190d als Erstwagen?

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Kenne die 190er sehr gut, bin sie über die Jahre auch über längeren Zeitraum oft gefahren in verschiedenen Motorisierungen quer durch alle Baujahre und muss ganz objektiv sagen: Vom "perfekten Dailydriver" (als der er oft angeboten oder bezeichnet wird) ist der 190er heute weit entfernt, da es sich um ein enges, kleines und relativ lautes Auto handelt, das durchweg recht unbefriedigend abgestimmte Motor-Getriebe-Kombinationen besitzt. Mich hat keiner so richtig überzeugt, obwohl ich alte Mercedes mag.

Der 190er war damals zwar als "Baby-Benz" ein Erfolg und technisch für die frühen 80er ein großer Wurf, ist aber konzeptionell fast 50 Jahre alt und so fährt er sich selbst dann, wenn es ein 1993er Baujahr mit guter Ausstattung, ABS und Airbag ist.

Ich versuche es mal so darzustellen: Ich fuhr bis 2022 sehr lang als Zweitbesitzer den Nachfolger (W202), der alles besser kann - der 190er ist wie gesagt eng, schmal und laut, da schlecht geräuschgedämmt (die Motoren sind an sich kultiviert); er fühlt sich im Vergleich zum W202 wie ein Kleinwagen an, war auch den damaligen Audi 80 und VW-Passat sowie diversen Japanern fahrerisch weit unterlegen. Schon damals gab es bei Licht besehen weitaus angenehmere Autos.

Einigermaßen empfehlenswert ist eigentlich nur der 190E 1.8 mit 109 PS, was aber auch daran liegt, dass fast alle heute erhältlichen 190er diesen (robusten) Motor aufweisen und man da am ehesten noch was Ordentliches zu einem halbwegs fairen Preis findet. Wer so was kauft, darf sich aber nicht an hakeligen Vier- und Fünfgang-Handschaltungen stören. Die Automatik ist etwas besser, der Verbrauch liegt im Schnitt bei neun bis zehn Litern auf 100 Kilometern (E5 Super). Das ist an sich in Ordnung, vor allem auf das Alter bezogen. Der 190E bzw. 190E 2.0 mit 118 bis 122 PS, um den es hier geht ist kaum schneller, braucht zwar nicht mehr Sprit, aber es lohnt sich nicht. Der zieht untenrum unwesentlich spritziger durch, aber nicht so, dass er schneller ist oder besser geht als der 190E 1.8 - es ist im Grunde auch die selbe Maschine. Ich bin auch schon den 190E 2.3 mit 136 PS gefahren; selbst der ist träge. Der fuhr sich wie ein langes und schmales Kajak; sicher und durchaus kommod, aber auch langsam und behäbig, wozu die Kugelumlauflenkung beitrug - der W202 war mit der selben Lenkung viel behänder und spritziger selbst als Classic mit Serienfahrwerk; da konnte ich durchaus "sportlich" um die Kurven wieseln, der 190er konnte das nicht. Das Fahrverhalten des 190ers ist mild und schwammig, durchaus sicher, aber langweilig - wer den 202 kennt weiß, was ich meine.

Der 190D mit 72 bis 75 PS ist ein langsames Auto, viel zu schwach motorisiert für das hohe Eigengewicht - und mit Automatikgetriebe noch schlimmer. Er ist zwar zuverlässig und solide, aber träge und dafür am Ende auch zu durstig - Temperament ist nicht vorhanden. Der 190D 2.5 mit 90 bis 94 PS geht geringfügig besser, ist aber eigentlich auch ein sehr langsames Auto - und der 190D 2.5 Turbo mit 126 PS ist flotter, aber nicht mehr zu finden, den hat ja damals schon kaum einer gekauft, weil er so teuer war.

Ersatzteile liefert Mercedes dafür bis auf seltene Interieurteile noch ab Werk binnen 24 Stunden, sie sind preislich sehr im Rahmen. Selbst Lackfarben gibt es noch. Zur Steuer ist zu sagen: Viele 190er Benziner haben bereits einen Kaltlaufregler nachgerüstet bekommen, durch den sie Euro 2 erfüllen, aber der Diesel ist immer teuer.

Das Hauptthema ist Rost in allen Baujahren und das überall und in extremen Ausmaßen, der 190er war ein schlimmer Roster. Ab 1988 wird es besonders eklig, denn da rostet er gern unter den Saccobrettern jahrelang unbemerkt komplett durch und man sieht das Elend erst, wenn es ganz gering oberhalb der Bretter "pilzt". Dann kann man von ausgehen, dass das Blech unter der Tür komplett zerfressen ist und man die Tür wegwerfen kann - und der Rest des 190ers genauso durch ist -------> ich habe schon Exemplare gesehen, wo das Blech unter den abgenommenen Brettern zu 80 Prozent weggerostet war.

Das teurere Auto ist nicht automatisch besser, es wird viel Schrott zu Höchstpreisen inseriert, um ahnungsloser Hipster abzuzocken, die einen "kultigen alten Benzer" haben wollen. Kleiner Tipp: Sobald Formulierungen wie "Liebhaberstück", "Sammlerzustand", "es gibt nicht mehr viele" oder "einer der Letzten in diesem Zustand" usw. verwendet werden oder das Wort "Kenner" in irgendeinem Zusammenhang verwendet wird, sollte man einen weiten Bogen drum machen, dann ist es in der Regel überteuerter Mist. Wenn bestimmte Farben als "sehr sehr selten" usw. bezeichnet werden, zeichnen sie sich dadurch aus, dass es sie sehr häufig gegeben hat - wirklich rare Farben wie Beryll-Metallic, Nutria-Metallic, Rosenholz-Metallic oder freakige frühe Töne wie Weizengelb oder Hellocker fallen optisch schon genug aus der Reihe und echte "Kenner" (!) wissen genau, was es damit auf sich hat.

An sich würde ich vom Kauf eines 190ers doch eher abraten und einen frühen C180 W202 suchen. Der ist in jeder Hinsicht besser, hat aber noch sehr viel uriges Mercedes-Flair der 70er und 80er in sich, dafür mindestens einen Airbag und ABS; er ist sparsamer, eher zu finden und man bekommt überwiegend ehrliche Autos, weil der W202 trotz seines Alters kein "Klassiker" ist bzw. kein Auto, mit dem die Leute meinen, Kiddies abzocken zu können. Und der 202 taugt als Alltagsauto immer noch sehr gut und kann was.


TheMonkfood  03.07.2024, 18:47

Bin selbst mal ne zeitlang einen 230er Automatik gefahren. Ging auf der Autobahn ganz gut (knapp 200 Sachen waren drin), aber das Teil war behäbig, eine spritsaufende Schaukel. Unter 10L/100 km kaum zu fahren . Aus meiner Sicht nix für einen Anfänger. Der Diesel schon gar nicht. Der zieht keine Scheibe Wurst vom Teller, ist laut und macht genau Null Spass. Eine typische Rentnerkarre

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rotesand  03.07.2024, 18:49
@TheMonkfood

Der 230E war ganz in Ordnung, den hatten wir als W123 und W124 mit Automatik - sportlich war der nicht, aber solide und komfortabel. Ich fand den Opel Senator meines Opas und meinen Audi 100 (Typ 44, Bj. 1989) immer viel angenehmer; von den Mercedes-Modellen war mir der 123er erheblich lieber. Mit der C-Klasse W202 war ich sehr zufrieden. Mit dem W211 wurde ich trotz Zufriedenheit nie richtig warm, wie du sagst - ein typisches Opa-Auto. Der W202 war cool und hat mich immer an die 90er erinnert und die DTM, der W211 war mir zu gediegen, zu alt ... wir passten nicht zueinander.

Ich habe mir erst einen 1999er BMW 730dA (E38) angesehen, den mir ein Händler angeboten hat, der ihn in Zahlung nahm und nichts damit anzufangen wusste - ja, auch von einem Rentner aus erster Hand, aber gut erhalten und mit 184 PS und Fünfgang-Automatik sehr rüstig zu fahren. Den nehme ich. Der war mir auf Anhieb sympathischer als der W211, bei dem trotz Automatik und 163 PS nicht viel passiert ist.

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thejokerrr 
Beitragsersteller
 03.07.2024, 19:24

Also der W202 als 180er fährt sich etwas sportlicher auch um die Kurven und nicht wie der 190d monoton wie ein Schiff ?

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