Der Kategorische Imperativ und Mord?

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Kant mahnte als Grundlage zum menschlichen Dasein das Nachdenken über Gut und Böse: Sapere aude!

Das machst du aber überhaupt nicht: Wenn deine Familie jemand tötet und du ihn deshalb, ist das Ausdruck eines ethisch wertlosen Gefühls, eines pathologischen, nämlich Ausdruck der Rache, die eben nicht einmal tierischen Ursprungs ist, und nicht des von Kant für seinen kategorischen Imperativ geforderten Nachdenkens!


Alexander372 
Beitragsersteller
 21.07.2024, 23:18

Danke, das hilft mir weiter. Also lässt der Kategorische Imperativ niedrige Motive wie Rache gar nicht zu, bzw. schließt sie kategorisch aus?

Skoph  22.07.2024, 13:10
@Alexander372

Ich würde eher sagen, I. Kant schließt Rache für sein Postulat aus, denn er geht ja von dem vernunftbegabten Lebewesen "Mensch" aus, das von all den das Nachdenken und ethisch richtige Handeln störenden Leidenschaften (= Gefühlen < allerdings besser zu Kants Zeit: Affekte, vgl. Affektenlehre), wie giftige Eifersucht eines Liebenden, auch Rache "für die Gerechtigkeit" usw., gerettet werden möchte; also bemüht es sich alltäglich darum.

Das ist in der Geistesgeschichte häufig ein Problem humanistisch geprägter und oft wie in Klausur lebender einzelgängerischen Intellektueller, dass sie sich die unendliche Dummheit und perverse Bosheit zu vieler Menschen jeden Alters und Geschlechts (in der praktischen Ausübung) gar nicht vorstellen können, wenn (oder sogar: weil) sie dazu keine Phantasie oder keine eigenen Erfahrungen haben.

Skoph  22.07.2024, 13:29
@Alexander372

Vermutlich begehst du gar keinen Denkfehler nach dem Wortlaut Kants ethischer Forderung, aber wir Deutsche sprechen seit den neueren Völkermorden von der "Unantastbarkeit der Menschenwürde". Und das ist ja kein gesellschaftliches Ziel, sondern die neue Grundlage all unserer menschlichen Ethik, die zum Beispiel die Bestrafung mittels Töten unmöglich macht!

(Problematisch ist dabei auch die Notwehr. Sie muss eindeutig mit der Verhältnismäßigkeit der Mittel gegeben sein, d.h. z.B. ein nachweislich waffenloser Einbrecher darf nicht mit einer Waffe getötet werden > vgl. Kant.)

Außerdem haben es bereits viele Staatsmachten ethisch begriffen, dass eine Vergeltung einer Straftat auch zum Beispiel eines Mordes nur ein Staatsdiener im Auftrag eines staatlichen Gerichtsurteils ausüben darf (ethische Grundlage des Strafrechts): Anklage (Staatsanwalt) des Mordes > Beweisführung (mit Angeklagtenanwalt) > Urteil (Richter) > früher: Todesstrafe (Henker)!

Wenn dich das weiter detailliert interessiert, rate ich dir zum Jurastudium und Spezialisierung auf Strafrecht in Verbindung mit Ethik.

'Was ich nicht will, was man mir tu, das füg ich auch niemand andern zu.' - welchen 'guten' Grund gibt es jemand zu töten? Mir scheint, deine ganze Frage ist ein einziger Denkfehler.


Alexander372 
Beitragsersteller
 21.07.2024, 18:54

Es geht nicht darum jemanden zu töten, sondern den Mörder der eigenen Familie oder Kinder zu töten, wenn man diesen zweifelsfrei überführt. Nach dem Kategorischen Imperativ ist das als allgemeines Gesetz widerspruchsfrei denkbar, da ich ja niemals getötet werde, wenn ich niemanden töte. Kann ich wollen, dass jeder Mensch auf der Welt den überführten Mörder seiner Familie tötet? Ja. Mir ist natürlich klar, dass der Kategorische Imperativ töten nicht zulässt, aber das "Gesetz" das ich oben geschrieben habe, funktioniert. Zumindest kommt es mir so vor. Und da liegt mein Problem. Ich verstehe offenbar irgendetwas grundlegend falsch.

PaulSmart  21.07.2024, 19:02
@Alexander372

Als Kant den kategorischen Imperativ erfand war die Todesstrafe noch Alltag.

Das Problem: wenn du das Töten für diese Person als richtig erachtest, kann das als ein allgemeingültiges Gesetz übernommen werden, wonach jeder Familienmörder auf dem Schafott endet? Ist demnach die Todesstrafe in bestimmten Situationen ok?