Frage an deutsche Lehrer: In Dänemark 1 Stunde weniger Schule pro Schultag: Kann das wirklich gut gehen?
6 Antworten
Möglicherweise.
Fest steht, dass es eine Art Break-Even-Point geben wird. Das heißt, würde man alle Stunden wegstreichen, bedeutete dies nicht, dass die Schüler am meisten wüssten.
Allein die Verschiebung des Unterrichts bei gleicher Stundenzahl könnte bereits ein Optimierungsansatz sein.
Ich finde, bevor man so etwas ändert, sollte man das bei ausgewählten Schulen vortesten. So etwas kann man durch Studien sehr gut eruieren.
Und wenn deren Ergebnisse eindeutig sind, könnte höchstens eine Randbedingung dafür sorgen, dass es trotzdem nicht gemacht werden sollte. Randbedingungen könnten sein, dass sehr junge Kinder alleine aufstehen und zur Bushaltestelle müssten, weil die Eltern zur Arbeit müssen, Überbesetzung von Lehrern, weniger Vielfalt im Stundenplan,...
Vielleicht lohnt sich eine Altersunterscheidung. Ganz jungen Schülern sollte nicht zu viel Selbständigkeit zugemutet werden.
Ich kenne viele, die besser lernen, wenn ihnen etwas vorgekaut wird.
Bei mir war das zum Beispiel auch der Fall. Ich fing erst sehr spät an, mir selbständig Stoff zu erarbeiten. Das geht auch, ist aber mühsamer. Die temporäre Qualität ist dieselbe. Langfristig bleibt der selbst erarbeitete Stoff länger hängen. Es ist nur die Frage, ob dies effizient ist.
Oft ist es effizienter, einen kurzen Auffrischungskurs zu machen, wenn man Zugriff auf Wissen benötigt, das man sich zu Schulzeiten ins Kurzzeitgedächtnis geholt hat.
Um sich Stoff selbst beibringen zu können, muss man erst mal gelernt haben, wie man lernt. Tatsache aber ist, dass selbst die meisten Jugendlichen, die heute im Alter von 15 oder gar 16 Jahren die Regelschule verlassen, das noch keineswegs gelernt haben.
Man könnte so argumentieren, dass man auf einer Ganztagsschule genügend Zeit haben sollte, zu lernen, wie man lernt.
Ganztagsschule zu besuchen, macht Jugendliche unselbständiger, denn notwendige Gelegenheit, zu lernen, sich Zeit selbst einzuteilen, wird ihnen ja genommen.
Für mich etwa wäre das, wenn ich an meine Jugendzeit zurückdenke, entsetzlich gewesen.
Vielleicht stellen die Befürworter der Ganztagsschulen fest:
In den aktuell existierenden Freiräumen ist keine Selbständigkeit zu entdecken.
Es ist besser, die Schüler zu ihrem Glück / Wissen zu zwingen, als den Schülern dabei zuzusehen, wie sie ihre Freiheit sinnlos nutzen.
Das ist ein allzu pessimistischer Ansatz. Schon "Helikopter-Eltern" zu haben kann Jugendlichen schaden, jetzt auch noch alle Erzieher zu "Helikopter-Erziehern" machen zu wollen, nähme den Jugendlichen jede Chance, sich frei zu entwickeln.
Es kommt immer darauf an, was man will.
Sagen wir, nur ein Bruchteil ergreife die Chance, wie viel sei dann die Chance noch wert?
Wir reden nicht über Freizeitaktivitäten. Das könnte man problemlos jedem selbst überlassen.
Fast 100 % aller Kinder würden lieber spielen als lernen. Fast 100 % aller Kinder würden Süßigkeiten nahrhaftem Essen vorziehen.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es besonders in jungen Jahren einer Hand bedarf, die die Kinder führt.
Allein zuhause mit dem Kopf über den Hausaufgaben die Selbständigkeit zu üben bietet keinen attraktiven Anreiz.
Deshalb wird immer gepredigt: "Du machst das für dich", so häufig, bis es den Kindern aus den Ohren wieder herauskommt.
Wir reden nicht über Freizeitaktivitäten. Das könnte man problemlos jedem selbst überlassen.
Wer den ganzen Tag in der Schule sein muss, hat eben keinerlei selbst bestimmte "Freizeitaktivitäten" mehr. So sieht das aus!
Die Zeit in der Schule auf ein Minimum zu reduzieren würde die Freizeit maximieren. Es wäre der Selbstbestimmung dienlich, so weit es die Eltern zulassen.
Es wäre aber nicht zwingend der Selbständigkeit dienlich.
Zum Beispiel gewinnt man an Freiheit, indem man eine Fremdsprache erlernt. Die Kosten der Freiheit sind die Investition von gebundener Zeit (Unfreiheit).
Die meisten Eltern würden ungern ihre Kinder entscheiden lassen, zu tun und zu lassen, was sie möchten, weil sie wissen, dass das, was sie möchten, keinen guten Nährboden für die Zukunft der Kinder bieten würde.
Kinder finden Pipi Langstrumpf cool. Sie wird ja auch nie erwachsen. Eltern wissen, dass ihre Kinder erwachsen werden und sie möchten, dass die Kinder möglichst gut auf dieses Leben vorbereitet sind, ohne das Kindsein aufgeben zu müssen.
Du hast Recht. Zu viel Disziplin tötet das Kind. Aber in einem gewissen Maß ist sie notwendig.
Wir diskutieren nur über das Maß.
Wir diskutieren über notwendige Qualifikationen, um selbstbestimmt sein zu können.
Wir diskutieren darüber, uns für die Zukunft Räume zu eröffnen.
Ich plädiere ja nicht dafür, dass Kinder frei sein sollten, ihren gesamten Tag selbst zu gestalten. Die klassische Lösung "vormittags Schule, nachmittags Freizeit" hat in meiner Jugendzeit ganz vortrefflich funktioniert.
Sogar "selbst gesteuertes" Lernen gab es da: eben in Form der Hausaufgaben.
Wie gesagt eine Abwägungssache. Es gibt zwei Pole und dazwischen viele Optionen.
Man sollte schon bei allen Gedanken für die Zukunft das Hier und Jetzt nicht vergessen. Die Deutschen sind bekannt für ihren sorgenvollen Blick in die Zukunft. Das spiegelt sich im Schulsystem, bzw. im Trend wider.
Kindern fehlt der Blick in die Zukunft. Das lässt sie unbeschwert leben, was auch gut so ist. Die Eltern sehen sich in der Pflicht, die Zukunft der Kinder zu denken.
Wir diskutieren nur über das Maß.
Wir diskutieren über notwendige Qualifikationen, um selbstbestimmt sein zu können.
Ja, so sehe ich das auch.
Es sollten sich Politiker auch nicht anmaßen darüber entscheiden zu wollen, wie viel Hausaufgaben für Schüler welchen Jahrgangs hilfreich sind:
https://de.euronews.com/my-europe/2024/04/11/polen-verringert-hausaufgaben-fur-grundschuler
Es ist sowieso sinnlos, eine Stunde lang zu "unterrichten", wenn die Klasse sich aufgrund von Schlafmangel größtenteils zwischen den Zuständen "menschliches Gemüse" und "Zombie" befindet.
Alles, was man damit erreicht, ist ins Klassenbuch eintragen zu können, dass der Stoff "dran" gewesen ist und dass man ihn entsprechend legitim in der Klassenarbeit abprüfen darf. Wann die Schüler sich den Stoff tatsächlich draufschaffen, ist deren Problem.
Die dänische Maßnahme erkennt einfach nur diese simple Realität an.
Mit unliebsamen, nicht systemkonformen Fakten hat Deutschland traditionell Schwierigkeiten, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Siehe Schul-Noten ("Leistungsbewertung"), siehe Schweinezyklus und zichtausend andere Beispiele.
https://www.gutefrage.net/frage/frage-ueber-noten-2#answer-520608733
https://www.gutefrage.net/frage/was-soll-am-schulsystem-veraendert-werden#answer-525365643
wenn die Klasse sich aufgrund von Schlafmangel größtenteils zwischen den Zuständen "menschliches Gemüse" und "Zombie" befindet.
Ich kann mich nicht erinnern, dass Schulbeginn um 8:00 mir irgendwelche Probleme bereitet hätte. Auch Mitschüler, die müde ausgesehen hätten, kann ich mich nicht erinnern.
Wenn das heute anders sein sollte, kann nicht die Schule das Problem sein.
Deine Wahrnehmung und dein Gedächtnis sind letztlich reine Anekdoten ohne Bedeutung.
Eine weitere Eigenschaft des deutschen Schulsystems, die auf keinerlei pädagogischen oder sonstwie wissenschaftlichen Erwägungen fußt, ist übrigens das 45-Minuten-Raster der Unterrichtsstunden an sich. Das ist rein organisatorisch bedingt, es erschien vor x-hundert Jahren als geeignetes Mittel zur Rationalisierung des Ablaufs oder dergleichen und wurde seither im Mainstream einfach stumpf nicht mehr hinterfragt.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ….
Das man sich nicht erinnern kann, bedeutet nicht, dass es das Nichterinnerte nicht gab. Die Chronobiologie ist schon älter und als ich vor knapp 50 Jahren die Schule verlies, gab es bereits deren Forderung nach einem späteren Unterrichtsbeginn.
Daran kann ich mich erinnern, auch wenn ich selbst zu den «Lerchen» (Frühaufstehern) und nicht zu den «Eulen» (Langschläfern) gehörte. Will sagen: Ich war kein Opfer des frühen Schulbeginns, wusste aber, das es diese Opfer gab. Denen will man - trotz gegenteiliger Belege - bis heute einreden, dass sie an ihrer Situation selbst Schuld seien, weil sie zur angeblich falschen Zeit ins Bett gingen.
Veraltete Vorstellungen von der Erziehung tun ihr Übriges. Eines der natürlichsten und überlebenswichtigsten Bedürfnisse des Menschen, nämlich der Schlaf, wird zum Erziehungsprojekt. Wir passen den Alltag nicht dem Schlaf an, sondern umgekehrt. Der Mensch ist die einzige Spezies auf diesem Planeten, die ihren Nachwuchs weckt. Bedeutet: wir reißen ihn (den Nachwuchs) aus dem Schlaf, wenn der noch nicht beendet ist und finden das völlig normal. Wie Deine Bemerkung zeigt, vergessen wir sogar, dass es so ist..
Die Idee des späteren Unterrichtsbeginns ist sehr alt und eine Forderung aus der Wissenschaft. Als ich vor knapp 50 Jahren die Schule verlies, war das bereits ein Thema. In meiner Antwort zu dieser Frage habe ich mehrere Beiträge zum Thema verlinkt.
2016 gab es am Dalton Gymnasium in Alsdorf (NRW) ein Forschungsprojekt von Chronobiologen. Seither haben die höheren Jahrgänge eine so genannte Gleitzeit. Sie können eine Stunde später anfangen, ohne am Nachmittag länger bleiben zu müssen. Die Organisation des Unterrichts macht es möglich.
Auch wenn das Ganze hier für das Fernsehen etwas gestellt ist, entspricht es rein sachlich der Wahrheit. Das Video ist auch auf der Internetseite des Gymnasiums verlinkt.
https://youtu.be/05FxA1x3wg4?si=cFPCcGdLb-hJYK0F
Hier noch ein Beitrag vom Spiegel:
Zu Deiner Frage, ob das gut gehen kann: Bei richtiger Organisation des Lernprozesses, könnte Jeder den Unterrichtsstoff aus 10 Schuljahren je nach Intelligenz in ein bis vier Jahren lernen. Dass man ein Jahrzehnt oder länger in der Schule verbringt, hat andere Gründe.
Gruß Matti
In Dänemark 1 Stunde weniger Schule pro Schultag: Kann das wirklich gut gehen?
Klar
Wenn man effektiver lernt und mitmacht geht das natürlich
In Deutschland hilft noch nichtmal 1h mehr Unterricht um die Probleme der deutschen Schüler zu lösen.
Ganztagsschule wäre hier evtl die Lösung
Ganztagsschule nimmt den Jugendlichen jede Möglichkeit, täglich neu zu üben, wie man sich freie Zeit selbst sinnvoll einteilt.
Wer an die eigene Jugendzeit zurückdenkt, wird verstehen, was ich meine.
In Deutschland hilft noch nichtmal 1h mehr Unterricht um die Probleme der deutschen Schüler zu lösen.
Ganztagsschule wäre hier evtl die Lösung
Widerspricht sich das nicht? Oder meinst du das so, dass eine Stunde nicht ansatzweise ausreicht? Es müssten viel mehr sein?
Wieso Wiederspruch
Mehr Stunden sind in Deutschland doch notwendig um das gleich Niveau zu erreichen
Mit Ganztagsschule könnte man auch den Schülern das Sebatstudium und mitdenken beibringen dass andere Länder schon lange kennen.
Wo liegt da der Wiederspruch?
Ich habe es erst so gelesen, dass eine Stunde mehr keinen Mehrwert bringt. Also wieso dann eine Ganztagsschule einführen?
Es ist mir inzwischen aber klar geworden, dass du es so meinst, dass eine Stunde mehr etwas bringt, nur nicht genug.
Ok den Einwand kann ich nachvollziehen
Ja ich meinte 1 Stunde mehr je Tag würde noch lange nicht das Niveau und den Erfolg haben wie dort die Schule mit 1 Stunde weniger.
Ich wüsste nicht, woraus man schließen könnte, dass deutsche Schüler anders sind als dänische. Solche Vermutung ist aus der Luft gegriffen.
Qualität über Quantität. Wenn man den Lehrplan anpasst und sinnvollen und interessanten Unterricht gestaltet, ist es auf jeden Fall machbar.
Als ich zur Schule ging, hat man dort dem Lehrer noch ihn Ruhe zuhören können (und so auf die allereinfachste Art stressfrei gelernt). Bei heutiger Lehrmethodik aber ist - mindestens in der Grundschule - der Lärmpegel in der Klasse dafür viel zu hoch. Wie soll da denn noch "sinnvoller, interessanter" Unterricht stattfinden können?
Das kann man so allgemein aber auch nicht sagen. Bei mir im Abi und in der Berufsschule war die Klasse sehr leise und aufmerksam, wenn Unterricht gemacht wurde. Aber wie gesagt, der Unterricht war deshalb halt wahrscheinlich wenig auf uns ausgerichtet, weil wir viel schneller fertig waren deshalb. Bei Grundschule und Mittelstufe weiß ich gar nicht mehr, wie es so war.
Sinnvoll und Interessnt ist der Stoff in Deutschland doch auch.
Selbststudium und mitdenken ist leider bei aktuellen Pubertieren in Deutschland kaum möglich.
Andere Länder sind da halt viel weiter
Wenn ich überlege, wie viele Stunden in unnötig in der Schule saß, weil die Lehrer eine ganze Stunde zu spät kamen, wir für 90 Minuten eine Aufgabe bekamen, die in 10 Minuten erledigt war oder anderer Dinge, kann man sich eine Stunde des Tages auch gerne sparen.
Da hätte ich lieber die ganze Zeit auch wirklich was gemacht und dafür früher daheim gewesen, als meine Lebenszeit dort zu verschwenden und eh nur am Handy zu sein.
Wenn man den Lehrplan anpasst und sinnvollen und interessanten Unterricht gestaltet
Wir reden vom deutschen Schulwesen.
Weniger Unterricht heißt ja nicht dass die Schüler weniger lernen müssen.
Ganz im Gegebenteiil
Es muss viel mehr selbst sich beigebracht werden.
Dadurch sitzt der Stoff aber natürlich besser als bei Frontalunterricht