Beeinflusst die Sprache unser Denken?
Beeinflusst die Sprache unser Denken? Was denkt ihr? Weiss da jemand was?
10 Antworten
Ich denke, dass es genau anders herum ist. Sprache ist ein sich wandelndes Ding, es lebt. Unser Denken beeinflusst die Sprache, nicht anderes herum.
Es gab mal den Versuch das Wort "sitt" einzuführen. Das sollte für "kein Durst mehr" stehen, vergleichbar mit "satt". Das ist in den Gedanken nie angekommen und wurde anschließend wieder entfernt. Das zeigt, dass das Denken der Sprach vorausgeht und nicht anders herum.
Ein Beispiel: Ich höre jemandem zu, der ein bestimmtes Wort benutzt. Automatisch denke ich dann an ein anderes Wort, das gleich oder ähnlich klingt, aber eine andere Bedeutung hat. Wenn der Sprecher in einer anderen Sprache sprechen würde, hätte ich diese Assoziation nicht, weil in der anderen Sprache beide Wörter völlig unterschiedlich gesprochen werden.
Meine Antwort ist also ja.
Ich hab mich früher etwas erhaben gefühlt wenn ich in Französisch sprach. Ich glaube aber nicht dass ein Italiener der perfekt deutsch kann sofort temperamentvoll redet wenn es italienisch ist und leise oder normal wenn er auf deutsch wechselt.
Ich kann wohl sagen dass ich zur Muttersprache tendiere wenn ich wütend bin Wut bringt sprachliche fehlleistung
Hallo Younervous!
Da "Denken" so viele verschiedene Aspekte beinhaltet, möchte ich nur zwei Beispiele dafür geben, wie Sprache das Denken verändert.
In der Schule gab es manchmal die Situation, dass ein Lehrer ins Erzählen kam und vom Lehrplan abwich. Eine Mitschülerin meinte zu mir, dass sie es gut fände, dass der Lehrer abdriftete, weil es sonst zu langweilig wäre im Unterricht.
"Abdriften", das Wort hatte ich vorher noch nie gehört. Ich ließ es mir also erklären und lernte so den Zusammenhang zwischen dem "Kurs" eines Bootes und dem Wind, und Segelmanövern und eben dem "Abdriften vom Kurs".
Und ich lernte, dass es Wörter gibt, die im übertragenen Sinn gebraucht werden. Ohne dieses Wort meiner Mitschülerin hätten diese gedanklichen und Verständnisprozesse, die wiederum ja mittels Sprache stattfanden, nicht (zu diesem Zeitpunkt) stattgefunden.
Als zweites Beispiel nehme ich das Erlebnis mit einem Kind, dass mich fragte, was ich denn da mache, als ich mein Fahrrad putzte. "Ich mache es sauber", war meine Antwort. Daraufhn fragte mich das Kind, warum ich mir keine neues Rad kaufen würde.
Ich erklärte, dass es möglich sei, den Dreck vom Rahmen und den beweglichen Teilen wie Fahrradkette und Zahnrädern zu entfernen, damit das Rad wieder gut fährt, und ich deshalb kein neues Rad kaufen müsse.
"Rad putzen" gab es also nicht im Denken und deshalb auch nicht im Wortschatz des Kindes.
Ich hoffe, dass ich das durch meine Erläuterungen ändern und die Gedankenwelt des Kindes erweitern konnte.
LG
gufrastella
Gewiss tut sie dies.
Für manches haben wir zum Beispiel keine - wirklich passenden - Worte. Das heißt nicht, dass man den Gedanken nicht auch umschreiben könnte. Doch diese Mühe machen sich eben viele Menschen nicht. Für sie hört die Welt da auf, wo ihre Begriffe aufhören. Erfahrbar wird das, wenn man eine Fremdsprache lernt und es dort plötzlich eine passenden, genauen Begriff für diesen Gedanken gibt. Ein schönes Beispiel ist die Übernahme des deutschen Begriffs "Wanderlust" ins Englische: Obwohl Briten und Amerikaner natürlich das Gefühl immer kannten, war es für sie eine echte Bereicherung, dafür nun auch ein einfaches Wort zu haben - selbst wenn es ein Fremdwort war.
Sehr intensiv kann man dies auch nachempfinden, wenn man sich Lyrik zu einem bestimmten Thema anschaut. Was haben Dichter nicht schon alles über Liebe geschrieben! In den sich verändernden Ausdrucksformen kann man selbst auch ganz neue Aspekte eines solchen Gefühls entdecken.
Allerdings sind unsere Gedanken jenseits der Sprache "organisiert". Sprache ist nur eine äußere Form. Wir verstehen und nutzen ja auch Bilder, Töne und andere nichtsprachliche Zeichen. Und wir haben eben oft Gedanken, Gefühle und ähnliches, die sozusagen unterhalb der Ausdrückbarkeit bleiben und nur mit Mühe und bildhaften Vergleichen in Sprache umgesetzt werden können.
Ein schwieriges Thema in diesem Zusammenhang ist der heutige Trend, durch sprachliche Neuschöpfungen z. B. Vorurteile abzubauen. Doch dies funktioniert so nicht: Zuerst muss das Vorurteil erkannt und abgebaut werden, dann kann eine Sprachänderung sinnvoll sein. Wenn ich einen überzeugten Rassisten einfach nur zwinge, "Farbiger" statt "Neg.." zu sagen, wird er die negative Bewertung übertragen - gewonnen wird damit nichts.