Frage zum geostrophischen Wind?

3 Antworten

Die Erde ist kein Zylinder, sondern eine Kugel. Wenn man nicht gerade am Äquator ist, dreht sich der Boden, auf dem man steht, in dieselbe Richtung wie der nächstgelegene Pol. Für die Coriolis-Kraft spielt nur derjenige Anteil eine Rolle, der quer zur Erdachse steht, aber das reicht in unseren Breiten (so um die 50°) noch locker für einen deutlichen Effekt aus.

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Du hast hier zwei Fragen in einer:

Zunächst die Antwort auf die Frage

"Warum erfolgt die Ablenkung auf der Nordhalbkugel immer nach rechts?"

Aufgrund der Drehung der Erde in West-Ost Richtung zeigt der Vektor der Winkelgeschwindigkeit nach oben (Norden). Aus der 3-Finger Regel ergibt sich dann auf der Nordhalbgugel/Sudhalbkugeleine Ablenkung nach rechts/links, wobei "rechts/links" auf die jeweilige Tangentialebene bezogen ist.

Die Corioliskraft ist



Leider ist das Verhalten dieser Formel nicht sehr intuitiv.

ThomasJNewton hat schon erklärt, weshalb es zu einer Ablenkung meridionaler Winde in die zonale Richtung kommt.

Die Ablenkung zonaler Winde in meridionale Richtung ist eine Folge der Zentrifugalkräfte:

West- und Ostwinde haben gegenüber der Erdrotation eine zusätzliche (zonale) Geschwindigkeitskomponente u.

Betrachtet man einen Westwind von der Seite, gekennzeichnet durch das Kreuz, d.h. in die Zeichenebene hinein gerichtet:

Bild zum Beitrag

Der Wind hat zusätzlich zur Rotationsgeschwindigkeit Ωr auch noch die zusätzliche Komponente u, die Zentrifugalkraft ist daher senkrecht zur Drehachse gerichtet und hat den Betrag



Die Zentrifugalkraft bei u=0 ist



Der Überschuss an Zentrifugalkraft aufgrund der Bewegung u ist daher die Differenz



Diese von u abhängige Kraft (grün) steht senkrecht zur Drehachse. Sie lässt sich zerlegen in einen vertikalen und in einen horizontalen Anteil, der rot eingezeichnet ist. Der quadratische Anteil wird meist total vernachlässigt, übrig bleibt nur das, was man als Corioliskraft bezeichnet.

Man erkennt gut: Diese horizontale Kraft wirkt von der Bewegungsrichtung aus gesehen in der nördlichen Hemisphäre nach rechts (R), in der südlichen nach links (L).

Machst du die Überlegung für Ostwinde, kommt in die Differenz ein Minus Zeichen hinein und die Pfeile zeigen in die etgegengesetze Richtung. Der rote Pfeil wäre dann oben nach Norden und unten nach Süden gerichtet. Aber wieder erfolgt die Ablenkung aus der Sicht des Windes nach rechts bzw. links.

Die vollen Gleichungen der Beschleunigung im sich drehenden Bezugssystem der Erde

Bild zum Beitrag

sind, aufgespalten in die Komponenten i, j, k (zonal, meridional und vertikal)

Bild zum Beitrag

gegeben durch:

Bild zum Beitrag

Bild zum Beitrag

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Hier bedeuten (u,v,w) die Geschwindigkeitskomponeten im sich drehenden Bezugssystem in (i,j,k) Richtung. Diese Gleichungen sind aber nur theoretischer Natur, da man viele Terme in der Praxis aufgrund von Skalierungsüberlegungen vernachlässigen kann. Das würde aber hier den Rahmen sprengen.

Die "Frage zum geostrophischen Wind" kannst du dir anhand eines Druckgefälles in S-N Richtung mit dieser Grafik erlären:

Bild zum Beitrag

Um das Druckgefälle auszugleichen strömt ein zunächst ruhendes Luftpaket, getrieben durch die nach oben gerichtete Druckgradienten-Kraft in die Richtung des niederen Drucks (in der Zeichnung nach oben=Norden). Aufgrund der Geschwindigkeit des Luftpakets erfährt dieses nun aber eine Corioliskraft nach rechts. Es stellt sich ein Gleichgewicht ein, wenn die Corioliskraft die Kraft aufgrund des Druckgradienten genau aufhebt: d.h. im geostrophischen Gleichgewicht strömt der Wind parallel zu Flächen gleichen Drucks auf Flächen gleicher Höhe oder, was auf das selbe hinauskommt, parallel zu Flächen gleicher Druckhöhe auf Flächen gleichen Drucks.

Hier ein Bild der 500mbar Fläche: Die Windfahnen zeigen in guter Näherung parallel zu den Isohypsen und man sieht auch, wie das Tief über Colorado und Utah im Gegenuhrzeigersinn durchaufen wird.

Bild zum Beitrag

Der geostrophische Wind ist aber nur eine erste Näherung, da Krümmungseffekte nicht berücksichtigt werden. Er gilt per Definition streng genommen nur für geradlinige Fronten und muss durch zusätzliche Komponenten erweitert werden, um realen Wind zu beschreiben.

(https://www.weatheronline.co.uk/reports/wxfacts/Geostrophic-Wind-II-table.htm)

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iddly 
Beitragsersteller
 08.01.2023, 14:06

Was für eine tolle, ausführliche Antwort! Da hast du aber viel Zeit und Kompetenz reingesteckt!! Ich danke dir von Herzen <3

Die Ablenkung erfolgt auf der Nordhalbkugel immer nach rechts.

Für Winde aus Nord und Süd ist das leicht zu verstehen:
Wenn ein Wind von Süd nach Nord weht, hat die Luft aus der Äquatornähe noch mehr Schwung und eilt daher der Erddrehung voraus, nach Osten, wenn sie weiter nach Norden kommt.
Wenn ein Wind von Nord nach Süd weht, hat die Luft aus der Polnähe noch weniger Schwung und bleibt daher hinter der Erddrehung zurück, im Westen, wenn sie weiter nach Süden kommt.

Die Ablenkung von West- und Ostwinden ist weniger leicht zu verstehen. Ich stelle mir dazu die Erdoberfläche wie eine Steilkurve vor. Gegenüber der Kugelform ist die Erdoberfläche am Äquator ja deutlich gegen die Polen erhöht.
Ein Wind von West nach Ost ist scheller als der Erdboden, durch die schnellere Rotation schleudert die Luft nach außen, nach oben, nach süden, also nach rechts.
Ein Wind von Ost nach West ist langsamer als der Erdboden, durch die langsamere Rotation rutscht die Luft nach innen, nach unten, nach norden, also nach rechts.

Ob dich der letzte Abschnitt überzeugt, musst du sehen. Jedenfalls ist es allgemeine Aussage, dass die Corioliskraft für alle Windrichtungen gilt, auf der Nordhalbkugel nach rechts.


iddly 
Beitragsersteller
 08.01.2023, 14:07

Ich habe mich noch gefragt, ob es sich um eine Beschleunigung handelt, da die Bewegung eine Krümmung darstellt und die Tangentialbeschleunigung wirkt? Hab kaum je Physik gehabt, aber das mal aufgeschnappt ...

ThomasJNewton  08.01.2023, 17:11
@iddly

Jede Beschleunigung wird durch eine Kraft bewirkt. Vielleicht kennst du ja noch die Formel F=m*a, Kraft ist Masse mal Beschleunigung. Die ist eine der wenigen, die ich noch aus der Schulzeit behalten habe.
Die Tangentialbeschleunigung oder Zentrifugalkraft wird aber oft auch auch Scheinkraft bezeichnet, denn ein Körper oder eine Luftmasse "will" ja eigentlich weiter geradeaus, aber durch die Zentripetalkraft daran gehindert. Darüber kann man endlos debattieren, ohne dass es viel Sinn ergibt.