Beleidigung oder unbedachte Äußerung?
Guten Tag,
eine Freundin von mir sitzt beidseitig oberschenkelamputiert im Rollstuhl und hat keine Prothesen. Sie kommt sehr gut damit zurecht, schilderte mir aber gestern einen Vorfall, der mich etwas beschäftigt hat.
Sie war neulich wohl auf einem Vortrag gewesen und wurde, weil sie irgendwie negativ auffiel - sie kann ein wenig schnippisch sein, wenn sie schlecht drauf ist und sagte sie mir selbst; der Referent hat sie so genervt, dass sie versucht hat ihn an die Wand zu reden! - vom Referenten gebeten ... "aus dem Zimmer zu GEHEN".
Das hat sie zwar gemacht, aber die Formulierung als persönliche Kränkung empfunden, weil sie ja nicht "GEHEN" kann, sondern auf den Rollstuhl angewiesen ist und logischerweise "fährt" statt "geht".
Wie seht ihr das: Ist das eine Beleidigung oder einfach ein unbedachter Versprecher eines Referenten, der aus dem Konzept gebracht wurde und nicht mehr wusste, was er sagen soll? Ich habe versucht ihr zu erklären, dass ich vermute, der Mann wusste selbst nicht mehr, wie er reagieren sollte.
Danke & Grüße!
22 Antworten
Ist das eine Beleidigung oder einfach ein unbedachter Versprecher eines Referenten, der aus dem Konzept gebracht wurde und nicht mehr wusste, was er sagen soll?
Genau das vermute ich. Ich bin sicher, dass es keine vorsätzliche Beleidigung gewesen sein soll. Es ist redensartlich, wenn man jemanden bittet, aus dem Zimmer "zu gehen". Ein gebildeter Mensch wie der Referent ist nicht so pietät- und geschmacklos, so eine Bemerkung bewußt zu machen, selbst nicht bei einer verbalen Auseinandersetzung bzw. Verstimmung. Ich kann es mir jedenfalls nicht vorstellen. Er kann das eine von dem anderen sehr gut trennen.
Bei Blinden gibt es auch fragwürdige Redensarten, die unbedacht gesagt werden: "Ein blindes Huhn findet auch ein Korn" oder "Liebe macht blind".
Der von dir geschilderte Vorfall ist aber ein Anlass, dass man sich selbst beobachten muss, damit man solche Fehler nicht macht.
Sie ist in dieser Beziehung verständlicherweise überempfindlich. Sie hat ein hartes Schicksal. Wie man es macht, ist es verkehrt.
Schade, dass es mit euch beiden nicht geklappt hat...!
Ich kenne sie nur ohne Beine - und sie ist absolut bewundernswert, wie sie alles macht; sie arbeitet, hat eine eigene Wohnung, zieht sich toll an, macht Sport, geht aus und versorgt sich selber. Das ist toll!
Immerhin sind wir noch gut befreundet :-)
Ja, in der Tat ist das sehr bewunderswert. Aber toll, dass ihr gute Freunde geblieben seid...! :-)
Allerdings werde diese Redensarten schon als ableistisch empfunden von der Mehrheit der Community.
Ich würde sagen, ein unbedachter Versprecher aus Gewohnheit und/oder Wut/Frust. Möglicherweise hat er nicht einmal gewusst, dass sie Rollstuhlfahrerin ist.
Und sollte es Absicht gewesen sein, war die Aussage zwar nicht okay, aber je nachdem was deine Freundin alles zu ihm gesagt hat, verständlich, wenn er sich so provoziert gefühlt hat, dass er ihre Gefühle verletzen wollte.
Wann immer man anderen mit Aggressionen begegnet, muss man mit einer entsprechenden Retourkutsche rechnen. Und natürlich gibt es da Menschen die jede Eigenschaft die sie als Schwäche interpretieren als Angriffsfläche benutzen.
Wenn deine Freundin also so etwas nicht erleben will, muss sie sich entweder in Zaum halten und darf andere nicht so provozieren oder sie muss lernen über persönliche Angriffe gegen diese "Schwächen" von ihr zu stehen.
Aber zuerst (metaphorisch) zuzuschlagen und dann zu heulen wenn man eine Konter kassiert, ist kindisch.
Ich muss dazu sagen: So wie sie es mir schilderte, hat sie genau das auch provoziert bzw. provoziert, dass sie da rausfliegt. Es war wohl ein Vortrag ihrer Volksbank über Investmentmöglichkeiten und sie sagte, ihr war das "dann doch zu doof".
Ich glaube nicht, dass der Mann sie beleidigen wollte. Ich hätte beinahe am Telefon zu ihr gesagt, hätte sie sich normal benommen, wäre das nicht passiert.
Hätte er sie gebeten, aus dem Saal zu "rollen" oder zu "fahren", dann wäre sie auch beleidigt gewesen, weil sie eine Sonderrolle gespielt hätte - denn eigentlich legt sie großen Wert auf Normalität, fährt Auto, zieht sich modisch an, geht aus usw. (sie ist Anfang 30 wie ich). Aber sie ist als etwas speziell. Das war auch damals ein Grund dafür, warum wir nicht als Paar zusammen kamen - ich hätte mit einer Freundin im Rollstuhl und ohne Beine kein Problem gehabt, aber sie kann bisweilen sehr anstrengend sein. Solche Situationen passieren immer wieder.
Ich finde das weder unbedacht noch beleidigend. Wäre es ihr etwa lieber gewesen, wenn er sie gebeten hätte, aus dem Raum zu ROLLEN? Vielmehr hat er sie gleichberechtigt behandelt, als wäre sie nicht im Rollstuhl. Eigentlich verdient er einen Orden dafür.
Also einen Orden würde ich jetzt nicht verleihen, aber wenn jemand zu mir als Rollstuhlfashrer sagen würde, ich solle fortrollen, wäre ich sicher betroffener! Das sehe ich wie du!
Die neutrale Formulierung wäre gewesen, sie solle den raum verlassen. Aber wenn der Referent nicht lange Erfahrung hat, ist er da vorne vielleicht auch nicht der coolste, und gehen Sie hinaus ist eine übliche Formulierung, die uns leicht über die lippen kommt.
So wie sie es mir schilderte, hat sie genau das auch provoziert bzw. provoziert, dass sie da rausfliegt. Es war wohl ein Vortrag ihrer Volksbank über Investmentmöglichkeiten und sie sagte, ihr war das "dann doch zu doof".
Ich denke nicht, dass der Mensch sie kränken wollte, aber ganz ehrlich ... ich halte beruflich manchmal auch Vorträge und wenn da jemand sitzt, der Stress macht oder versucht einen aufs Korn zu nehmen oder zu veralbern, dann kann auch mich so was verunsichern. Ich habe auch einmal jemanden aus dem Saal geschickt, weil er ständig telefoniert hat. Wäre er Rollstuhlfahrer gewesen, hätte ich wohl auch reflexartig gesagt, bitte gehen Sie nach draußen und telefonieren Sie dort weiter, wenn das interessanter für Sie ist.
ja klar, verstehe Dich da. Wer legt schon jedes Wort vorher auf die Analysewaage, bevor er so allgemeine Sachen sagt.
Deine bisherigen Äußerungen deuten aber darauf hin, dass sie aus irgendwelchen Gründen empfindlich ist. Könnten (auch[!!!]) die fehlenden Beine sein, oder auch weiteres. Denke irgendwie leidet sie unter etwas, und das könnte ein Ventil sein. Ist natürlich übel, wenn sie sich dann darauf beruft, als Behinderte besonderen Schutz zu beanspruchen, bei Dingen, die nichts mit ihrer Behinderung zu tun haben (sie stört, fühlt sich dann aber getroffen, weil ein Anderer dann nicht die perfekte Formulierung verwendet). Klingt kleinkariert!
Währe es ihr etwa lieber gewesen, wenn er sie gebeten hätte, aus dem Raum zu ROLLEN?
Ich glaube, dann wäre sie auch beleidigt gewesen, weil sie eine Sonderrolle gespielt hätte - denn eigentlich legt sie großen Wert auf Normalität, fährt Auto, zieht sich modisch an, geht aus usw. (sie ist Anfang 30 wie ich). Aber sie ist als etwas speziell.
Sie ist oft etwas "speziell". Das war auch damals ein Grund dafür, warum wir nicht als Paar zusammen kamen - ich hätte mit einer Freundin im Rollstuhl und ohne Beine kein Problem gehabt, aber sie kann bisweilen sehr anstrengend sein. Solche Situationen passieren immer wieder.
Natürlich wäre es besser gewesen, hätte er sie einfach nur gebeten den Raum zu verlassen.
Ich denke aber, dass es halt eine unbedachte Äußerung war, wenn sie sich gekränkt fühlt, kann sie ja das Gespräch suchen und dies klären.
einfach ein unbedachter Versprecher eines Referenten, der aus dem Konzept gebracht wurde
Genauso dürfte es sich verhalten haben.
Alles andere würde keinen Sinn ergeben.
Und wenn sie sich dermaßen daneben benimmt, dass sie aus dem Raum geschickt wird, darf sie über die genaue Wortwahl in der das geschied auch nicht erstaunt sein.
Anderseits ist in ihrer Situation auch manches verständlich und verzeihbar....
Ich muss dazu sagen: So wie sie es mir schilderte, hat sie genau das auch provoziert bzw. provoziert, dass sie da rausfliegt. Es war wohl ein Vortrag ihrer Volksbank über Investmentmöglichkeiten und sie sagte, ihr war das "dann doch zu doof".
Ich denke eigentlich auch nicht, dass der Mensch sie kränken wollte, aber ganz ehrlich ... ich halte beruflich manchmal auch Vorträge und wenn da jemand im Saal sitzt, der Stress macht oder versucht einen aufs Korn zu nehmen oder zu veralbern, dann kann auch mich so was verunsichern. Ich habe tatsächlich ein einziges Mal jemanden aus dem Saal geschickt, weil er ständig telefoniert hat.
Ich muss dazu sagen: So wie sie es mir schilderte, hat sie provoziert, dass sie da rausfliegt. Es war wohl ein Vortrag ihrer Volksbank über Investmentmöglichkeiten und sie sagte mir gestern, ihr war das "dann doch zu doof".
Ich glaube auch nicht, dass der Mann sie beleidigen wollte. Ich hätte beinahe am Telefon zu ihr gesagt, hätte sie sich normal benommen, wäre das nicht passiert.
Hätte er sie aber darum gebeten, aus dem Saal zu "rollen" oder zu "fahren", dann wäre sie auch beleidigt gewesen, weil sie eine Sonderrolle gespielt hätte - denn eigentlich legt sie großen Wert auf Normalität, fährt Auto, zieht sich modisch an, geht aus usw. (sie ist Anfang 30 wie ich). Aber sie ist als etwas speziell. Das war auch damals ein Grund dafür, warum wir nicht als Paar zusammen kamen - ich hätte mit einer Freundin im Rollstuhl und ohne Beine kein Problem gehabt, aber sie kann bisweilen sehr anstrengend sein. Solche Situationen passieren immer wieder.