Aristoteles Aktualität Heute

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Aristoteles’ Philosophie ist in großen Teilen heute ganz sicher noch aktuell. In machen Bereichen aber passt sie nicht mehr zu unseren heutigen Anschauungen. Sein Frauenbild ist veraltet (Er meinte, man dürfe den Frauen nicht zu viel Rechte einräumen, z.B. das Recht auf Ungebundenheit, andernfalls sei der Staat in Gefahr - wie er am Beispiel des Niedergangs von Sparta exemplifizierte). Auch seine Tugendethik scheint mir nicht mehr mit unseren modernen Auffassungen vom Menschen übereinzustimmen. Aristoteles geht davon aus, dass jeder glücklich sein will; deshalb sei die Glückseligkeit das oberste Ziel eines Menschen. Da man aber nur mit Hilfe seiner Vernunft erkennen könne, was einen glücklich macht, werde man auch einsehen, dass nur tugendhafte Einstellungen bzw. Handlungen zum Glückseligkeitsziel führen. Denn die Vernunft gebiete uns tugendhaftes Verhalten. Sittliche Einsicht und Vortrefflichkeit des Charakters seien für die Glückseligkeit unerlässlich. Aristoteles sah im „goldenen Mittelweg“ die richtige Haltung, zu der der (sittlich) Einsichtige und Vortreffliche gelangt; z.B. die Gerechtigkeit, Hilfsbereitschaft, Besonnenheit, Großzügigkeit u.a.. Wer diese Einstellung hat, hat auch das Glückseligkeitsziel erreicht. Allerdings, die Erkenntnis, was tugendhaft ist, setzt eine gewisse geistige Höhe, also Vernunft, und einen bestimmten Lebensstandard voraus, wobei „mäßiger Besitz“ genügt (ein Armer könne z.B. nicht großzügig oder freigebig sein, das sind aber mittlere Tugenden! Außerdem ist er – nach A.’s Auffassung - meistens geldgierig und habsüchtig). Auch Gesundheit ist erforderlich; ein kranker Mensch kann nicht glücklich sein, weil er zu jener ausgewogenen „mittleren“ Haltung nicht fähig ist. Auch eine gewisse Schönheit ist erforderlich, denn die Anmut gehört mit zu den „mittleren“ Tugenden; wer hässlich ist, kann ja nicht anmutig sein (s. Nikomachische Ethik, Buch X). Nicht ganz zu Unrecht bezeichnen viele die Tugendethik des Aristoteles als Tugend für Wohlhabende (und ich ergänze: auch als Tugend für Gesunde und Schöne). Mir persönlich ist Kants kategorischer Imperativ sympathischer! - Die Frage ist allerdings, ob Aristoteles der Realität nicht näher ist als Kant. (Aristoteles gilt ja als realistischer Philosoph, im Unterschied zu Platon). Tugend ist nach Aristoteles eine Sache des Wollens, nicht wie bei Kant des Sollens. Tugendhaft und damit fähig, das Glückseligkeitsziel zu erreichen, können - wie gesagt - nur diejenigen sein, welche die oben genannten Voraussetzungen in sich tragen: also Vernunft, Gesundheit, Vermögen und Anmut (Schönheit). Na, ob solche Auffassungen noch zeitgemäß sind, möchte ich bezweifeln. Sie könnten allerdings durchaus realistisch sein; denn sagen sie einmal einem Armen, der nichts zu essen hat, er soll fein tugendhaft, großzügig und freigebig sein. Und ein hässlicher Mensch wird auch vorzugsweise mit seinem Schicksal hadern, wird also zu den „mittleren Tugenden“ i.S. Aristoteles’ kaum fähig sein (Ausnahmen mögen die Regel bestätigen). Ein Kranker ist meistens derart verbittert, dass er zu den „mittleren Tugenden“ auch nicht fähig und bereit ist.

Es gibt einige zeitgenössische Autoren, die stark auf Aristoteles zurückgreifen; beispielsweise Alasdair MacIntyre und Martha Nussbaum.

Abgesehen davon sind große Teile der Philosophie Aristoteles im Allgemeinen und z.B. der Begriff des guten Lebens im Besonderen philosophische Fragestellungen und Begrifflichkeiten die sich durch die gesamte Philosophiegeschichte ziehen und immer noch in aktuelle Diskussionen prägen. Beim Begriff des guten Lebens kannst du dir mal den Konflikt des modernen Liberalismus mit dem Kommunitarismus anschauen und herausfinden welche Rolle er dabei spielt.

Es kommt darauf an was - Aristoteles hat viel geschrieben. Die Kategorien sind z. B. recht aktuell i. S. v. grundlegend für die heutige Debatte.