Darf eigentlich ein Hartz-4-Empfänger geschenkte Gegenstände, die er vor dem Leistungsbezug erhalten hat, im Leistungsbezug verkaufen?

3 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

"Geld oder Geldeswert (= geldwerte Güter)", die man schon besaß, bevor man einen Antrag auf ALG II gestellt hat, gelten beim ALG II als § 12 Zu berücksichtigendes Vermögen. Das, was danach zufließt, gilt zunächst als § 11 Zu berücksichtigendes Einkommen (und später evtl. als Vermögen).

Sein Vermögen kann man beliebig in ein anderes Vermögen umwandeln - das so erwirtschaftete Geld gilt in der Regel nicht als § 11 Zu berücksichtigendes Einkommen. Wenn ich also Geld von einem Konto abhebe, verwandel ich Bankguthaben in Barvermögen - und wenn ich Geld aus dem Sparstrumpf auf die Bank tu, umgekehrt. In beiden Fällen gilt: Ich erwirtschafte kein Einkommen.

Auch bei "geldwerten Gütern" sieht es so aus: Wenn ich eine Hose von früher jetzt verkaufe, wandel ich mein Vermögen nur in Geld um - genauso, wie wenn ich eine Hose kaufe, nur umgekehrt.

Das kann ich zehn Mal am Tag machen, wie "Hans im Glück". Ein Tausch, eine Vermögens-Umwandlung, auch eine Umwandlung von Sach- in Geld-Vermögen, generiert nicht per se ein § 11 Zu berücksichtigendes Einkommen.

Bei "geldwerten Gütern" wird der Wert anhand des sog. Verkehrswerts ermittelt. Das wäre bei einer neuen Gucci-Hose meist der mittlere Ladenpreis, bei einem Auto der Preis in der Schwacke-Liste oder so ähnlich.

Wenn es dabei zu einer Wertsteigerung kommt, etwa, weil ein Turnschuh ausverkauft ist oder zum Sammlerobjekt geworden ist, könnte diese Wertsteigerung als Einkommen gewertet werden - was bei Immobilien und bei Aktien besonders plausibel erscheint.

Beachten muss man aber noch: Wenn man ein privilegiertes Gut verkauft, während man ALG II bezieht, entfällt das Privileg für dieses Gut, und es bleiben einem nur noch die Privilegien für Geld. Ein Beispiel:

Ich habe 5.000,- € Barvermögen und ein Auto mit einem Zeitwert von 5.000,-. Dies ist kein Problem beim Bezug von ALG II: Bar sind mit 40 Jahren 6.750,- € privilegiert, also sog. Schonvermögen, plus ein angemessenes KfZ, das nicht mehr als 7,500,- € wert ist.

Wenn ich nun aber mein Auto für 5.000,- € verkaufe, habe ich 10.000,- € Barvermögen, also mehr, als für Barvermögen privilegiert ist.

Genauso kann es mit Klamotten passieren: "angemessener Hausrat" (§ 12, s. o.) ist privilegiert, wozu auch viele teure Hosen zählen können (wenn auch sicher nicht 1.000 á 1.000,- € ;-).

Wenn ich nun mit meinem Schonvermögen in Geld am Limit bin und 1.000,- € aus dem Verkauf von Hosen erlöse, habe ich plötzlich 1.000,- € mehr Bar-Vermögen als privilegiert sind!

Also gilt es zu beachten: Die Umwandlung von Vermögen in eine andere Form von Vermögen generiert in der Regel kein beim ALG II anrechenbares Einkommen.

Aber dabei kann es passieren, dass privilegiertes Vermögen umgewandelt wird in weniger privilegiertes Vermögen - also etwa KfZ gegen Barvermögen, selbstbewohnte Immobilie wird verkauft, privilegierter Hausrat wird verkauft, ein geliebtes Erbstück, das aus Herzensgründen privilegiert ist und deshalb nicht verwertet werden muss, wird trotzdem verkauft.

Gruß aus Berlin, Gerd

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin Ex-Schöffe, Journalist und Gewerkschafter

baykan 
Beitragsersteller
 27.10.2020, 10:33

Vielen Dank für die umfangreiche Antwort. Trifft das Ganze genauso auf geschenkte Artikel bzw. Gegenstände zu? MfG

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GerdausBerlin  28.10.2020, 02:05
@baykan

Warum nicht? Ein Geschenk aus der Zeit VOR dem (später bewilligten) Erstantrag auf ALG II gilt als Vermögen, ob es privilegiert ist, das hängt von der Art des Vermögens ab (Auto? Hausrat? Immobilie, selbstbewohnte? Notwendiges Handwerkszeug?) und vom Gesamtumfang des Vermögens.

Ein Geschenk, das NACH dem Erstantrag zufließt, gilt als Einkommen. Privilegiert sind dabei Geschenke im normalem Rahmen zu Kindergeburtstagen usw. oder zweckbestimmte Zuwendungen, etwa für einen Führerschein. Andere Geschenke können hingegen als § 11 Zu berücksichtigendes Einkommen bewertet werden - und zwar entsprechend ihres Zeitwerts.

Wenn ich also eine Hose von früher verkaufe, handelt es sich um eine Vermögens-Umwandlung - von Stoff in Geld. Dabei fließt mir ja kein Mehrwert zu - zwar Geld, aber kein Wert. Ich könnte ja auch mit der Hose auf den Markt gehen und mir dafür einen Sack Kartoffeln eintauschen. Ich habe also auch kein Einkommen, wenn ich die Hose zu Geld mache. Es ist also Jacke wie Hose, ob ich Vermögen in Form einer Hose besitze oder in Form von Geldscheinen oder von Bankguthaben - auch bei früheren Geschenken.

Bei aktuellen Geschenken sieht es anders aus - sie sind ja zufließende Werte, also Einkommen. Wenn mir wer eine Hose mit einem Zeitwert von 100,- € schenkt, muss ich das dem Jobcenter mitteilen. Dieses geldwerte Einkommen wird dann in seinem Wert bereinigt nach SGB II § 11b Absetzbeträge, im Wesentlichen also um 30,- Versicherungspauschale.

Dann krieg ich im Folgemonat entsprechend 70,- € weniger ALG II - oder es werden 70,- € von mir zurückgefordert. Wenn ich dann die Hose für 100,- € verkaufe, habe ich 30,- € mehr als vorher - selbst dann, wenn ich gar keine private Versicherung habe.

Allerdings könnte ein Geschenk auch unter eine Bagatell-Grenze fallen und daher gar nicht berücksichtigt werden. Das könnten die 50,- € pro Monat sein, von denen hier geschrieben wurde.

Was aber gar nicht unberücksichtigt bleiben wird: Wenn der Onkel ins Altersheim geht und mir seinen gesamten Kleiderschrank schenkt und auch noch die große Modelleisenbahnanlage. Und erst recht nicht, ich das alles bei ebay verticke!

Denn selbst privilegierte Erbstücke, die ich vor dem Erstantrag erhalten habe, sind nicht mehr per se zwecks Erinnerung privilegiert,wenn ich sie in Geld umgewandel!

Gruß aus Berlin, Gerd

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dann als Hartz-4-Empfänger für weniger verkauft, da er das Geld benötigt?!

Das nennt man "Vermögensumwandlung". Solange man die Wertgegenstände bei der Erstantragstellung nicht verschwiegen hat, ist alles in Ordnung.

Oder darf man nur Gegenstände verkaufen, die man bereits

Nein.


baykan 
Beitragsersteller
 27.10.2020, 10:36

Wenn man diese teuren Markenartikel in der Anlage Vermögen nicht angegeben hat, könnte es dann zu Problemen führen? Bzw. wenn es kein Feld dafür gab in der Anlage VM. ?!

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Agamemnon712  27.10.2020, 11:05
@baykan

Alles, was man dem Jobcenter mitteilen will, wofür es kein Formular oder kein Feld in einem Formular gibt, kann man ein separates Beiblatt nutzen.

Was den Sachwert betrifft - auch ein Bild im Wert von z.B. 5.000 € stellt einen Sachwert und zugleich Vermögen dar.

Wenn die Klamotten nicht zu teuer waren, würde ich mir keine so großen Sorgen machen.

Falls sie online verkauft werden und die Buchung auf den Kontoauszügen auftaucht, dann wäre es vorteilhaft, wenn die Kaufbelege noch vorhanden wären bzw.. wenn die Schenkung nachgewiesen werden kann. Z.B. durch Erklärung des Schenkers.

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baykan 
Beitragsersteller
 27.10.2020, 11:17
@Agamemnon712

Die Klamotten hatten jeweils einen Wert von 300 Euro bis 500 Euro, die allerdings zum Lebensbedarf bzw. zum Besitz gehörten. Könnte das zu Problemen führen, wenn man dies beim Antrag damals Anlage VM oder seperat nicht angegeben hat? LG

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Agamemnon712  27.10.2020, 11:32
@baykan

Wenn Du Dir während des Leistungsbezugs im Verhältnis zum ALG 2 derart teure Kleidung kaufen konntest, dann wird sich das Jobncenter ggf. völlig zurecht fragen, wie Du Dir das leisten konntest. Ich hoffe für Dich, daß Du dann nicht in Erklärungsnot kommst.

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baykan 
Beitragsersteller
 27.10.2020, 10:54

Es stellt für mich einen Sachwert dar (die teure Hose, das teure T-Shirt) und kein Vermögen. Deswegen dachte ich, dass man es nicht angeben muss beim Ausfüllen des Antrags.

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ja es ist sein Eigentum nur ab 35 Sachen wird er als Händler beim amt angesehen.

im second hand bekommt er vielleicht sogar mehr und das wäre bar.


Agamemnon712  27.10.2020, 11:08

Es kann sein, daß Jobcenter einen Kunden ab 35 "Ebay-Verkäufen" als gewerblichen Händler einstufen

Ausschlaggend sollte jedoch sein, was das Finanzamt oder ggf. die für Gewerbeanmeldungen zuständige Behörde dazu sagt.

Was das Jobcenter meint oder nicht meint ...

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