Bibel der frühen Christen?

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Das ist gar nicht so ganz einfach.

Für die Christen war das Alte Testament maßgeblich und die Schriften der Apostel und Evangelisten, die sie später der Bibel als "Neues Testament" hinzugefügt haben. Spätere Schriften (z.b. das Thomas-Evangelium) blieben allerdings außen vor.

Während das Neue Testament unverändert blieb, gab es beim Alten Testament noch Änderungen, und zwar so:

Zur Zeit Jesu existierte eine griechische Übersetzung des Alten Testaments, die sog. Septuaginta. Darin enthalten waren alle biblischen Schriften. Diese Bücher wurden von Jesus und von den Aposteln verwendet. Etwa 100 Jahre nach Jesus haben die Juden einen Bibelkanon gebildet und einige Schriften ausgesondert. Die Christen waren zu dieser Zeit schon so selbständig, dass sie diese Änderung nicht mehr mitvollzogen haben - nicht zuletzt auch mit dem Hinweis, dass Jesus und die Apostel die nun nicht mehr biblischen Schriften als biblische Schriften gekannt hatten.

Der christliche Bibelinhalt war über die Jahrhunderte unbestritten, bis Martin Luther kam und eigenmächtig beschloss, die Veränderung der Juden - mehr als 1.000 Jahren danach - nachträglich einzuführen. Die Katholiken sahen sich daraufhin genötigt, ihrerseits über die biblischen Schriften zu befinden und beschlossen auf dem Konzil von Trient, die Bibel, so wie man sie bisher kannte, beizubehalten.

Das Ergebnis: Bis zum heutigen Tag haben Katholiken und Protestanten unterschiedliche Bibeln.


Artgerecht57 
Beitragsersteller
 04.10.2023, 14:09

Die Septuaginta enthält aber die Bücher 2. und 3. Makkabäer, warum dann die katholische Bibel nicht?

omikron  04.10.2023, 17:33
@Artgerecht57

Ich sage ja, es ist kompliziert....
Dass die Makkabäerbücher nr. 1 und 2 in der katholischen Bibel sind, liegt daran, weil sie Eingang in die latenische Übersetzung (Vulgata) gefunden haben - und dann kanonisiert wurden, während die anderen beiden Makkabäerbücher gar nicht erst in den Weg in die Vulgata fanden. Über die Gründe kann man mehr oder weniger nur spekulieren.

omikron  06.10.2023, 09:18
@Ignatius1

Das sagte ich.
Makk 1+2 sind in der Vulgata, Makk 3+4 nur in der Septuaginta.
Artgerecht57 scheint in ihrer Rückfrage nur die Zahlen verwechselt zu haben.

Ignatius1  06.10.2023, 16:49
@omikron

Sind auch im Codex Vatikanus und eines davonim Codex Alexandrinus .

Welches exakt wo ist , weiss ich grad nicht mehr ..habe ich in Anderen Antworten aber belegt .

Sie sind alle aufzufinden in den Ersten Bibeln.

Die formale Kanonisierung der biblischen Schriften fand erst im 4. Jahrhundert statt. 
...
Auch im Zuge der Reformation wurde der bisher übliche Umfang des Kanons des Alten Testaments, der sich an der Septuaginta orientierte, in Frage gestellt. Martin Luther orientierte sich bei seiner Übersetzung des Alten Testaments am jüdischen, hebräischen Kanon, der – um 100 n. Chr. in seinem heutigen Umfang festgelegt – weniger Schriften umfasste als die um 200 v. Chr. entstandene Septuaginta (d. h. ohne die Bücher Judith, Tobit, teilweise Daniel und Ester, Makkabäer, Sirach, Weisheit und Baruch). Allerdings hielt Martin Luther die über den hebräischen Bestand hinaus in der Septuaginta vermittelten Schriften dennoch für Bücher, so der Heiligen Schrift nicht gleich gehalten, und doch nützlich und gut zu lesen sind;

Quelle: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kanon_(Bibel)

Ansonsten habe ich für dich gerne noch den folgenden Kurzartikel zu den Apokryphen bzw. sogenannten Spätschriften des alten Testaments bzw. deuterokanonische Schriften.

https://www.bibelkommentare.de/lexikon/1383/apokryphen

Dort heißt es unter anderem:

Ausdrücke der Autoren selber zeigen, dass sie nicht daran dachten, dass ihre Bücher für Heilige Schrift angesehen werden sollten. Es gibt auch Widersprüche in ihnen, was für menschliche Werke „normal" ist. Ebenso finden sich in ihnen böse Lehren. Ein Beispiel möge genügen: „Almosen befreien vom Tode und werden von allen Sünden reinigen" (Tobit 12,9). Die Heilige Schrift ist als die Quelle der Wahrheit von solchem Wert, dass alles, was in irgendeiner Weise diese Quelle verunreinigen könnte, mit Entschiedenheit und Verachtung zurückgewiesen werden sollte. Manche Teile der apokryphen Bücher mögen als Geschichte wahr sein, aber in jeder anderen Hinsicht müssen wir sie als falsch abweisen. [...] Die Bibel selbst bringt ihr eigenes Zeugnis in die Herzen und Gewissen der Heiligen, die willens sind, ihre Kraft auf sich einwirken lassen (Off 22,18).

LG

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Bibelstudium, pers. Beziehung mit Gott, freievang. Gemeinde

Ignatius1  05.10.2023, 19:30

Wie gesagt der Artikel über die DK Bücher ist leider nicht ganz so korrekt (Seriös ) wie er gern den Anschein macht .

Das Konzil von Trient erklärte im Jahre 1546, dass die Apokryphen zur Heiligen Schrift gehören. Dabei wurde seitens des Konzils der Anspruch erhoben, vom Heiligen Geist geleitet zu sein.
Die 14 oben genannten Bücher waren in der englischen Authorized (King James) Version von 1611 enthalten, werden aber heute eher selten an die kanonischen Bücher angehängt.
Neben den oben genannten Büchern gibt es noch einige weitere (wie 3., 4. und 5. Makkabäer, das Buch Henochs usw.), die jedoch von niemand als Teil der Heiligen Schrift angesehen werden.
  • Das Konzil von Trient war eine Reaktion auf die Reformation (eine Klarstellung des Bibelkanons,der vorher nie nötig gewesen war klarzustellen. (Zu dogmatisieren) Weil niemand ihn je angezweifelt hatte ...ausser eben dann Luther .
  • Dort hat man lediglich den über tausend Jahre alten Bibelkanon bestätigt,den Luther ja vorher eigenmächtig verkürzt hatte .

FAZIT :

Der Artikel suggieriert falsch , der Kanon sei dort so neu aufgestellt ...etwas neues gewesen.

Paulus selbst sagt :

Falls ich aber länger ausbleibe, sollst du wissen, wie man sich im Hauswesen Gottes verhalten muss, das heißt in der Kirche des lebendigen Gottes, die die Säule und das Fundament der Wahrheit ist.

Und welches ist noch einmal

der Geist der Wahrheit



Ignatius1  05.10.2023, 19:21

Wie gesagt der Artikel über die DK Bücher ist leider nicht ganz so korrekt (Seriös ) wie er gern den Anschein macht .

Hallo Artgerecht57,

es kommt drauf an, welche Zeitspanne Du für den Begriff "frühe Christen" setzt. Ganz am Anfang hatten die Christen natürlich die Schriften des Alten Testaments. Später kamen dann nach und nach die apostolischen Briefe, die vier Evangelien sowie die restlichen Bücher des Neuen Testaments hinzu.

Und nun zu Deiner Frage bzgl. dem Bibelkanon. Was das Alte Testament betrifft, so haben die Juden (die ja zu dieser Zeit Gottes Volk waren und unter seiner Leitung standen) von Anfang an die heiligen Schriften, ausgehend von den Büchern Mose als von Gott inspiriert angesehen.

Nach jüdischer Überlieferung soll es der Bibelschreiber Esra gewesen sein, der damit begonnen hatte, den Kanon der Schriften des AT zusammenzustellen und ein anderer Schreiber der Bibel, Nehemia, hat ihn schließlich vollendet.

Dass dieser Kanon keine willkürliche Auswahl an Büchern war, sondern offenbar unter göttlicher Leitung stand, wird dadurch bestätigt, dass sowohl Jesus Christus als auch die Schreiber des Neuen Testaments aus ihnen zitierten und ihnen damit göttliche Autorität zusprachen.

Was der Kanon der Bücher des Neuen Testaments betrifft, so beanspruchte die katholische Kirche zwar für sich das Recht, den Kanon festzulegen, doch war dieser bereits festgelegt, bevor er durch einen Konzilsbeschluss formal niedergelegt wurde. Das wird durch das bestätigt, was Oskar Skarsaune, Professor für Kirchengeschichte, darüber sagte:

„Welche Schriften zum Neuen Testament gerechnet werden sollten und welche nicht, wurde zu keiner Zeit von einem Kirchenkonzil oder einer Einzelperson festgelegt . . . Die Kriterien waren klar ersichtlich und vernünftig: Als zuverlässig galten Schriften aus dem 1. Jahrhundert u. Z., die man den Aposteln oder deren Mitarbeitern zuordnete. Schriften, Briefe oder ‚Evangelien‘ aus späterer Zeit zählte man nicht dazu . . . Der Entscheidungsprozess hierüber war im Wesentlichen bereits lange vor Konstantin und lange vor Gründung der Reichskirche abgeschlossen. Es war nicht die Reichskirche, sondern die Kirche der Märtyrer, die uns das Neue Testament überlieferte."

Ken Berding, außerordentlicher Professor und Experte für das Neue Testament, bemerkte zur Entstehung des neutestamentlichen Kanons: „Die Kirche wählte den Kanon nicht selbst aus; richtiger ist es zu sagen, dass sie lediglich die Bücher anerkannte, die von Christen schon immer als das autoritative Wort Gottes betrachtet wurden."

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Auswahl der Schriften, die als Teil des Wortes Gottes gesehen werden, von Gott selbst überwacht wurde und er Personen, die zu seinem Volk gehörten, dazu gebrauchte, diese Auswahl vorzunehmen.

Wenn ich Deine letzte Frage richtig verstanden habe, sprichst Du von den Apokryphen. Sie gehören nicht zum Bibelkanon und erscheinen auch nicht in protestantischen Bibelübersetzungen.

LG Philipp

Die Urgemeinden hatten keine Bibel im heutigen Sinn, sondern einzelne Schriften, also mal ein Evangelium von dem und einen Paulusbrief an jene Gemeinde - eine andere Urgemeinde hatte andere Schriften; keine Bücher, eher Loseblattsammlungen.

Bereits am ausgehenden 1. Jahrhundert fasste man die Paulusbriefe in einer Sammlung zusammen, da man befürchtete, einzelne Schriften könnten verloren gehen. Das war das "Corpus Paulinum".

Und eben weil verschiedene Sammlungen nebeneinander auch unterschiedliche Überlieferungen zur Folge hatten und man rasch den Vorteil des Corpus Paulinums erkannte, entstanden weitere Sammlungen. So bildete sich nach und nach ein Kern heraus.

Bis zum Osterfest 367 der Bischof von Alexandria, Athanasius, 27 Schriften in seinem Osterbrief benannte, und so aus verschiedenen Sammlungen die eine wurde, die wir heute kennen. Diese 27 Schriften sind bis heute im Neuen Testament zu finden sind und wurden als verbindlich eingestuft.

Viele Schriften wurden anerkannt, fanden aber keinen Platz bei Kanonisierung: z.B. die Clemensbriefe, die Didache usw. Andere wurden aus verschiedenen Gründen nicht berücksichtigt.

Es war ein Prozess.

Beim Neuen Testament, das für uns Christen das Wesentliche ist, gibt es keine Unterschiede zwischen evangelischer und katholischer Bibel.

Nur im AT gibt es unterschiede, da sich Katholiken an der Septuaginta bzw. Vulgata orientieren und Protestanten an der jüdisch-hebräischen Fassung.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
Wie viele Bücher hatten die frühen Christen in ihrer Bibel?

Die frühen Christen hatten erstmal nur die Schriften, die im Judentum verbreitet waren, und die Schriften des Neuen Testaments, die in ihrer Zeit entstanden sind (grob 45 nChr - 150 nChr).

Wann wurde der Kanon der Bibel ( falls in einem Konzil, welchem?) festgelegt?

Ab dem zweiten Jahrhundert wurde damit begonnen zu diskutieren welche Schriften im christlichen Gottesdienst gelesen werden dürfen und welche nicht. Der Kanon des NT gilt letztendlich mit dem 39. Osterbrief des Athanasius im Jahr 367 nChr als fest.

Das rabbinische Judentum legte seinen Kanon (den wir schlecht als "Altes Testament" bezeichnen) bereits am Ende des 1.Jhdt's nChr fest, und zwar in dem Umfang wie ihn die Protestanten verwenden.

Und hatte diese Bibel, die 7 Bücher die Katholiken heute haben, protestanten allerdings nicht?

Die frühen Christen verwendeten bevorzugt die Septuaginta, die griechische Übersetzung der jüdischen Bibel ("AT"). Diese hat jedoch einen anderen Umfang, meistens mit eben jenen sieben zusätzlichen Büchern (und weiteren Zusatztexten) die u.a. Katholiken bis heute verwenden.