Autismus ohne Reizüberflutung / Overload möglich?

5 Antworten

"Sollte man eine Fehldiagnose in Betracht ziehen?"

Ist er denn überhaupt von einer Fachkraft diagnostiziert worden?

Nun, eine Autist muss nicht zwangläufig alle Symptome zeigen, die landlaufig mit Autismus in Verbindung gebracht werden. Manche sind möglicherweise nur schwach ausgeprägt oder auch garnicht vorhanden, obwohl Autismus vorliegt. Aber es gibt auch Fehldiagnosen oder Verdachtsdiagnosen, die aber meistens von nicht dafür geschulten Leuten stammen.

Aber wofür wäre das bei deinem Bekannten wichtig zu wissen? Wenn er im Leben gut klarkommt, dann ist es vielleicht gar nicht nötig, sich darüber Gedanken zu machen.

Es ist "nur" ein Bekannter von Dir- Du bist sicher keine 24h/Tag ohne Unterbrechung bei ihm- oder?

Woher weißt Du dann, welche Symptome er hat bzw. nicht hat? Und- wie kannst Du bitte eine Reizüberflutung eines Autisten von der eines Menschen mit AD(H)S unterscheiden? Ich vermute, dass Du hypoaktiv- nicht hyperaktiv meinst.

Wie muss Deiner Meinung nach ein typisch-autistischer Overload aussehen- bedenke aber, Autismus verläuft heterogen- jeder Autist- egal welche Diagnose- ist anders. Es müssen nicht alle Symptome vorhanden sein und nicht alle sind bei jedem gleichstark ausprägt und bei jedem äußern sie sich anders.

Über Fehldiagnosen zu mutmaßen sollte man erst, wenn man weiß, wie dieser bekannte als Baby war, als Kleinkind, wie er tatsächlich ist- und, wenn man sich so gut mit Autismus auskennt, dass man z.B. mit einem Spezialisten (z.B. Diagnostiker für Autismus) ohne Probleme über das Thema sprechen könnte ohne googeln zu müssen. Nur, weil Du noch keinen Overload bei ihm erlebt hast bzw. einen bei ihm nicht als solchen erkannt hast, solltest Du nicht gleich an Fehldiagnosen glauben.

Ich habe eine AS-Diagnose (Asperger Syndrom, eine Form des Autismus) und kann vieles kompensieren. Reizüberflutungen kündigen sich an, so wie Menschen Migräneanfälle teilweise vorab erkennen und man kann sich dann zurückziehen. Auf Arbeit gehe ich dann einfach aufs Klo bzw. ist da neben dem Waschraum ein Nebenraum, wo die Schränke der Mitarbeiter sind, da sind Bänke, da ruhe ich mich etwas aus. 

Je älter man wird, desto besser kennt man sich und weiß, was Overloads auslöst und meidet solche Dinge. Man kann es auch etwas unterdrücken.

Aber um geräuschbedingte Overloads zu vermeiden trage ich Ohrstöpsel, visuelle Reizüberflutungen minimiere ich dadurch, dass ich Brillengläser habe, die sich verdunkeln bei Tageslicht (draußen). Ich meide grelle Farben an Möbeln, Kleidung, Wänden und sehe definitiv weg, wenn andere z.B. Neon-Kleidung tragen.

Gegen Gerüche kann man kaum etwas tun- aber lernen, wenn etwas unvermeidbar ist, damit umzugehen. Notfalls schmiere ich mein Parfüm (das ich gerne rieche) unter die Nase- das mildert unschöne Gerüche.

Was Menschenmengen angeht- ich weiß, was auch immer hinterher passiert- ich überlebe- also gehe ich auf Weihnachtsmärkte, besuche Konzerte und bin dann eben sehr hektisch, hibbelig, überdreht und schlafe vielleicht nur wenige Stunden und bin am Tag darauf extrem erschöpft.

Overloads wie manche Kanner-Autisten, meist die niederfunktionalen, dass ich schreie, auf dem Boden liege, mich wälze, mich verletze oder andere- sowas hatte ich nie. Wenn Du soetwas bei deinem Bekannten erwartest, liegst Du falsch. Man kann auch Autist sein, ohne so extrem zu reagieren.


Gangsta987 
Fragesteller
 19.12.2016, 19:42

Ist z.b. ein Weihnachtsmarktbesuch denn für dich genießbar?

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Lea1984  19.12.2016, 20:07
@Gangsta987

Ja, durchaus- ich freue mich auf bestimmte Buden und Menschen darin- sind bis auf wenige Ausnahmen jedes Jahr die selben in meiner Kleinstadt- ich kenne auch einige Händler etwas näher- denn die meisten von ihnen sind auch an den üblichen Stadtfesten da (Ostern usw.).

Genießen kannst Du da wörtlich nehmen. Da gibt es an einem Tag zum Abendbrot gegrilltes Hähnchen, ich gönne mir auch Erdbeeren in weißer Schokolade, heißen Met, Glühwein, "Deutschen Döner" (Spanferkel-Brötchen mit Bratensoße, Spanferkel und Krautsalat) und solche Dinge eben- verteilt auf die zwei Wochenenden. Geschenke finde ich auch noch für einige Leute- ich kann das schon genießen. Ich weiß auch, wann die beste Zeit ist, wann der Weihnachtsmarkt kaum besucht ist- da geh ich meistens. Ich wohne auch in der Nähe- wenn ich alleine unterwegs bin oder mit meinem freund, kehren wir notfalls um und kommen einfach etwas später wieder- wobei ich doch eher früher hingehe, weil da viele noch arbeiten und ich dank der neuen Arbeit immer am Nachmittag Feierabend habe.

Kommt es doch dazu, dass es mehr Besucher werden und man in Begleitung anderer Personen ist (Freunde, Kollegen usw.) und man da häufig angerempelt wird- oder von den Massen buchstäblich durchgeschoben wird, werde ich schon gestresst- aber je nach dem, mit wem ich unterwegs bin, gehe ich dann nach Hause oder beiße auf gut Deutsch die Po-Backen zusammen. Aber lange halte ich es selten aus. Muss man bei der Kälte auch nicht.
Da ich am Wochenende nicht arbeiten muss, kann ich mich dann auch gut erholen. Notfalls müssen meine TV-Serien einprogrammiert werden, wenn ich davon dann zu erschöpft bin und sie nicht sehen kann, weil ich mich nicht konzentrieren kann- da plätte ich am PC Monster (bei Klickspielen) oder sowas, das baut etwas Stress ab :D

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Es gibt bei Autismus doch auch verschiedene grade.

Meinem Bruder wurde auch Autismus diagnostiziert und das erst mit c.a 20 Jahren. Als er damals im Kindergartenalter war hatte das der Arzt auch gesagt doch meine Mutter hatte ihm nicht geglaubt weil er eben kein extremfall ist.

Eine Routine hat mein Bruder auch nich wirklich. Aber mit fremden spricht er nicht und er ist extrem zurückhaltend. Er geht nicht auf die Stimmungen von anderen ein aber Witze die seinem Humor entsprechen versteht er problemlos. Selbstständig ist er auch nicht außerdem wiederholt er oft Sätze ich denke weil er denkt der gegenüber hätte es nicht verstanden.

Von einem Overloud habe ich aber noch nie gehört?


Aleqasina  19.12.2016, 13:23

Einen sensorischen Overload kannst du dir etwa so vorstellen:
https://youtu.be/K2P4Ed6G3gw

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Sabbseee  19.12.2016, 13:29
@Aleqasina

Mhh ob er das schonmal hatt kann ich nicht sagen. Zumindest hat er sich sowas nie anmerken lassen. 

Da bin ich aber ähnlich wie er. Ich geh allgemein nicht gern in die Stadtoder sonst wo hin wo viel los ist. Ich kann das garnicht haben wenn zu viel Lärm und zu viel Trubel ist das laugt mich aus und ich bin irgendwann einfach überfordert.

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Dann verbringe doch mal mindestens ein komplettes Wochenende mit ihm.

Am besten ihn dabei sehr genau beobachten.
Manchmal fallen die Routinen nicht sofort ins Augen. Sind dennoch vorhanden.

In der Regel sind Overloads in unterschiedlichen Stärken vorhanden.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – ASS-Diagnose mit 50 / über 20 Jahren im Thema

Gangsta987 
Fragesteller
 19.12.2016, 20:33

Was sind das dem überhaupt z.b. Für Routinen?

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Lea1984  22.12.2016, 10:00
@Gangsta987

Routinen sind Handlungen, die durch mehrfaches Wiederholen zur Gewohnheit werden.

Was Dein bekannter für Routinen hat, solltest Du ihn selbst fragen, wenn es Dich so brennend interessiert und wenn ihr so vertraut seid, dass er mit Dir intensiv über seine Diagnose, sein Leben, seinen Alltag usw. spricht. Aber- wenn dem so wäre, wäre Dir sicher schon einiges aufgefallen.

Nicht jeder Autist hat extrem stark ausgeprägte Routinen und meist lesen Menschen sich Symptomlisten von z.B. Autismus durch und stellen sich das alles total extrem vor- aber wenn Du Menschen näher und intensiver kennenlernst, fällt Dir bei jedem etwas auf- nicht nur bei Autisten. Entscheidend ist eben, wie wichtig die Routinen einem sind und wie man damit umgeht, wenn etwas dazwischen kommt.

Autisten kann das mitunter extrem aus der Bahn werfen, wenn zum Beispiel auf dem gewohnten Arbeitsweg eine Umleitung ist, wenn es bestimmte Lebensmittel (die man immer isst) nicht mehr gibt oder man auf Arbeit spontan die Abteilung wechseln soll.

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Ich glaube du bringst da zwei Baustellen durcheinander.

Autismus hat nichts mit ADS zu tun, das sind zwei völlig verschiedene Erkrankungen.


Lea1984  19.12.2016, 18:46

Beides sind keine Erkrankungen, sondern Störungen- ein gewaltiger Unterschied! Recherchiere da bitte etwas genauer ;o)

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