Die Nacht der Schwarzen Kühe?

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Georg Friedrich Wilhelm Hegel drückt mit dem Hinweis auf ein Sprichwort („Bei Nacht sind die Kühe alle schwarz“ oder „Des Nachts sind alle Kühe schwarz“, ähnlich ist auch „Bei Nacht sind alle Katzen grau“) einen Sachverhalt anschaulich aus, der bei einem abgelehnten Standpunkt gegeben ist.

In der Nacht können bei mangelndem Licht Dinge nicht gut unterschieden werden. Alle Dinge erscheinen farblich gleich. In dieser Unterschiedslosigkeit kann nichts als ein bestimmtes Etwas erkannt werden. Eine Kuh sieht nicht anders aus als die anderen Kühe.

Es geht um die Auffassung vom Absoluten. Hegel wendet sich gegen eine Auffassung darüber, sein Gedanke ist an dieser Stelle also erst einmal eine Verneinung eines Standpunktes, bei dem das Absolute als völlig indifferent (unterschiedlos) gedacht wird.

Hegel äußert seine Ablehnung eines indifferenten, daher gewissermaßen einfarbigen Formalismus. Er hält ihn für ungeeignet zum Erkennen der Dinge und der absoluten Wirklichkeit.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Phänomenologie des Geistes, Vorrede (1807):

„Es ist vielmehr ein einfarbiger Formalismus, der nur zum Unterschiede des Stoffes, und zwar dadurch kommt, weil dieser schon bereitet und bekannt ist.

Dabei behauptet er diese Eintönigkeit und die abstrakte Allgemeinheit für das Absolute; er versichert, daß die Ungenügsamkeit mit ihr eine Unfähigkeit sei, sich des absoluten Standpunktes zu bemächtigen und auf ihm festzuhalten. Wenn sonst die leere Möglichkeit, sich etwas auf eine andere Weise vorzustellen, hinreichte, um eine Vorstellung zu widerlegen, und dieselbe bloße Möglichkeit, der allgemeine Gedanke, auch den ganzen positiven Wert des wirklichen Erkennens hatte, so sehen wir hier ebenso der allgemeinen Idee in dieser Form der Unwirklichkeit allen Wert zugeschrieben, und die Auflösung des Unterschiedenen und Bestimmten, oder vielmehr das weiter nicht entwickelte noch an ihm selbst sich rechtfertigende Hinunterwerfen desselben in den Abgrund des Leeren für spekulative Betrachtungsart gelten. Irgendein Dasein, wie es im Absoluten ist, betrachten, besteht hier in nichts anderem, als daß davon gesagt wird, es sei zwar itzt von ihm gesprochen worden, als von einem Etwas, im Absoluten, dem A = A, jedoch gebe es dergleichen gar nicht, sondern darin sei alles eins. Dies eine Wissen, daß im Absoluten alles gleich ist, der unterscheidenden und erfüllten oder Erfüllung suchenden und fordernden Erkenntnis entgegenzusetzen – oder sein Absolutes für die Nacht auszugeben, worin, wie man zu sagen pflegt, alle Kühe schwarz sind, ist die Naivität der Leere an Erkenntnis.“

Die Äußerung über die Nacht, in der alle  Kühe schwarz sind, ist eine Polemik gegen ein «absolutes Identitätssystem» bzw. (andere Benennung durch Hegel) eine «Identitätsphilosophie», wie in den Jahren zuvor von Friedrich Wilhelm Joseph Schelling eingeführt.

Hegel und Schelling werden beide dem «deutschen Idealismus» zugeordnet. Es gibt bei ihnen spekulatives Denken und das Streben nach einem System, das zu einer umfassenden Einheit der ganzen Wirklichkeit kommt und das Absolute versteht. Hegel und Schelling waren beide gleichzeitig einige Jahre am Tübinger Stift und später an der Universität Jena, Hegel hatte Schellings Philsophie anfangs weitgehend zugestimmt, wendet sich dann aber gegen Gedanken der «Identitätsphilosophie».

Schelling dachte das Absolute als absolute Identität (Identität kann als „A = A“ wiedergegeben werden). Nach seiner Auffassung bildet das Absolute eine ungeschiedene Einheit. Alles fällt letztlich zusammen in einer jeder Trennung/Spaltung (wie in Subjekt und Objekt, Natur und Geist, Reelles und Ideelles) vorausliegenden Indifferenz der absoluten Identität. Philosophie hat, um Einheit und Ganzheit zu begreifen, in einen Indifferenzpunkt zu gelangen, von dem aus in einer intellektuellen Anschauung das Absolute als ungeschiedene Identität begriffen werden kann.

Hegel kritisiert in der Textstelle diese Auffassung und ihre Folgen. Denn eine völlige Auflösung von Unterschiedlichkeit und Bestimmtheit (im Absoluten alles gleich) führt dazu, im Absoluten gar nichts erkennen zu können. Das Ergebnis ist dabei eine Leere an Erkenntnis.

Hegel möchte das Absolute offenbar als Einheit verstehen, aber so, dass dies nur ein Moment (Bestandteil/Gesichtspunkt) ist, es aber auch in dieser Einheit Unterschiedlichkeit und Bestimmtheit gibt, was Entwicklung und einen Reichtum an Erkenntnis ermöglicht.