Gedicht Interpretation Traumglück?
Heyy, wie würdet ihr dieses Gedicht interpretieren oder was seht ihr darin? Es kam im Deutsch Abi dran und ich habe online keine Interpretationen gefunden:)
Und wenn du schläfst und träumst von mir
Dann komm ich still gegangen
Und leg' mein weinendes Gesicht
An deine braunen Wangen.
Und nehme scheu dein schlafend Haupt
In meine beiden Hände
Und denk, wir wären beide todt,
Und Alles wär' zu Ende.
Die Ahnung meiner Nähe hebt
Dir wohl die trunk'nen Lider,
Ich aber küsse sie dir zu
Und gehe heimlich wieder.
Und wenn du morgens dann erwachst,
Liegt wohl ein blasser Schimmer
Von Traumglück und verweinter Lust
Noch über deinem Zimmer.
2 Antworten
Erst Inhaltsangabe, dann Interpretation:
Zentraler Gedanke des Gedichtes von Anna Ritter ist das Wort „Traumglück“. D.h. das lyrische Ich erfährt kein wirkliches Glück. Zwar sagt es: „Du träumst von mir“, jedoch ist das nur Wunschtraum. Belege: weinendes Gesicht, Denken an Tod und Ende (fast ein Wunsch), Traumglück, aber verbunden mit „verweinter Lust“ (letzte Strophe). Auch dass die Ahnung der Nähe des lyrischen Ichs auf das Du so wirkt, dass es gerade mal die Lider hebt und dass das Ich dies, das Trunkne, also das Verliebtsein, nur vermutet (“wohl“), deutet auf Zweifel am Glück hin. "Trunkne Lider" ist eine ungewöhnliche, fast bizarre Personifikation, womit das Disharmonische der Beziehung verdeutlicht wird.
Die Wortwahl ist jeweils negativ, verneinend: massiv negativ durch die Worte „tot“, alles zu Ende, verhalten negativ: still gegangen, heimlich gegangen, blasser Schimmer, verweint, weinend. Die Adjektive still, heimlich, scheu deuten auf Entsagen hin, erst recht die Metapher „verweinte Lust“.
Das Reimschema korrespondiert mit dem leidvollen Gehalt: der unvollständige Kreuzreim deutet auf mangelnde Erfüllung hin: die männliches Versschlüsse (Kadenzen) reimen sich gar nicht (mir - Gesicht, Haupt - tot), nur die weiblichen Kadenzen reimen sich (gegangen - Wangen, Hände - Ende).
Das Versschema ist allerdings regelmäßig. 4-hebig, dreihebig, Jambus.
Meine Interpretation:
Das lyrische Ich kann mit dem lyrischen Du nicht zusammen sein – nur im Traum.
Das lyrische Ich ist traurig darüber >> weinendes Gesicht.
Im Tod wären sie wieder vereint, dann ist aber auch alles vorbei >> "wir wären beide todt, // Und Alles wär' zu Ende"
>> Wenn man "beide" betont, ist das lyrische Ich tot.
Das lyrische Du ist kurz davor, dem lyrischen Ich zu folgen >> "Die Ahnung meiner Nähe hebt // Dir wohl die trunk'nen Lider"
Damit das nicht passiert, verlässt das lyrische Ich das Du wieder.
Letztlich ist das für mich ein Traum des lyrischen Du, das das Ich vermisst und von ihm träumt – aber beschrieben wird der Traum vom lyrischen Ich, das es eigentlich gar nicht mehr gibt.
Wow danke dir, sehr spannende Interpretation!! Ich habe es ebenfalls so gedeutet, dass das lyrische Ich eine Beziehung zum Geliebten nur im Traum erleben kann