Die unterschiede zwischen Faust 1 und Faust 2?

3 Antworten

Faust 1 spielt im Diesseits und Faust 2 im Jenseits. Faust 1 ist klassisches Deal with the Devil Motiv und Faust 2 hingegen eine gescheiterte Utopie. Vergleiche dazu auch Dostojewskis Novelle "Der Traum ejnes lächerlichen Menschen" und Dantes "göttliche Komödie", wenn die Zeit noch reicht.


sergius  21.05.2018, 11:49

Falsch ist, dass Faust II im "Jenseits" spielt. Faust "reist" vielmehr durch verschiedene historische Weltregionen, wie z.B. an den Kaiserhof, in die griechische Antike (Helena) usw. Erst ganz am Ende, nachdem er durch seine autoritäre "Tat" dem Meer neues Land abzugewinnen, glaubt, zu diesem Tag sagen zu können "Verweile dich, Du bist so schön" , erkennt er , dass diese Tat mit dem Verbrechen verbunden war, die alten Leute Philemon und Baucis schamlos umzubringen (Mephistos Werk im Hintergrund), und stirbt. Fausts Seele wird in der Schlussszene von Engeln und anderen mythischen Gestalten ins "Jenseizs" getragen und offenbar vom lieben Gott dort gnädig aufgenommen.

achwiegutdass  21.05.2018, 11:55
@sergius

"Verweile doch ! Du bist so schön" Ansonsten ist die Richtigstellung mehr als legitim...

sergius  21.05.2018, 12:01
@achwiegutdass

Vielen Dank, das "i" war ein Tipfehler ! Ein weiterer Tipfehler in "Jenseiz(t)s, sorry !

Flimmervielfalt  21.05.2018, 12:03

Vielleicht hätte ich eher vom Jenseitigen im bildlichen Sinne sprechen sollen. Danke für die spitzfindige Ergänzung.

Faust 1 spielt in kleinformatigen Räumen wie „Fausts Studierzimmer“, „Vor dem Tor“, „Auerbachs Keller“; Garten; Kerker (Ausnahme: Harzgebirge). In Faust 2 greift das Geschehen in überregionale, weiträumige, universale Bereiche aus: Regierung des Reiches (kaiserliche Pfalz), Hochgebirge, Vorgebirge als Schlachtfeld (Kaiser gegen Gegenkaiser) offene Gegend (Fausts Palast und Meeresstrand). Außerdem öffnen sich die Bereiche nicht nur geographisch, sondern auch historisch: die Fausthandlung taucht tief in die antike griechische Geschichte ein (klassische Walpurgisnacht).

In Faust 1 ist Faust der nach letzter Erkenntnis strebende (alte) Gelehrte, später der von einem großen Gefühl faszinierte (junge) Liebhaber, der – weil er immer noch nach Größe und Erkenntnis strebt – zu der kleinbürgerlichen und bodenständigen Margarete nicht passt (seine Liebe muss deshalb scheitern).

In Faust 2 ist Faust immer noch der nach Erkenntnis und nach der großen Liebe strebende Mensch (siehe seine Zeitreise in die griechische Antike mit Hilfe des Homunculus und seine Liebe zu Helena). Auf den Thessalischen Feldern im griechischen Altertum existierte eine ideale Welt der Schönheit, verkörpert durch Paris und Helena (2. Akt). Hier besonders erkennt man weiter das Streben Fausts, diesmal nach höchster Vollkommenheit.

Doch im 2. Teil von Faust 2 wandelt sich der Charakter des Faust. Er wird zum Großunternehmer. Er macht sich von seiner unruhigen Sehnsucht und leidenschaftlichen Begierde frei und wird ein Mann der Tat. Sein Streben ist nicht mehr ins Allgemeine gerichtet, sondern bezweckt die Förderung menschlichen Glückes und Gemeinnutzes. Dazu bedarf er Grund und Boden, den ihm der Kaiser verleihen soll. Das wird aber erst möglich, nachdem Mephisto dem Kaiser in einer Schlacht gegen den Gegenkaiser geholfen hat. Nach dem Sieg des Kaisers bekommt Faust einen Meeresstrand verliehen, auf dem er einen riesigen Palast erbaut und Land für Menschen gewinnt, die aus ihrem Leben etwas machen wollen.

Noch ein Unterschied zwischen Faust 1 und 2: In Faust II steht nicht das subjektive Schicksal einzelner Personen im Vordergrund wie in Faust 1, denn die Zeitspanne, in der sich die Handlung von Faust II bewegt, übersteigt ein menschliches Leben um ein Vielfaches. Die handelnden Personen sind deshalb nicht mehr subjektive und individuelle Handlungsträger, sondern Träger und Repräsentanten von Ideen, sie sind Allegorien.

Mephisto ist auch nicht mehr der altdeutsche Teufel wie in Faust 1, sondern ein Weltmann, ein Mitarbeiter fürs Grobe und schließlich ein Unternehmensberater.