Eklektizismus
Was ist Eklektizismus? In einem Online-Quiz war als richtige Antwort dafür vorgegeben, ein Eklektiker sei jemand, der sich aus verschiedenen philosophischen Richtungen das ihm Passende aussucht. Das halte ich für eine dümmliche Unverschämtheit, weil es ja wohl das Wesen echter Philosophie ist, gerade nicht etwas nachzubeten, sondern sich seinen eigenen Text zu machen - im Gegensatz vielleicht zur orthodoxen Kirchengläubigkeit. Eklektizismus, so habe ich es stattdessen gelernt und bisher immer verstanden, ist ein unechter Stil, also etwas Nachempfundenes und Aufgesetztes, was nicht dem inneren Wesen dessen entspricht, das damit zum Ausdruck gebracht werden soll. Demnach wäre also das Gegenteil dessen richtig, was dort vorgegeben war.
4 Antworten
Eklektizismus ist von den griechischen Wörtern ἐκλεκτός = „ausgewählt", „auserwählt", „erwählt", „gewählt" und ἐκλέγειν = „auslesen", "auswählen", "herausnehmen"; „einsammeln", „eintreiben", „erheben" abgeleitet.
Eklektizismus ist ein Herausnehmen von Teilstücken aus verschiedenen Ansätzen.
Es gibt bei dem Begriff schon früh einen Bezug zu Philosophie.
Diogenes Laertios 1, 21 erwähnt als eine eklektische philosophische Richtung (ἐκλεκτική τις αἵρεσις) die des Potamon von Alexandria, der sich von jeder der philosophischen Richtungen das, was ihm gefiel (τὰ ἀρέσκοντα ἐξ ἑκάστης τῶν αἱρέσεων), auswählte.
Meines Erachtens gibt es beim Eklektizismus, so wie der Begriff verwendet wird, zwei Begriffsbedeutungen. In der einen Bedeutung meint der Begriff allgemein das Auswählen/Herausgreifen von Teilen aus unterschiedlichen Ansätzen, ohne daß ein Urteil über diese Art der Zusammenstellung festes Wesensmerkmal des Begriffs ist. In einer anderen Bedeutung ist auch ein abwertendes Urteil ausgedrückt. Dann wird das Herausgreifen als ziemlich beliebig beurteilt bzw. das Ganze als nicht folgerichtig zusammenhängend, nicht in sich stimmig und nicht zu einer Sache passend (fehlende „innere Richtigkeit").
Anregungen können aus verschiedenen Richtungen gewonnen werden. Die Frage ist, ob etwas geistig durchdrungen ist, ein schlüssiges Ganzes bilden kann. Sich einfach das einem selbst Passende, aus irgendeinem Grund Zusagende auszusuchen, greift dafür noch zu kurz. Eigene Gedanken, die eine Aneignung leisten, fehlen dann und ein Problem ist, ob nicht für das Teilstück Voraussetzungen nötig sind, die nicht weggelassen werden können bzw. dann auf andere Art zu schaffen sind, um eine tragfähige Verbindung zu erreichen.
Jürgen Mittelstrass, Eklektizismus. In: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Herausgegeben von Jürgen Mittelstrass, Band 2: C – F. 2., neubearbeitete und wesentlich ergänzte Auflage. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2005, S. 405:
„Eklektizismus, (von griech. ἐκλέγειν, auswählen; vgl. Diog. Laert. I, 21), Bezeichnung einer philosophischen Richtung, in der die eigene Position durch die Übernahme fremder Lehrstücke bestimmt ist. In der Antike galten als Eklektiker z. B. Karneades, Antiochos von Askalon, und M. T. Cicero, in der Neuzeit z. B. C. A. Crusius, C. Garve und V. Cousin. In dem von D. Diderot geschriebenen Artikel ›éclectisme‹ der ›Encyclopédie‹ (V[1755], 270 – 293) wird im Gegensatz zu der etwa seit G. W. F. Hegel (‹oberflächliches Aggregat‹, Vorl. Gesch. Philos., Sämtl. Werke XIX, 32) vorherrschenden abwertenden Bedeutung von E. eklektisches Denken mit aufgeklärtem Denken gleichgesetzt.“
Lexikon der Kunst : Malerei, Architektur, Bildhauerkunst; [in 12 Bänden]. Gesamtleitung: Wolf Stadler. Redaktionsleitung: Peter Wiench]. Band 4: Dego – Gai. Genehmigte Sonderausgabe. Eggolsheim : Edition Dörfler im Nebel Verlag, 2006, S. 139:
„Eklektizismus, Bezeichnung für eine Anlehnung oder die direkte Übernahme von Stilen anderer Künstler oder Epochen, die aufgrund fehlender eigenschöpferischer Fähigkeiten erfolgt. Häufig werden dabei mehrere Stilarten zu einem einzigen Kunstwerk vereint. Entscheidend ist, daß solche Kombination von Vorbildern zitathaft erfolgt, d. h. ohne Verständnis für den ehemaligen Verwendungs- und Systemzusammenhang der entlehnten Formen. Der Begriff Eklektizismus basiert allerdings stark auf einem neuzeitlichen Verständnis von Kunst, in dem das Moment des Schöpferischen eng mit dem des Originären und Originellen verknüpft ist. Diese Vorstellung war jedoch z. B. weiten Teilen des frühen und hohen Mittelalters fremd. Der Anschluß an formale und ikonographische Traditionen galt häufig sogar als künstlerische Lösung, wie etwa die byzantinische Ikonenmalerei belegt. Auch in der Kunsttheorie und –praxis der Renaissance und des Manierismus war es vielfach üblich, Elemente bewährter Kunstwerke zum Teil exakt zu übernehmen und zu neuen Werken zu vereinen. Der Begriff wird deshalb oft eingeengt auf eine Kennzeichnung für die stilvermengende Baugesinnung des → Historismus. Die neuere Forschung enthält sich jedoch einer abwertenden Klassifizierung im Zusammenhang mit diesem Begriff.“
Negativ: "Eklektizismus" ist oft synonym für "Kitsch", d. h. Unpassendes soll passend gemacht werden (Kitschtapete --> Wölkchen, Pferdeköpfe etc. wäre Kunstkitsch oder Eklektizismus). In der Religion wäre das so was wie ein bisschen Christ und ein bisschen Hindu - das geht nicht wegen dem ersten Gebot: "Ich bin der Herr dein Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben mir". Personenkulte und Vergottungen gehen so auch nicht. Diese wiedersinnigen Dinge nennt man in der Religion für gewöhnlich "Sekte" - und die sind Eklektizistisch.
Positiv: In der Kunst kannst du sehr wohl eigentlich unpassendes zusammen bringen, etwa auf der Bühne. Verschiedene Charaktere symbolisieren verschiedene Dinge, die unpassend sind.
Aber: Was meinst du jetzt mit Eklektizismus?
Eklektizismus ist die Bezeichnung einer Methode. Laut Wiki:
"Als Eklektizismus (von griech. ἐκλεκτός, eklektos, „ausgewählt“) bezeichnet man Methoden, die sich verschiedener entwickelter und abgeschlossener Systeme (z. B. Stile, Philosophien) bedienen und deren Elemente neu zusammensetzen."
Das ist nicht unbedingt negativ. Es gibt keine Entwicklung (egal ob Philosophie, Literatur, Kunst, Musik, Architektur usw.), die ohne Rückgriff auf Vergangenes voranschreitet. Die Frage ist nicht, ob sich jemand an Ideen oder Vorbildern orientiert und sie in einem neuen Verständnis zusammensetzt (so greift z.B. Schopenhauer auf Kant, Hume und Epikur zurück und negativ auf Hegel), sondern ob dann auch etwas Neues dabei herauskommt oder nur ein "als NEU eingefärbter Abklatsch bereits dagewesenen". Es gibt z.B. große Künstler wie Picasso, die mehrere Stile mitgeformt aber nicht ausgereitzt haben. Das schafft für andere Künstler durchaus Raum, in einem solchen Stil eine größere Bandbreite von Motiven umzusetzen. So ist es auch in der Philosophie: Es ist schon soviel gedacht worden, dass es ein Zeichen von Redlichkeit ist, anzugeben, bei wem alles man sich hat inspirieren lassen. Aber Philosophie versucht immer wieder neue Antworten in einer ihr eigenen Zeit und wenn solche Antworten gelingen, auch wenn sie sich auf Ideen und Ansätze früherer Philosophen beziehen, ist das vollkommen in Ordnung.
Nein, Eklektizismus ist sozusagen eher ein Patchwork aus philosophischen Richtungen. Und ja du hast Recht, es hat einen eigene Schoepfungshoehe. Es ist aber nichts nachempfundenes sondern etwas neues, das aus vorhandenem geschaffen wurde. Eher so wie wenn jemand aus Rhythm 'n' Blues, Jazz-Rock und Techno einen neuen Stil generiert.