand für die ersten Sekundenbruchteile nach dem Urknall erwarten. Weil ganz am Anfang das Universum so dicht ist, spielen hier Quanteneffekte eine Rolle - deswegen können wir kosmologische Modelle in Teilchenbeschleunigern mittesten.

Falls Du Englisch kannst: Dieser Artikel fasst eigentlich recht gut zusammen, dass unsere experimentellen Bestätigungen bis in eine Zeit wenige Sekunden nach dem Urknall zurückreichen:

http://profmattstrassler.com/2014/03/26/which-parts-of-the-big-bang-theory-are-reliable/

Grüße

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Diplom in Physik, Schwerpunkt Geo-/Astrophysik, FAU

Den Urknall gab es 100 %

Ob der so war wie wir heute denken, das ist eine andere sache....

Die Erkenntnisse was wir heute haben vom All etc, sind in 2-3 Jahren wieder alt und werden über Bord geworfen.


Prudentior  22.01.2020, 10:18

Wie denken wir denn?

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Prudentior  22.01.2020, 10:20
@Findlinger

Funktioniert bei mir schlecht. Wie bei anderen hier auch, wie man sieht

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Findlinger  22.01.2020, 10:41
@Prudentior

Ich verstehe nicht was du meinst.

Was ich meine ist das die Erkenntnisse über das Universum die wir heute, also aktuell, habe in 2 bis 3 Jahren aktualisiert werden.

Aus dem Grund kann man zwar sagen es gab einen Urknall JA, aber wie und was das ändert sich alle paar Jahre.

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Gegenfrage: „Gibt es das 8. Jahrhundert?“

Der Urknall ist die metaphorische Bezeichnung für den Entwicklungsbeginn des Kosmos. Urknalltheorien befassen sich mit der ersten Jahrmillion des Kosmos.

Vernünftige Fragen werden nicht eingeleitet mit „gibt es….?“, sondern „Was ist…..?“ Und dazu findet man auch bei Wiki erst einmal eine brauchbare Antwort, z.B. zum Stichwort „Urknall“:

„Als Urknall wird in der Kosmologie der Beginn des Universums, also der Anfangspunkt der Entstehung von Materie, Raum und Zeit bezeichnet…. -  Urknall bezeichnet keine Explosion in einem bestehenden Raum, sondern die gemeinsame Entstehung von Materie, Raum und Zeit aus einer ursprünglichen Singularität… - Die Urknalltheorien behandeln die Entwicklung des Universums von ….. nach dem Urknall bis etwa 300.000 bis 400.000 Jahre später, als sich stabile Atome bilden konnten und das Universum durchsichtig wurde. Die weitere Entwicklung wird nicht mehr zum Bereich des Urknalls gezählt.“

Wer sich für den Realitätsgehalt vieler Märchen, Sagen und Mythen aus dem 8. Jahrhundert interessiert, der fragt nicht nach der Existenz des 8. Jahrhunderts. Und wer sich für den Realitätsgehalt vieler Märchen, Fantasien und Mythen zur ersten Jahrmillion des Universums interessiert, der fragt nicht nach der Existenz dieses Zeitraumes oder gar nach „handfesten Beweisen“ für die Existenz eines Zeitraumes.

Es gibt für kaum etwas handfeste Beweise nicht einmal über deine eigene physische Existenz.

Es spalten sich die Meinungen, ob es ihn gibt oder nicht.

Ein möglicher Beweise wäre die stetige Ausbreitung des Universums.