Der Mauerbau - Der eigentliche Gründungstag der DDR?
Inwiefern könnte man den Mauerbau als den eigentlichen Gründungstag der DDR sehen? Was hat sich in Gesellschaft, Politik und Selbstverständnis geändert, was dafür spricht bzw. was spricht dagegen?
9 Antworten
Es ist eher das Gegenteil der Fall. Denn mit dem Mauerbau musste die DDR sich selbst eingestehen, dass sie den Vergleich mit dem Westen verloren hatte. Eigentlich hätte man das Experiment DDR an diesem Tag auch abbrechen können. Damit hätte man vielen Menschen sehr viel Leid erspart.
Was aus dem Experiment wurde hat man ja am 9. November 1989 gesehen. Die 28 Jahre hätte man sich auch sparen können.
Wer ist denn das "man"? Bist du das? Oder meinst du die damaligen Leute der DDR?
Und meinst du, dass "man" sich das Experiment Kapitalismus oder Westanbindung auch sparen hätte können, wenn es mal vorbei ist?
Du scheinst immer im Voraus zu wissen, was "man" sich sparen kann. Hoffentlich machst du das in deinem Leben auch so.
Die DDR wurde am 7. 10. 49 gegründet, der Mauerbau war im August 61 und hat mit der Staatsgründung rein gar nichts zu tun.
Es geht mir bei der Frage um die Überlegung, ob sich aufgrund des Mauerbaus nicht nur die Staatsgrenzen, sondern auch neue Ansichten gefestigt haben, die dann die Zeit in der DDR maßgeblich geprägt haben und einen Einfluss darauf hatten, wie die DDR heutzutage gesehen wird.
Ich hoffe, das macht mein Anliegen verständlicher.
LG
Okay, ich würde sagen, dass mit dem Mauerbau und der befestigten Grenze zum Westen die DDR quasi kapituliert hat (das natürlich nicht zugeben konnte), ein Staat, der seine Bürger einsperren muss, damit sie nicht weglaufen, macht die doch erst recht auf die Misstände aufmerksam, wenn das auch nur heimlich ging.
Außerdem dürfte ab da jedem klar gewesen sein, dass es ein "unteilbares" Deutschland nicht mehr gibt und die DDR kein freies Land ist. So gesehen war der Mauerbau eher das Ende der DDR.
Einige Historiker sehen die schnelle Einführung der D-Mark(West) als eigentlichen Anlass für die künftige Zweistaatlichkeit Deutschlands: Schon während des Krieges "bastelte" Prof. Ehrhardt in seiner fränkischen Heimat an einem Konzept, wie es wirtschaftlich und finanziell in Deutschland nach dem Krieg weitergehen könnte. Der künftige Wirtschaftsminister und Bundeskanzler konnte ja nicht ahnen, dass sich in den USA ein junger Finanzexperte, Edward Tenenbaum bereits mit diesem Thema beschäftigte. In Rothwesten(bei Kassel) fanden sich dann Tenenbaum, Ehrhardt und einige bayerische Finanzexperten zusammen, um zu beratschlagen, wie es mit welcher Währung in den westlichen Zonen Deutschlands weitergehen könnte. Ehrhardt hoffte, dass der Einzelhandel (kleine Kaufleute) genügend Waren "gebunkert" hatten, um dann mit einer "neuen Währung"(die unausweichlich kommen mußte) ordentlich viel verdienen zu können. NOCH lief ungeheuer viel über den sog. Schwarzmarkt ab: Zigaretten und Kaffee, die von Soldaten an die Zivilbevölkerung verteilt wurden, waren (fast) ebenso begehrt, wie die Stummel aufgerauchter Zigaretten oder Zigarren, nach denen sich die Deutschen bückten. Als dann die in den USA gedruckten neuen Banknoten ("Deutsche Mark") ausgegeben wurden, waren über Nacht die Schaufenster voll mit Waren, die schon lange niemand mehr gesehen hatte. Noch in hohem Alter forderte der frühere Finanzminister und Bundeskanzler Helmut Schmidt in einem Interview ein Denkmal füe Tenenbaum.
Dieser Theorie kann ich nicht zustimmen, da die DDR bereits lange vorher eine Eigenstaatlichkeit und ein eigenes Selbstverständnis hatte.
Allenfalls könnte man den Mauerbau als die definitive Absage an eine jemals vorstellbare Wiedervereinigung betrachten, die ja in der Verfassung vom 7.10.1949 nicht ausgeschlossen war, da hier von einem unteilbaren Deutschland die Rede ist.
ARTIKEL 1
(1) Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik; sie baut sich auf den deutschen Ländern auf.
(2) Die Republik entscheidet alle Angelegenheiten, die für den Bestand und die
Entwicklung des deutschen Volkes in seiner Gesamtheit wesentlich sind; alle übrigen Angelegenheiten werden von den Ländern selbständig entschieden.
(3) Die Entscheidungen der Republik werden grundsätzlich von den Ländern ausgeführt.
(4) Es gibt nur eine deutsche Staatsangehörigkeit.
Das fände ich sehr vordergründig.
Auch die DDR-Gesellschaft hat natürlich ein Recht auf Entwicklung und Veränderung ihres Selbstverständnisses ohne deshalb gleich immer auch noch an ihrem Gründungsdatum herumfingern zu müssen...:-)
Fraglos aber markiert der Mauerbau durchaus eine Zäsur im herrschenden Selbstverständnis des SED-Regimes. Das bis dato verfolgte Ziel der Wiedervereinigung wird aufgegeben und man beginnt sich als sozialistische Nation begreifend von der Bundesrepublik konsequent staatlich abzugrenzen.
Aber muss man das jetzt in Gestalt des Mauerbaus symbolisch unbedingt zum "eigentlichen Gründungstag" der DDR hochjazzen? Warum? Welches Problem könnte man damit lösen? :-)
So ganz einfach ist es doch nicht. Zweifellos hatte die BRD die bessere ökonomische Entwicklung. Warum das so war, wäre ein eigenes Thema. Allerdings hatte die DDR auch eine besondere Situation: Gut ausgebildete Leute konnten aus der DDR in den Westen, vor allem in die BRD "auswandern", weil die BRD ihnen "selbstverständlich" die Einreise und sogar sofort einen deutschen Pass, womöglich sogar Eingliederungshilfen zur Verfügung stellte. Dass das zwischen Staaten gar nicht so selbstverständlich ist, kann man aktuell am Brexit sehen. Die Leute in der DDR, die sich zweifellos als eigenen Staat verstanden, bildeten ihre Menschen nicht aus, um sie nachher kostenfrei an andere Staaten abzugeben, sondern um den eigenen Staat ökonomisch und wirtschaftlich aufzubauen. Egal, wie man dazu steht, die DDR und der Ostblock waren doch kein "Experiment", das "man" (ja wer denn) dann abbrechen kann, sondern das Resultat einer Überzeugung, wie man die Welt gestalten kann. Wie gesagt, egal wie du selber dazu stehst. Oder würdest du das "Experiment" BRD jetzt abbrechen, wenn du in die Armutsberichte der deutschen Bundesregierung siehst? Wenn du daraus schließt, dass die ökonomisch gute Stellung von Deutschland erkauft wird mit einem (durch Agenda 2010 und Hartz ausgeweiteten) Niedriglohnsektor und, resultiernd daraus, mit bestehender und noch mehr drohender Altersarmut?