Essay schreiben - Wie wird es richtig gemacht?

3 Antworten

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Es ist eigentlich absurd, ein Essay so einzugrenzen bzw. mit so strengen Richtlinien zu verknüpfen. Wenn der Essay seine Freiheit verliert, ist er kein Essay mehr.

Dennoch kannst du diesen Anforderungen problemlos Rechnung tragen. Wenn du irgendein Thema hernimmst, etwa ... die Frage, ob Religion dem Menschen gut tut, kannst du mit irgendeinem beliebigen dieser Punkte anfangen und dann zu den anderen hinwandern. Du kannst z.B. mit Marxens »Religion ist Opium für das Volk« anfangen und dann argumentieren, warum dem so ist (Vertröstung auf das Jenseits als Legitimation des Unrechts), du kannst dann als erzählendes Element ein Beispiel vorbringen (z. B. die Lebenswirklichkeit der Arbeiter und der Kleriker im 19. Jhdt), dann kannst du in eine Reflexion übergehen, die durchaus auch meinungsbetont sein kann (z. B. die Synthese, dass Religion in dieser Form tatsächlich nur »Opium« für das Volk ist, dass sie aber, wenn seriös angewandt, auch mehr sein kann). Beim nächsten Argument (z. B. der Inquisition im Mittelalter) kannst du mit einer Reflexion beginnen und darlegen, dass Religion, wenn sie absolut gesetzt und institutionalisiert ist, auch schlimme Auswirkungen haben kann usf.

Allerdigns solltest du das nicht so streng nehmen und dein Lehrer wird, wenn er vernünftig ist, einen Essay mit ein paar Ausflügen in diese oder die andere Richtung zufrieden sein.


FINGERB0ARDER 
Beitragsersteller
 05.05.2013, 14:53

Danke für die ausführliche Antwort. Top! ... also wenn ich jetzt ein Beispiel hab...z.B. verstärktes vertreten-sein der Religion in der Politik ..

ist das denn dann nicht sowohl argumentierend ... also Argument dafür, dass die Politik viel mit Religion zu tun hat .... z.B. CDU ..etc nennen. als auch erzählend und referierend... wenn ich das Argument (/Beispiel) in einem Erlebnis einpacke. z.B. dass Wahlplakat der CDU gegenüber von einer Kirche. ?! Wie kann ich im Abi kontrollieren, was ich wann wie schreibe, bzw. ob ich die Anteile alle innehabe. -> wo lässt sich auch referierend von reflektieren abgrenzen?

Lg und Danke schonmal :)

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Riverplatense  05.05.2013, 15:15
@FINGERB0ARDER

Bitte!

Genau dieses starke Abgrenzen sollte in einem Essay eigentlich nicht notwendig sein, deshalb habe ich auch diese Vorgabe kritisiert, aber Schule läuft nun einmal leider so ...

Erkennen kannst du das dadurch, dass du:

  • beim Erzählenden entweder Erlebnisse oder Beispiele vorbringst. Das Wahlplakat der CDU gegenüber der Kirche wäre dafür ein gutes Beispiel. Oder auch die Exkommunikation italienischer Kommunisten durch Pius XI. Das sind Beispiele, historische Fakten oder auch persönliche Erfahrungen, die zwar Argumenten dienen können, aber keine Argumente sind.
  • beim Argumentieren bringst du einen Sachverhalt ins Spiel, der entweder für die eine oder für die andere Seite sprichst. Das Zusammenspiel von Kirche und Politik wäre etwa ein gutes Argument gegen Religion an sich. Dieses Argument kannst du dann mit einem erzählenden Element (z. B. die Diskriminierung Andersgläubiger in Staaten ohne Trennung von Politik und Kirche) ergänzen.
  • beim Referieren gibst du etwas wieder, was jemand anderes schon so vorgebracht hat, z. B. in Zitaten oder in Berichten von dokumentierten Geschehnissen.
  • das Reflektieren ist dann der reine Gedankengang dazu. Das kann ein Schluss sein (»... da der Einfluss der Politik in die Religion genauso wie jener der Religion in die Politik, wie wir gesehen haben, dem funktionierenden Zusammenleben häufig nicht zuträglich ist, scheint es nützlicher, beide Bereiche zu trennen, um beide einem funktionierenden Subsystem zuführen zu können ...«) oder auch ein Aufwerfen eines neuen Problems (»... allerdings fällt es schwer, sich vorzustellen, wie die Welt ohne Religion aussähe, da es eine vollkommen atheische Gesellschaft niemals gegeben hat... «).

Das Reflektieren ist also immer ein innerer Gedankengang von deiner Seite, beim Referieren kommt etwas Äußeres dazu.

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FINGERB0ARDER 
Beitragsersteller
 05.05.2013, 15:28
@Riverplatense

WoW. Danke danke danke ;)

noch ein letztes: hab ich das jetzt richtig verstanden, dass keineswegs bei jedem großen Gliederungspunkt ein argumentativer Teil dabei sein muss? sondern, dass man zb. am anfang primär erzählt, dann kommt eine frage auf... im 2. Teil dann z.b. nur reflektierend , vielleicht noch die ein oder andere rethorische Frage einbaut... usw.?

Lg

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Riverplatense  05.05.2013, 18:42
@FINGERB0ARDER

Gerne!

Ja, so sollte es sein. Ähnlich macht es ja auch Montaigne, der Begründer des Essays und viele andere große Essayisten wie Nietzsche, Musil oder Abbagnano. Ein guter Essay ist eigentlich wie ein Spaziergang, der immer weiter geht, bis er an einer fast beliebigen Stelle aufhört. Wenn du an irgendeiner Stelle etwas Erzählen kannst, dann erzähle, wenn der Punkt nichts zu Argumentierendes bietet, dann bleibe beim Erzählen oder beim Referieren usf.

Alles Gute!

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FINGERB0ARDER 
Beitragsersteller
 06.05.2013, 17:57
@Riverplatense

Danke :)

So... jetzt fehlt nur noch eine gute Portion Glück, dass zwischen den Optionen: Kommentar, Essay und Rede und Erörterung nun auch wirklich ein Essay oder ein Kommentar dran kommen. Und dass der Text nicht zu verschroben ist ;)

Lg

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Riverplatense  08.05.2013, 22:34
@FINGERB0ARDER

Dann wünsche ich dir nochmals alles Gute :) Und die nötige Ruhe und Sicherheit. Wenn die da sind, wird der Text ganz sicher auch gut sein!

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Einen Essay im Deutschabi zu schreiben ist recht simpel, wenn du die folgenden 2 Grundlegenden Dinge beachtest beachtest:

1. inhaltlich: 

ROTER FADEN -> sehe das ganze als Gedankenspaziergang mit Anfangs- und Endpunkt, beziehe dich mit dem Fazit auf die Einleitung und schreibe stringent und zusammenhängend. Das ist der wichtigste Faktor eines Essays und der Punkt an dem sich die exzellenten Essays von den grottenschlechten Essays unterscheiden

2. sprachlich:

SPRACHLICHE ABWECHSLUNG -> sei informativ, ironisch, den Leser direkt ansprechend, rege dich ruhig auch einmal explizit auf oder erzähle fiktionale Geschichten, das wichtigste ist, zeig was du sprachlich drauf hast und unterhalte den Leser.

Ich habe letztes Jahr auch den Essay gewählt und habe 15 Punkte geschrieben und den Deutschpreis bekommen.

Meinen Essay kannst du hier...

...lesen und dir die Erfolgsgeheimnisse abgucken :)

Liebe Grüße,

Henning

all diese punkte müssen auftauchen, sozusagen verknüpft im gesamttext vorliegen.

wenn du nur erzählend schreibst hast du hinterher eine geschichte, wenn du nur argumentierst eine wissenschaftliche abhandlung.

das wichtigste überhaupt: beispiele! je lebensnäher und allgemeinverständlicher sie sind desto besser. danach im bezug auf das thema mit dem beispiel auseinandersetzen. lass dir doch ein gutes essay geben (zum beispiel aus den vorherigen abiturjahrgängen) und arbeite es durch. welche argumente werden benutzt? wann zitiert der schreiber andere, wann bringt er persönliche erfahrungswerte ein und wann setzt er sich mit dem problem refelktiert auseinander?